| # taz.de -- 400 Jahre Hafen Bremen-Vegesack: Im Schatten der Düne | |
| > Bremen hat den ältesten künstlichen Hafen Deutschlands. Heute fristet er | |
| > ein Dasein zwischen gescheiterten Großprojekten und Werften für | |
| > Superreiche. | |
| Bild: Die klassische Schere zwischen Arm und Reich | |
| Bremen taz | Es ist ein unscheinbares Becken an der Mündung des Flüsschens | |
| Lesum, hinter dem sich ein 16-geschossiges Wohnsilo erhebt, das lange schon | |
| zum sozialen Brennpunkt geworden ist. Vielleicht zwei Dutzend Schiffe | |
| liegen in diesem Museumshafen, am Rande einer Großbaustelle. Und doch ist | |
| das hier in Bremen-Vegesack der erste künstlich angelegte Hafen | |
| Deutschlands. | |
| Vor 400 Jahren wurde er in Betrieb genommen, seine Existenz verdankt er | |
| noch dem Dreißigjährigen Krieg. Der Ort drumherum, „Fegesacke“, das waren | |
| damals nicht mehr als ein paar Häuser. Gebaut haben den Hafen übrigens die | |
| Holländer, weil man in Bremen so was seinerzeit noch gar nicht konnte. | |
| Die richtige Stadt war damals schon weit weg: 25 Kilometer sind es von | |
| diesem Hafen bis zum Bremer Dom. Doch die Weser, in der hier die Lesum | |
| endet, sie versandet. Ob ihres Tiefgangs kamen all die Seeschiffe also | |
| nicht mehr bis nach Bremen an die Schlachte, die historische Uferpromenade, | |
| wo sich heute eine Kneipe an die andere reiht. Und den [1][Fluss | |
| ausbaggern]: Das ging erst 250 Jahre später. Stattdessen wurde eben ein | |
| Hafen gebaut, damit Frachter nicht in Buchten und Flussarmen die Winter und | |
| Unwetter zu überstehen hatten, wo sie zudem Räuber:innen ausgeliefert | |
| waren. | |
| Es war der Beginn einer langen, ruhmreichen Geschichte, zu der der erste | |
| Flussdampfer und die größte Heringsfischerei Europas gehören. Geblieben ist | |
| die Lürssen Werft, die am Vegesacker Hafen noch immer ihren Hauptsitz | |
| stehen hat. | |
| ## Wo viel Geld im Spiel ist | |
| Sie verdient ihr Geld mit dem Militär (jüngst wurde ein paar Meter weiter, | |
| auf der anderen Flussseite, die „Gorch Fock“ der Bundeswehr zu Ende | |
| saniert), aber auch mit Supersuperreichen, die sich hier Motorboote | |
| bestellen. Die längste Yacht der Welt etwa kommt von hier, die „Azzam“. Sie | |
| gehört dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, ist rund 180 | |
| Meter lang und soll ihn gut 500 Millionen Euro gekostet haben. | |
| Wenn man durch die schmale Hafenausfahrt in Vegesack unter der Klappbrücke | |
| hindurch hinaus auf die Weser fährt, sieht man gegenüber Abeking & | |
| Rasmussen. Traditionsbewusste Segler kriegen bei dem Namen noch immer | |
| leuchtende Augen, doch auch hier setzen sie lange schon auf das Militär und | |
| Milliardäre. Nur eine Nummer kleiner als nebenan bei Lürssen; die | |
| längste Yacht, die hier vom Stapel lief, misst keine 100 Meter. | |
| Drüben im Museumshafen ist von all dem Geld wenig angekommen, zumindest | |
| nicht so, dass man es sehen könnte. Stattdessen wurde hier jüngst ein | |
| riesiges [2][Einkaufs- und Erlebniscenter namens Haven Höövt] abgerissen; | |
| es ging schon vor zehn Jahren pleite. Dass es doppelt so groß war wie | |
| erlaubt, fiel 2003 bei der Eröffnung offenbar niemandem auf. Wahrscheinlich | |
| war es dem Bauamt aber einfach nur egal und der großkoalitionären | |
| Landesregierung unter Henning Scherf (SPD) ebenso. Weil nach der Pleite der | |
| Vulkan-Werft Ende der Neunziger jedes Mittel recht schien, um den | |
| siechenden Stadtteil zu retten. Und die Investoren wollten es eben so; sie | |
| versprachen Bremen viel. | |
| ## Wo das Geld fehlt | |
| Andererseits haben die Menschen, die in dem benachbarten trutzburgartigen | |
| Koloss, der in den Siebzigern gebauten „[3][Grohner Düne]“, leben oder | |
| leben müssen, weil anderswo niemand an sie vermietet, eh kaum Geld, um es | |
| zu verkonsumieren. Ihr Zuhause am Hafen nennt der Architekturführer „ein | |
| warnendes Wahrzeichen“. | |
| Drumherum wollten Politik und Wirtschaft mit einer „[4][Maritimen Meile“] | |
| bis vor Kurzem einen [5][Touristenmagneten] erschaffen. Mit einer gläsernen | |
| Werft, die auch schon lange wieder zu ist und dem Schulschiff | |
| „[6][Deutschland]“, einem Dreimaster, der jüngst im Streit nach Bremerhaven | |
| gezogen ist. | |
| Aber immerhin hat der Kinderspielplatz an der Kaje, gegenüber vom alten | |
| Haven Höövt, nun endlich ein neues Spielschiff aus Holz bekommen. | |
| 20 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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