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# taz.de -- Geschlechtergerechtigkeit abgelehnt: Kein Netzwerk für Deerns
> Mit dem Stadtmarketing-Maskottchen „Vegesacker Junge“ werden nur junge
> Männer gefördert. Eine Bremerin wollte das ändern – und stieß auf eine
> Wand.
Bild: Früher war alles gut: Günther Bruckmeyers Relieftafel „Vegesacker Jun…
Bremen taz | Nein, mit Geschlechtergerechtigkeit haben sie es nicht so in
Bremen-Vegesack. Oder besser: Der Ortsamtsleiter hat es nicht damit und
auch nicht der Förderverein „Vegesacker Junge“, der alle vier Jahre zwei
junge Männer zwischen 18 und 28 Jahren auserwählt, das Maskottchen des
Nordbremer Stadtteils zu verkörpern. Genutzt wird es vor allem zu
Marketingzwecken.
Warum nicht auch junge Frauen den Stadtteil repräsentieren könnten, wollte
Kyra Behrje, ehemaliges Ortsbeiratsmitglied für die Linke vom Förderverein
wissen. Denn solange es keine Vegesacker Deern gebe, seien junge Männer in
Vegesack im Vorteil, sagt sie. „Das ist mehr als eine Symbolfigur, es geht
auch ums Netzwerken.“ Die ausgewählten Vegesacker Jungen lernen bei
Empfängen und Preisverleihungen auch Arbeitgeber*innen in der Region
kennen und können sich das Ehrenamt in ihren Lebenslauf schreiben.
Dabei habe sie noch keine bösen Absichten vermutet, als sie den Verein
anschrieb, erzählt sie. „Manchmal steckt ja auch einfach Unachtsamkeit
dahinter.“ Die Antwort des Vereins habe sie dann so schockiert, dass sie
sich jetzt an die taz wandte. „Für eine Diskussion über dieses Thema stehe
ich nicht zur Verfügung (auch kein anderes Vorstandsmitglied)“, steht in
der Mail, die der Vereinsvorsitzende Ernst Ludwig Neuenkirchen an Behrje
schickte. Allerdings nicht direkt an sie, er wollte nicht persönlich mit
ihr Kontakt aufnehmen – sondern ließ seine Mail vom Ortsamtsleiter Heiko
Dornstedt (SPD) an sie weiterleiten. Sie liegt der taz vor.
Direkt ihr gegenüber geäußert hat sich hingegen ein ehemaliger
Vorstandsvorsitzender. Er schrieb Behrje: „Dies hat sich über viele Jahre
gut bewährt, bedarf keiner Änderung und sollte in Zukunft auch so bleiben.“
Behrje wollte sich damit nicht zufriedengeben und stellte – damals noch
Mitglied der Linken-Fraktion – im März 2020 im Beirat, dem
Stadtteilparlament, einen Antrag. Danach hätte der Beirat den Verein
auffordern sollen, auch junge Frauen auszuwählen. Allerdings scheiterte sie
schon vor Abstimmung, weil der Antrag nicht vom Ortsamtsleiter Heiko
Dornstedt zugelassen wurde. Die Begründung: Der Beirat dürfe sich nicht in
Vereinsangelegenheiten einmischen. Behrje entgegnet, dass der Beirat
durchaus Empfehlungen geben könne.
Doch offenbar geht es Dornstedt gar nicht um eine Formalität, sondern ums
Prinzip. Der taz sagt er zu dem Thema: „Auf einem Fischkutter werden sie
damals keine Mädchen finden, auch nicht divers und nicht weiblich.“ Das
sagt er wohlgemerkt über eine erfundene Figur. Denn ihr historischer
Ursprung ist unklar (siehe Kasten).
Behrje macht das Verhalten des Vereins ziemlich wütend. „Ich finde es
erschreckend, dass der Ausschluss von Frauen als Privileg wahrgenommen
wird“, sagt sie. Auch mit Unachtsamkeit sei eine solche Reaktion nicht mehr
zu entschuldigen gewesen. „Es ist veraltet, diskriminierend und ich würde
sogar sagen: frauenfeindlich.“ Dabei habe sie dem Verein den Vegesacker
Jungen nicht nehmen, sondern nur ergänzen wollen.
Aber davon will der Verein, dessen vierköpfiger Vorstand aus drei Männern
und einer Frau besteht, nichts wissen. Neuenkirchen schlug Behrje sogar
vor, doch einen eigenen Verein zu gründen. „Frauen gehören dazu und nicht
daneben“, sagt Behrje zu dem Vorschlag. Sie habe außerdem nicht die Mittel
und Kontakte, die sich der Verein über dreißig Jahre aufgebaut hat.
Behrje fordert jetzt Konsequenzen. „Sollte sich nichts ändern, sollte man
auch darüber nachdenken, ob der Vegesacker Junge weiter die richtige
Repräsentanz ist“, fragt sie. Denn: „Was ist eine Tradition wert, wenn sie
nicht mehr zum heutigen Leben passt?“
Der Vereinsvorsitzende Neuenkirchen wollte der taz seine Position nicht
erklären. Derzeit sammelt der Verein Geld, auch der Ortsamtsleiter
Dornstedt hilft dabei. Zum 400. Hafengeburtstag in Vegesack soll eine
Statue des Vegesacker Jungen enthüllt werden. Rund 33.000 Euro soll die
1,70 Meter große Statue kosten. Dazu sagt Behrje: „Das wäre dann Sexismus
in Stein gegossen.“
6 Jul 2021
## AUTOREN
Lisa Bullerdiek
## TAGS
Bremen
Geschlechtergerechtigkeit
Diskriminierung
Marketing
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Rassismus
Feminismus
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