| # taz.de -- Nach Angriff auf Journalisten: Fretterode-Prozess beginnt erneut | |
| > Zwei Neonazis jagten und verletzten in Thüringen Journalisten. | |
| > Mittlerweile ist das über sieben Jahre her. Ein erstes Urteil hatte der | |
| > BGH aufgehoben. | |
| Bild: Die beiden Angeklagten mit ihren Anwält:innen vor dem Landgericht im th�… | |
| Ein 60 bis 70 Zentimeter langer Schraubenschlüssel, ein Baseballschläger, | |
| ein Messer und Pfefferspray. Damit sollen Gianluca K. und Nordulf H. im | |
| April 2018 zwei Journalisten im thüringischen Fretterode verletzt haben. So | |
| lautet die Anklage [1][sieben Jahre nach der Tat]. Seitdem ist viel | |
| passiert, aber ein rechtskräftiges Urteil gibt es noch nicht. An diesem | |
| Montagmorgen begegneten sich die vier im Landgericht Mühlhausen erneut. | |
| Die betroffenen Journalisten nahmen im Gerichtssaal als Nebenkläger Platz. | |
| Merlin M., einer der beiden, sagte der taz später, er sei aufgeregt, weil | |
| er die Angeklagten wieder sehe. „Aber von diesem Prozess erwarte ich kein | |
| Urteil, was der Tat angemessen ist.“ Er fühle sich als Pressevertreter | |
| nicht richtig von der Justiz in Mühlhausen geschützt, sagt M. | |
| Es ist der zweite Anlauf für den Prozess. Zwar gab es im September 2022 | |
| einen ersten Schuldspruch, [2][aber den kassierte der Bundesgerichtshof | |
| (BGH)], nachdem die Staatsanwaltschaft und einer der betroffenen | |
| Journalisten Revision eingelegt hatten. In der Entscheidung des BGH hieß | |
| es, die „Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich als durchgreifend | |
| rechtsfehlerhaft“. Eine andere Kammer des Gerichts muss das Verfahren | |
| deshalb neu aufrollen. | |
| Zu diesem zweiten Prozessauftakt in Mühlhausen verlas die | |
| Staatsanwaltschaft zunächst die Anklage. 2018 seien die beiden Journalisten | |
| aus Göttingen in Fretterode gewesen, um das Anwesen des stellvertretenden | |
| NPD-Vorsitzenden Thorsten Heise aus dem Auto heraus mit einer Kamera zu | |
| beobachten. Nordulf H. ist der Sohn des bekannten Neonazis, Gianluca K. | |
| gilt als politischer Ziehsohn. Sie hätten die Journalisten bemerkt und | |
| gejagt, bis deren Fahrzeug im Straßengraben landete. | |
| H. habe sich vermummt, die Scheiben des verunfallten Autos zertrümmert und | |
| Pfefferspray in den Innenraum gesprüht. Als einer der Journalisten | |
| ausgestiegen sei, habe H. mit dem Schlüssel auf ihn eingeschlagen. Dann sei | |
| K. mit einem Baseballschläger auf den Journalisten losgegangen. Nordulf H. | |
| habe zeitgleich mit einem Messer die Reifen zerstochen und die Kamera aus | |
| dem Wagen gezogen. Dabei habe er auf den anderen Journalisten eingestochen | |
| und ihn am Oberschenkel verletzt. | |
| Am Ende des ersten Prozesses 2022 verurteilte das Landgericht Gianluca K. | |
| wegen Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr | |
| Freiheitsstrafe auf Bewährung. Nordulf H., zur Tatzeit 19 Jahre alt, bekam | |
| eine Jugendstrafe von 200 Sozialstunden. Die Nebenklage kritisierte die | |
| Strafen als skandalös mild. Den mutmaßlichen Raub der Kamera sowie die | |
| neonazistische Gesinnung der Täter ließ das Gericht im Urteil unerwähnt. | |
| Auch der BGH wies im März 2024 in seiner Entscheidung, das Urteil | |
| aufzuheben, darauf hin, dass der mutmaßliche Raub im Verfahren nicht | |
| ausreichend geprüft wurde. Das solle im zweiten Verfahren anders laufen. | |
| Trotz der harschen Kritik durch den BGH dauerte es noch mehr als anderthalb | |
| Jahre, bis der Prozess erneut beginnen konnte. Sven Adam, Anwalt einer der | |
| Nebenkläger, reichte im Juni eine Verzögerungsrüge ein. Nun sagte er, er | |
| erwarte, dass das Gericht zumindest einen schweren Raub feststelle. Das | |
| würde eine Mindeststrafe von fünf Jahren Haft für Erwachsene bedeuten. | |
| 22 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
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