# taz.de -- AfD-Parteitag in Magdeburg: Mauerwitze und Europapläne | |
> Zum Auftakt ihres Parteitags beschließt die extrem rechte Partei den | |
> Schulterschluss in Europa. Die aktuelle Debatte um die CDU sorgt für | |
> Häme. | |
Bild: Stimmung und Umfragewerte der AfD sind gut: Die Parteivorsitzenden beim B… | |
MAGDEBURG taz | Die 600 Delegierten des Parteitags der extrem rechten AfD | |
in Magdeburg mussten an einem Spalier von Omas, Opas und jüngeren | |
Gegendemonstrant*innen vorbei, die sich vor dem Haupteingang und der | |
Zufahrtsstraße postiert hatten. | |
Die meisten Delegierten reisten per Auto an. Die „Nazis raus!“-Rufe dürften | |
sie auch in ihren Fahrzeugen gehört haben, während die Initiative „Kein | |
Bock auf Nazis“ ein Flugzeug organisieren wollte, das ein Spruchband mit | |
der Aufschrift „Scheiß Nazis“ hinter sich her ziehen soll. Eine weitere, | |
kleinere Demo, an deren Ende auch mehrere Omas und Opas mit Rollator | |
gingen, zog am Messezentrum in Magdeburg vorbei, sang antifaschistische | |
Lieder und rief: „Alerta, Alerta, Antifaschista!“ | |
Das erste von zwei Parteitagswochenenden der AfD hat am Freitag in | |
Magdeburg begonnen. Am ersten Tag, an dem nichts wirklich Wesentliches | |
entschieden wird, ging es vor allem um eine Demonstration der Stärke nach | |
den zwei kürzlichen Erfolgen in Kommunalwahlen in Thüringen und | |
Sachsen-Anhalt. Die Stimmung der Delegierten wirkte gemäß den Umfragewerten | |
gut. [1][Im Höhenflug ist die AfD nach geschürten Abstiegsängsten], | |
angesichts der multiplen Krisen und der Legitimation von rassistischen und | |
rechten Kulturkampfthemen durch Konservative. Es könnte derzeit kaum besser | |
laufen für die AfD. | |
Entsprechend wirkte der Co-Parteivorsitzende Tino Chrupalla so, als könne | |
er vor Kraft kaum laufen: Er stichelte in seiner Begrüßungsrede gegen den | |
CDU-Chef Friedrich Merz, der die Union zuletzt als „Alternative mit | |
Substanz“ bezeichnet hatte und die kommunal ohnehin stellenweise fehlende | |
Brandmauer gegen die extrem rechte AfD legitimierte, indem er eine | |
[2][Zusammenarbeit nicht mehr grundsätzlich ausschloss] – entgegen der | |
Beschlusslage der Partei. | |
## Häme gegen Schwarz und Grün | |
Chrupalla sagte dazu: „Wir sind das Original und niemand anders“. | |
Anschließend hetzte er im Stile eines Schulhof-Bullys gegen die Grünen: | |
„Grünen-Chefin Ricarda Lang stemmt sich mit vollem Gewicht allen Versuchen | |
entgegen, die Brandmauer umzuwerfen“ – der Saal quittierte das stillose | |
Mobbing mit Lachen, woraufhin Chrupalla forderte: „Reißt die schwarz-grüne | |
Mauer nieder!“ | |
Ein wenig kontrovers wurde es kurz am frühen Nachmittag, als es um den | |
Beitritt in die ID-Partei ging, in der sich verschiedene rechtsradikale | |
europäische Parteien wie die französischen Rassemblement National, die FPÖ | |
und die Lega Nord zusammen geschlossen haben. Im aktuellen EU-Parlament ist | |
die AfD bereits Teil der ID-Fraktion. | |
Der Bundesvorstand brachte seinen Antrag auf Eintritt in die Partei, der | |
auch mit Geld verbunden ist, nach kürzerer Debatte durch, musste aber ein | |
paar Federn nach schmissigen Wortbeiträgen von Parteiradikalen lassen: | |
Karsten Hilse nannte den Antrag die „Aufweichung“ der in Dresden 2021 | |
beschlossenen Dexit-Forderung, Martin Sichert, dem auch Ambitionen auf | |
einen Spitzenplatz der Europaliste nachgesagt werden, sagte: „Wir wollen | |
geradlinig und nicht käuflich sein und jetzt sollen wir unseren Markenkern | |
aufgeben, damit jemand in Brüssel mit dem Scheckbuch winkt.“ Man sei | |
schließlich nicht die Alternative für Europa. | |
Obwohl der Saal kurz in Wallung und die Kräfteverhältnisse kurz | |
ausgeglichen schienen, fand der ID-Beitritt am Enden eine deutliche | |
Mehrheit – auch nach einem ersten Machtwort von Alice Weidel an diesem | |
