| # taz.de -- Anschläge auf Flüchtlingsheime: Im Nebel der Brände | |
| > Die Linksfraktion im Bundestag zählt 63 Brandanschläge auf Asylheime in | |
| > diesem Jahr, das BKA 26, die taz 60. Woher kommen diese Unterschiede? | |
| Bild: Dieser Sporthalle in Wertheim (Baden-Württemberg) sollten 330 Flüchtlin… | |
| Berlin taz | Und wieder eine neue Zahl. 63 Brandanschläge auf | |
| Flüchtlingsunterkünfte habe es im laufenden Jahr gegeben. Das verkündete | |
| die Linksfraktion am Mittwoch im Bundestag. Die Partei hatte eigens eine | |
| Analyse beim unabhängigen „Antifaschistischen Presse- und Bildungszentrum | |
| Berlin“ (apabiz) in Auftrag gegeben, um die Zahl und weitere Hintergründe | |
| zu ermitteln. | |
| Die Serie der Brandanschläge verdient alle Beobachtung. Denn sie reißt | |
| nicht ab - im Gegenteil: Die Anschläge nahmen zuletzt deutlich zu. Und sie | |
| treffen vermehrt auch bewohnte Heime. Erst in der Nacht zu Montag brannte | |
| eine geplante Unterkunft im Baden-Württembergischen Oberteuringen, die | |
| Außenfassade wurde zerstört. Die Polizei schloss Brandstiftung nicht aus. | |
| Die Linksfraktion führt diese Tat noch nicht in ihrer aktuellen Statistik. | |
| Dennoch liegen die von ihr aufgeführten 63 Anschläge weit über der Zahl der | |
| Sicherheitsbehörden. Dort kommt das Bundeskriminalamt (BKA) auf bisher | |
| [1][26 Brandstiftungen an Asylunterkünften im laufenden Jahr]. Und auch | |
| anderswo wird Statistik geführt: [2][Pro Asyl und die Antonio Amadeu | |
| Stiftung zählen 57 Angriffe]. [3][Die taz ermittelte in einer eigenen | |
| Recherche 60 Brandstiftungen]. | |
| Woher kommen diese Unterschiede? Das BKA selbst nennt seine Auflistung | |
| „nicht abschließend“. Die Fallzahlen, die sich aus Meldungen der | |
| Länderpolizeien speisen, unterlägen „ständigen Änderungen“ und würden | |
| „fortlaufend aktualisiert“, sagte eine Sprecherin der taz. Nachmeldungen | |
| sind also möglich und wahrscheinlich. Die Polizei zählt allerdings nur | |
| Fälle, die sie für eindeutig „politisch motiviert“ und „erkennbar im | |
| Zusammenhang mit der Asylthematik“ hält. Soll heißen: Solange nicht | |
| technische Defekte oder etwa das ein Feuerausbruch durch Bewohner selbst | |
| als Brandursache sicher ausgeschlossen werden können, tauchen Fälle nicht | |
| in der Statistik auf. | |
| Die Liste der Linkspartei und des apabiz führt dagegen auch | |
| „Verdachtsfälle“ auf. Sie beruhen auf Angaben verschiedenen | |
| Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus und auf Pressemeldungen. Auch die | |
| taz hatte neben den „offiziell“ bestätigten Anschlägen ebenso solche | |
| gezählt, bei denen eine Brandstiftung naheliegt. | |
| ## Mehr Straftaten im Westen | |
| Linken-Innenexpertin Martina Renner sprach am Mittwoch von einer | |
| „besorgniserregenden“ Entwicklung. Allein seit Juli habe sich die Zahl der | |
| Brandanschläge gegenüber dem ersten Halbjahr 2015 mehr als verdoppelt. | |
| Beunruhigend sei, dass immer mehr bewohnte Unterkünfte angegriffen würden. | |
| Laut den apabiz-Zahlen betraf dies 37 der 63 Anschläge. „Es ist nur | |
| glücklichen Zufällen zu verdanken, dass es bislang keine Toten gegeben | |
| hat“, sagte Renner. | |
| Das apabiz analysierte auch die Tatorte – hier allerdings bezogen auf alle | |
| offiziell erfassten Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte im ersten | |
| Halbjahr 2015, 173 Delikte. Darunter fallen auch Körperverletzungen, | |
| Sachbeschädigungen oder rechte Schmierereien. Demnach gab es mehr Taten in | |
| den westlichen Bundesländern (97) als in den östlichen (76). Gemessen an | |
| der Einwohnerzahl liegen dennoch Sachsen, Brandenburg und Berlin an der | |
| Spitze der Übergriffe. | |
| Das BKA ging noch einen Schritt weiter. Dort wertete man auch die | |
| Erkenntnisse zu den Tatverdächtigen aus, ebenso zu allen Straftaten gegen | |
| Asylunterkünfte. Die ermittelten Personen waren demnach überwiegend Männer, | |
| die Hälfte 18 bis 25 Jahre alt. 73 Prozent von ihnen wohnten im gleichen | |
| Ort, in dem sie gegen Unterkünfte straffällig wurden. Und nur ein Drittel | |
| war zuvor mit politischen Straftaten aufgefallen. | |
| Zu den Brandstiftungen bleiben die Erkenntnisse der Polizei dagegen mager. | |
| Hier fassten die Ermittler bisher nur bei sieben Anschlägen Tatverdächtige: | |
| insgesamt 20 Männer und Frauen. Darunter waren bekannte Neonazis, ein | |
| Finanzbeamter und ein freiwilliger Feuerwehrmann. | |
| Linken-Innenexpertin Renner plädierte für einen Perspektivwechsel – hin zu | |
| den Flüchtlingen in den Unterkünften. „Wir brauchen eine zweite Welle des | |
| Willkommens“, sagte sie am Mittwoch. Es brauche Bürger, die die Flüchtlinge | |
| auch begleiten, wenn sie in Wohnungen leben und die ihnen den Alltag in den | |
| Kommunen erleichtern. Damit, so Renner, würde man „auch gegenüber den | |
| potenziellen rassistischen Tätern deutlich machen, dass sie keine | |
| Legitimation aus der Mitte der Gesellschaft haben, wenn sie Flüchtlinge | |
| angreifen und Brandsätze werfen“. | |
| 30 Sep 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Anschlaege-auf-Fluechtlingsheime/!5233056 | |
| [2] https://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/service/chronik-vorfaelle | |
| [3] /Brandanschlaege-auf-Unterkuenfte-2015/!5235937 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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