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# taz.de -- Werftenkrise in MV und Bremerhaven: Insolvent, aber mit neuen Chanc…
> Die Insolvenz trifft 2.200 Mitarbeiter bei den MV Werften an der Ostsee
> und bei Lloyd in Bremerhaven. Viele hoffen auf einen klimafreundlichen
> Neustart.
Bild: Die Global Dream im Dock in Wismar – wird sie zum Albtraum für die Sch…
Hamburg taz | Wie hoch die Außenstände bei den Zulieferern der MV Werften
sind, kann Jörg Mutschler noch nicht beziffern. Mutschler ist
Geschäftsführer der Arbeitsgruppe der maritimen Zulieferindustrie im
Maschinenbauverband VDMA. „Eigentlich haben unsere Mitgliedsfirmen darauf
geachtet, keine großen Außenstände zu halten“, sagt Mutschler. Schließlich
habe die Industrie bereits länger die Probleme der Schiffbaubetriebe an der
Ostsee kommen gesehen.
Aber nun ist es offenbar zu spät. Die MV Werften mit 1.900 Jobs und die
Bremerhavener Lloyd-Werft mit 300 Jobs haben Insolvenz angemeldet. Der
Grund: Der Eigentümer, der Hongkonger Mischkonzern Genting, steckt in
Schwierigkeiten. Gentings Kreuzfahrtsparte war wegen Corona in eine
Schieflage geraten.
Als [1][Genting 2016 bei dem deutschen Werftenverbund eingestiegen] war,
hatten viele das als Glücksfall für die Schiffsbauer in Rostock, Stralsund
und Wismar gesehen. Vorher waren sie Spezialisten für Transportschiffe
gewesen. Nun sollten sie künftig erstmals Kreuzfahrtschiffe bauen.
Vorher hatte Genting schon die [2][traditionsreiche Reparaturwerft Lloyd in
Bremerhaven] geschluckt. [3][Die Beschäftigtenzahlen stiegen stark an, an
allen drei Ostsee-Standorten wurde kräftig investiert.] „Dennoch bedeutete
das Vorhaben von Anbeginn eine große Herausforderung: Den erfolgreichen
Einstieg in den Markt für eines der komplexesten Produkte der maritimen
Industrie zu schaffen“, heißt es beim Schiffbauverband VSM in Hamburg.
Gemeint waren Kreuzfahrtschiffe.
## Schwesig und Merkel in Stralsund
Der weltweite Markt für Kreuzfahrtschiffe wird von der Meyer Werft im
niedersächsischen Papenburg, Fincantieri in Italien und der französischen
Chantiers de l’Atlantique beherrscht. Von Anfang an heikel war auch, dass
Eigentümer Genting nicht nur Erbauer, sondern auch Abnehmer der
klimatechnischen Alptraumschiffe sein sollte. Mit der Lieferung der 183
Meter langen Megayacht „Crystal Endeavour“ wurde dann unter Beweis
gestellt, dass die Werften die Fertigkeiten dafür hatten.
Zur Kiellegung im August 2018 reisten [4][Bundeskanzlerin Angela Merkel]
und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nach
Stralsund. Auch an finanzieller Unterstützung durch die Politik mangelte es
nicht. Im Juni 2021 half der Wirtschaftsstabilisierungsfonds den MV Werften
dann mit 300 Millionen Euro. Zuletzt ging es Bund und Land um ein weiteres
Hilfspaket in Höhe von 600 Millionen Euro.
Damit sollte das weltgrößte Kreuzfahrtschiff „Global 1“ fertiggestellt
werden. Als Genting nicht mal einen Eigenbeitrag von 60 Millionen Euro
leisten konnte, zog die Politik die Notbremse. Corona hat dem
Casino-Betreiber Genting wohl den Teppich unter den Füßen weggezogen. Der
Handel mit Genting-Aktien an der Börse in Hongkong ist seit Freitag
ausgesetzt. Die Haltung der Verantwortlichen bei Bund und Land hält
VSM-Geschäftsführer Reinhard Lüken für „nachvollziehbar“. Die Politik h…
dem Unternehmen immer wieder Zeit geschenkt, um tragfähige Lösungen zu
finden.
Wichtigste Aufgabe in Mecklenburg-Vorpommern sei es nun, für die
Beschäftigten möglichst schnell die ausstehenden Löhne für Dezember zu
organisieren, sagt IG Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich. Auch in der
Insolvenz müsse es wohl möglich sein, die „Global 1“ auf der Werft in
Wismar fertigzustellen, hofft Friedrich.
## Interessenten gibt es schon
„Ein Weiterbau sichert Arbeit für hunderte Beschäftigte und steigert den
Wert bei einem Verkauf.“ Darüber hinaus sei es wichtig, dass die
Insolvenzverwalter schnell auf mögliche Investoren zugehen und die Werften
neu ausrichten. In Bremerhaven und Stralsund habe es bereits vor der
Insolvenz Interessenten gegeben.
„Jetzt die Chancen nutzen“, will auch der Schiffbauverband VSM. Dazu bedarf
es neuer Konzepte. Fast die gesamte weltweite Handelsflotte mit rund
100.000 Seeschiffen fährt heute mit Schweröl. „Die Flotte auf
Klimaneutralität umzustellen, wird eine gewaltige Aufgabe“, sagt VSM-Chef
Lüken. Dazu komme der geplante Ausbau der Offshore-Windenergie. Außerdem
entstehen neue Märkte für den Import erneuerbarer Kraftstoffe sowie „Carbon
Caputure und Storage“, um CO2-Emissionen einzufangen.
Aber die Unsicherheiten bei Investitionsentscheidungen in klimaneutrale
Schiffe seien gewaltig, so Lüken. Die Staatshilfen müssten an Wertschöpfung
im EU-Binnenmarkt geknüpft werden, damit Rückflüsse für die öffentlichen
Haushalte erwirtschaftet und gute Arbeitsplätze gesichert würden. „Das
trägt nicht nur zu wirtschaftlichem Erfolg bei“, sagt Lüken, „sondern auch
zu einer breiten Akzeptanz in der Bevölkerung für konsequenten
Klimaschutz“.
12 Jan 2022
## LINKS
[1] /Krise-bei-Nord--und-Ostsee-Werften/!5432862
[2] /350-Jobs-in-Bremerhaven-in-Gefahr/!5750446
[3] /Schiffe-fuer-China/!5303802
[4] /30-Jahre-Einheit-in-Stralsund/!5716702
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
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