Wochenende, die einer Vertagung widersprach und ins Mikro rief: „Wir | |
brauchen in Europa starke Partner, wir wollen keine randständige Partei | |
sein.“ Man brauche Mehrheiten gegen die Parteien, die sich angeblich | |
„Europa zur Beute“ gemacht hätten. | |
## Streitpunkt Russlandkurs | |
Ein Knackpunkt im Verhältnis zu anderen rechten Parteien Europas dürfte vor | |
allem der Russlandkurs der AfD sein. Chrupalla, nicht erst durch [3][seinen | |
Besuch in der russischen Botschaft] am Tag der Befreiung in diesem Jahr für | |
seinen putinfreundlichen Kurs bekannt, sagte in seiner Begrüßungsrede, dass | |
er Respekt für die Ukraine „ebenso wie für Russland“ fordere – ganz so … | |
habe Russland die Ukraine nicht überfallen und den Krieg vom Zaun | |
gebrochen, von dem auch die AfD durch die steigenden Energiepreise | |
profitiert. | |
Chrupalla forderte die Aufhebung von Russland-Sanktionen und den Import von | |
günstigem Putin-Gas. Dabei nutzte er auch Worte des NS-Vordenkers Carl | |
Schmitt, als er von Multipolarität sprach: „Multipolarität bedeutet nicht | |
mehr: Eine einzige Weltmacht beherrscht die Welt, sondern mehrere | |
gleichberechtigte Mächte setzen in ihren Regionen ihre Vorstellungen von | |
Recht und Ordnung durch.“ Übersetzt: Chrupalla will die Ukraine Russland | |
zum Fraß vorwerfen für günstiges Gas – so viel zum Respekt vor der Ukraine. | |
Er bestärkte diesen eingeschlagenen Kurs des Bundesvorstands, der auch | |
intern umstritten ist. | |
Apropos Streit: Vom Parteitag forderte Chrupalla „Disziplin, Einigkeit und | |
Harmonie“ – „so wie letztes Jahr“. Das jedoch konnte er nur so halb ern… | |
gemeint haben. Kurze Erinnerung: Vor einem Jahr im sächsischen Riesa endete | |
der Parteitag vorzeitig im Streit und wurde wegen Differenzen bei der | |
Europapolitik zwischen dem frisch gewählten Bundesvorstand um Chrupalla und | |
Alice Weidel und dem Höcke-Lager abgebrochen. | |
Tatsächlich aber hat der jetzige Bundesvorstand die Partei danach deutlich | |
geräuschloser geführt als zuvor Meuthen – was aber vor allem daran liegt, | |
dass die extrem rechte Strömung im Vorstand und Partei mittlerweile | |
Mainstream ist. Am Freitag blieb der Stress jedenfalls vorerst aus: Ein | |
Antrag zur Befassung mit [4][Spendenskandalen im Zusammenhang mit den | |
Parteifinanzen] scheiterte ebenso wie ein Antrag aus Thüringen, die Presse | |
für den Haushaltsteil auszuschließen. | |
## Streit am Samstag | |
Mit Blick auf die am Folgetag stattfindende Aufstellung für die Europawahl | |
warb Chrupalla dafür, die bisherige Europadelegation auszutauschen, die | |
2019 noch unter dem ausgetretenen Ex-Parteichef Jörg Meuthen einzog. Die | |
Fraktion sei zu lange dem Meuthen-Kurs verhaftetet gewesen – Chrupalla | |
forderte einen „Generationenwechsel“. | |
Zur Erinnerung: Der Meuthen-Kurs mündetet gegen Ende darin, sich von | |
Rechtsextremen abzugrenzen und die AfD zu verharmlosen – aus Angst vor der | |
mittlerweile erfolgten Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall für den | |
Verfassungsschutz. Diese Zeiten sind vorbei: Für die Europaliste will der | |
[5][offen rechtsradikale Maximilian Krah] antreten, der seit einem Jahr im | |
Bundesvorstand sitzt. Krah wiederum ist in der ID-Fraktion im | |
Europaparlament derzeit wegen Betrugsvorwürfen suspendiert und eine solche | |
Reizfigur, dass es spätestens am Samstag auch zu offenem Streit kommen | |
dürfte. | |
28 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Die-AfD-und-die-Sozialpolitik/!5946707 | |
[2] /CDU-Brandmauer-zur-AfD/!5948981 | |
[3] /Gerhard-Schroeder-bei-russischem-Empfang/!5930543 | |
[4] /AfD-Spendenaffaere-um-Alice-Weidel/!5730150 | |
[5] /AfD-Parteitag-in-Magdeburg/!5946568 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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