# taz.de -- Antirassistischer Protest in den USA: Am Fuß des Kriegerdenkmals | |
> In 790 Orten protestieren am Wochenende US-Amerikaner gegen den weißen | |
> Rassismus. Einer davon ist die Stadt Albany. | |
Bild: Wie in Albany demonstrieren am Wochenende auch verschiedene Gruppen in Da… | |
ALBANY taz | „Steh auf gegen den weißen Terror“, steht auf dem Schild, das | |
die blonde Frau in Albany gemalt hat. Joanna Palladino war nicht überrascht | |
von der Gewalttat in Charlottesville. „In diesem Land gibt es viel zu viele | |
wütende weiße Männer, die glauben, dass ihnen alles erlaubt ist“, sagt sie: | |
„Und wir haben keine Angela Merkel im Weißen Haus, die ihnen Paroli bieten | |
würde.“ Als sie von dem Aufruf zu einer „Notfalldemonstration gegen weiße | |
Vorherrschaft“ erfuhr, wusste Palladino sofort, dass sie hingehen musste. | |
Albany, rund 100.000 Einwohner stark und Hauptstadt des Bundesstaates New | |
York, und Charlottesville in Virginia liegen fast 800 Kilometer voneinander | |
entfernt. Heather Heyer kannte in Albany niemand. Aber kaum 24 Stunden nach | |
ihrem Tod kommen fast 500 Menschen – darunter junge und alte, weiße und | |
schwarze, Latinos und Muslime – in dem dreieckigen Park zwischen zwei | |
Avenuen und einem Boulevard zusammen. | |
Kleriker, Antirassismusgruppen und linke Organisationen haben das Treffen | |
in aller Eile organisiert. Es ist eines von 790, die an diesem Nachmittag | |
an ebenso vielen Orten der USA stattfinden. Zu manchen davon sind Tausende | |
Teilnehmer gekommen. Zu anderen nur ein paar Dutzend. | |
„Keine Nazis, keine KKK, keine faschistischen USA“, skandieren sie an | |
diesem Sonntagnachmittag quer durch das Land. Die unüberhörbare gemeinsame | |
Botschaft lautet: Charlottesville ist überall. Und wenn der Mann im Weißen | |
Haus die rechtsradikale Gewalt nicht eindeutig verurteilt, müssen die | |
Bürger die Sache selbst in die Hand nehmen. | |
Albany ist – wie Charlottesville – eine mehrheitlich demokratische Stadt, | |
mit einer großen afroamerikanischen Bevölkerung und mit Einwanderern, die | |
kamen, als die Industrie boomte. Aber rund um Albany liegen – wie im Fall | |
von Charlottesville – ländliche Regionen mit einer weitgehend homogenen | |
weißen Bevölkerung, in der die Sympathien für die Republikaner überwiegen. | |
Immer wieder versuchen weiße Nationalisten, dort Anhänger zu rekrutieren. | |
Im Bundesstaat New York verteilte noch im Juni eine Ku-Klux-Klan-Gruppe | |
(KKK) Flugblätter in Vorgärten. | |
## Protest unter dem Kriegerdenkmal | |
Das Treffen in Albany findet unter einem Denkmal mit einem Soldaten mit | |
Gewehr statt, das den Sieg im Krieg gegen die Spanier im Jahr 1898 feiert. | |
Schon im Dezember versammelten sich an derselben Stelle Linke, um vor einem | |
Erstarken des KKK zu warnen. Ein halbes Jahr später ist der Ernstfall | |
eingetreten. Am Fuß des Kriegerdenkmals hat jemand eine Flasche mit | |
Feldblumen aufgestellt. An ihr lehnt ein Herz mit der Aufschrift „Heather“. | |
„In Deutschland gibt es keine Denkmäler für Hitler“, sagt Joe Lombardo, | |
Antikriegsaktivist aus Albany und einer der Organisatoren, „warum brauchen | |
wir Denkmäler für Leute, die für den Erhalt der Sklaverei gekämpft haben?“ | |
Er ist überzeugt, dass Trump den radikal Rechten aufmunternde Signale | |
sendet. „Es ist an der Zeit, dass wir gegenhalten“, sagt er. | |
Auch der pensionierte Psychologe Ben Goldberg hat gespürt, wie die radikal | |
Rechten unter Trump „aus dem Busch kamen“. Dennoch ist er erstaunt, wie | |
schnell die Gewalt kam. Wie die meisten Menschen, die an diesem Tag in den | |
USA aus Protest auf der Straße sind, erwartet er wenig von dem Präsidenten. | |
Er nennt ihn einen „psychotischen Narzissten, der nicht zuhört“. | |
Stattdessen setzt Goldberg darauf, „unsere eigenen Vertreter auf lokaler | |
und nationaler Ebene in die gewählten Gremien zu bringen“. | |
Die Versammelten im Townsend Park hoffen, dass die Gewalttat von | |
Charlottesville auch jenen die Augen öffnen wird, die bislang die radikal | |
Rechten verharmlost haben. „Hört endlich damit auf, so zu tun, als könnte | |
Rassismus patriotisch sein“, ist auf einem Transparent zu lesen. | |
Doch über das konkrete Vorgehen gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Die | |
einen, darunter die seit den Wahlen neu erstarkten Demokratischen | |
Sozialisten Amerikas (DSA), wollen vor allem in den Betrieben | |
organisieren. Andere setzen auf Erziehung. Wieder andere auf die kommenden | |
Halbzeitwahlen im Herbst 2018. | |
## Grausame Erinnerungen | |
Barbara Smith, eine afroamerikanische Feministin, fühlt sich an diesem | |
Wochenende an ihre Kindheit erinnert. Sie war acht, als weiße Männer in | |
Mississippi den schwarzen Teenager Emmett Till aus Chicago lynchten. | |
„Damals verstand ich, was es bedeutet, in Amerika schwarz zu sein“, sagt | |
die 70-Jährige. Sie hat ihr Leben lang gegen Rassismus gekämpft und | |
vermutet, dass jetzt der Zeitpunkt naht, an dem sich die Verhältnisse | |
grundsätzlich ändern werden: wenn binnen wenigen Jahren die weiße | |
Bevölkerung nicht mehr die Mehrheit in den USA stellen wird. Die | |
rassistische Gewalt versteht sie als „letztes Aufbäumen dagegen“. Bei ihrer | |
Rede am Fuß des Kriegerdenkmals sagt sie: „Dagegen müssen wir gemeinsam | |
vorgehen. Ob wir uns mögen oder nicht.“ | |
Andere Demonstranten betrachten den Rassismus als eine Konstante der | |
US-amerikanischen Erfahrung seit der Sklaverei. Sie nennen ihn „so | |
amerikanisch wie Apple Pie“. Die Lokalpolitikerin Leah Golby hat sich, | |
einen Tag nach den antisemitischen Slogans von Charlottesville, einen | |
gelben Stern an die Brust geheftet. „Ich habe so etwas nie zuvor getragen“, | |
sagt sie. Eine muslimische Kopftuchträgerin aus Albany gesteht, dass sie | |
beim Einkaufen manchmal vor Angst zittert. Und die junge Sozialistin | |
Elizabeth warnt: „Vor uns liegen noch harte Kämpfe.“ | |
14 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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