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# taz.de -- Neuauflage des Fretterode-Prozesses: Rechtsextreme Journalistenjäg…
> Der brutale Überfall zweier Neonazis auf zwei Göttinger Journalisten ist
> mehr als sieben Jahre her. Die Täter kamen glimpflich davon. Könnte sich
> das jetzt ändern?
Bild: Protest der linken Szene 2022 vor dem Gebäude, in dem das Landgericht M�…
Mehr als sieben Jahre ist es her, dass die beiden Neonazis Gianluca K. und
Nordulf Bruno H. in Fretterode im thüringischen Eichsfeld auf zwei
Göttinger Journalisten losgingen, die es gewagt hatten, das Anwesen ihres
Ziehvaters beziehungsweise Vaters Thorsten Heise (früher: NPD, jetzt: Die
Heimat) zu fotografieren.
Jetzt muss der Fall vor dem Landgericht Mühlhausen erneut verhandelt
werden. Er hatte gleich mehrfach für Empörung gesorgt: durch die Brutalität
des Angriffs, die zögerliche juristische Aufarbeitung und das milde Urteil
in der ersten Instanz, das vom Bundesgerichtshof (BGH) schließlich
aufgehoben wurde.
[1][Im April 2018 hatten Gianluca K. und Nordulf H.] die freien
Journalisten durch mehrere Dörfer verfolgt und schließlich gestellt. Sie
waren mit einem Baseballschläger, einem Schraubenschlüssel, Pfefferspray
und einem Messer auf die Männer losgegangen. Am Ende gab es nicht nur ein
vollkommen demoliertes Auto, sondern auch eine schwere Kopfverletzung bei
dem einen Opfer, eine Stichverletzung im Oberschenkel beim anderen.
Auch die Kameraausrüstung des Fotografen sollen die beiden Verfolger an
sich gebracht haben. Und das alles – [2][so rechtfertigten sie das
jedenfalls vor Gericht] –, weil sie ihr Recht am eigenen Bild schützen
wollten, die beiden freien Journalisten der Antifa-Szene zurechneten, von
der sie sich schikaniert und verfolgt fühlten.
## Erstes Urteil dauerte und war milde
Schon beim ersten Verfahren brauchte die Thüringer Justiz sehr lange, bevor
die Sache überhaupt vor Gericht verhandelt wurde. Ein Richterwechsel,
Corona, die Überlastung durch akute Haftsachen: Ein erstes Urteil fiel erst
im September 2022 – und es war sehr milde. Ein Jahr auf Bewährung für den
nach Erwachsenenstrafrecht zu behandelnden B., 200 gemeinnützige
Arbeitsstunden für H., der noch unters Jugendstrafrecht fiel.
Hiergegen legten sowohl [3][die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenkläger
Revision ein.] Sie kritisierten insbesondere, dass weder die politische
Motivation der Angeklagten noch der Raub der Kameraausrüstung einbezogen
wurden.
[4][Der Bundesgerichtshof gab ihnen im März 2024 recht] und kritisierte die
Beweiswürdigung des Gerichtes mit deutlichen Worten. Trotzdem brauchte es
weitere anderthalb Jahre – [5][und eine Verzögerungsrüge der Nebenkläger] …
bis der Fall Fretterode erneut zur Verhandlung angesetzt wurde.
Ab dem 22. Dezember muss nun die Erste Strafkammer des Landgerichtes
Mühlhausen den Fall erneut aufrollen – acht Verhandlungstage sind dafür
angesetzt. Im ersten Verfahren war man am Ende auf 30 Verhandlungstage
gekommen.
Für Elena Kountidou, Geschäftsführerin der Neuen deutschen
Medienmacher*innen, ist das symptomatisch: „Der Fretterode-Prozess ist ein
Präzedenzfall dafür, wie der Rechtsstaat angegriffene Journalist*innen
im Stich lässt“, sagt sie.
## Fatale Signalwirkung nicht geahndeter Taten
Das sieht Matthias von Fintel, Bereichsleiter Medien, Journalismus und Film
bei Verdi, ähnlich: „Wenn in diesem Auto zwei Zivilermittler gesessen
hätten, wäre das Verfahren sicher anders ausgegangen.“ Dabei gehe es auch
hier um einen grundrechtlich relevanten Vorgang, der Staat müsse die freie
Berichterstattung schützen. Er hält vor allem die Signalwirkung, die von
solchen nicht geahndeten Gewaltverbrechen ausgeht, für fatal. Beide
sprachen auf einer Online-Pressekonferenz, zu der der Verband der
Opferberatungsstellen eingeladen hatte, um Öffentlichkeit herzustellen.
Für viele in diesem Bereich Tätige reiht sich der Fretterode-Prozess ein in
eine ganze Reihe ähnlicher Verfahren: Da waren zuletzt etwa die milden
Strafen gegen die Männer, die 2022 [6][auf einer Coronademo in
Dresden-Laubegast Journalisten angegriffen] hatten. Der brutale Angriff
[7][auf die Ballstädter Kirmesgesellschaft 2014], der ebenfalls nur zu
Bewährungsstrafen führte. [8][Die schleppende Aufklärung des groß
angelegten Neonazi-Angriffs auf den linken Leipziger Stadtteil Connewitz],
bei dem auch einer der hier Angeklagten mitmischte.
Gemeinsam ist den Fällen vor allem eines: Der ideologische und
organisatorische Hintergrund der Beschuldigten wird nicht näher beleuchtet,
häufig führt auch die lange Verfahrensdauer zu einem Strafrabatt.
Der, unkt Rechtsanwalt Sven Adam, der im Fretterode-Verfahren einen der
Nebenkläger vertritt, ist auch in diesem Fall äußerst wahrscheinlich. Aber
ein „tatangemessenes Urteil“ erwarte er ohnehin nicht mehr. Die Nebenklage
setzt vor allem darauf, dass dieses Mal der Tatvorwurf des „schweren
Raubes“ (der Fotoausrüstung) nicht wieder unter den Tisch fällt.
Dann wäre man zumindest im Erwachsenenstrafrecht bei fünf Jahren
Mindeststrafe – und damit einer Haftstrafe, die nicht mehr zur Bewährung
ausgesetzt werden könnte. Die Haft ließe sich dann nur noch umgehen, wenn
das Gericht einen minderschweren Fall erkennen würde – was in den Augen des
Verteidigers erneut ein Skandal wäre, der sicher wieder vor dem BGH landen
würde. „Wir sind jedenfalls auf alles vorbereitet“, sagt Adam.
21 Dec 2025
## LINKS
[1] /Prozess-zu-Neonazi-Angriff-in-Fretterode/!5795424
[2] /Urteil-zu-Neonazi-Angriff-in-Fretterode/!5877613
[3] /Revision-zu-Fretterode-Urteil-eingelegt/!5881989
[4] /BGH-hebt-Urteil-gegen-Neonazis-auf/!5995136
[5] /Verzoegerung-im-Fretterode-Prozess/!6093088
[6] https://dju.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++67763250-bbab-11f0-949…
[7] /Milde-Strafen-fuer-Ueberfall-in-Ballstaedt/!5784921
[8] /Fuenf-Jahre-Sturm-auf-Connewitz/!5738779
## AUTOREN
Nadine Conti
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