| # taz.de -- Abschied vom SchwuZ: Immer ungeprobt oder overthinked | |
| > Der Queer-Club SchwuZ in Berlin-Neukölln ist insolvent und schließt. Doch | |
| > bei aller Melancholie: Eine Clubnacht ist keine Trauerfeier. | |
| Bild: „Das SchwuZ kommt zurück.“ sagt die Klofrau | |
| Eins wird am SchwuZ immer unschlagbar gewesen sein: der Cringe-Faktor. | |
| Gegen Mitternacht an Halloween gibt es Karaoke. Auf dem großen Floor wird | |
| „Shine bright like a diamond“ gegrölt. Eine betrunkene Hetero-Fee flirtet | |
| mit zwei irritierten Twinks. | |
| [1][SchwuZ ist vorbei]. Nach dem Hin und Her um die Insolvenz des | |
| Neuköllner Queer-Clubs gehe ich ein letztes Mal tanzen. Auf einmal ging es | |
| schnell. Mein Unterstützer*innen-Abo hat nichts geholfen, außer dass ich | |
| damit an der Schlange vorbeistöckeln darf. | |
| Ich bin traurig. Aber eine Clubnacht ist keine Trauerfeier. Mein Gefühl war | |
| zuletzt, dass viele das SchwuZ-Ende so schnell wie möglich verdauen wollen. | |
| Ein Freund, der den Laden noch aus den frühen 2000ern kennt, winkt ab – er | |
| will ihn lieber so erinnern, wie er früher war. Ein anderer sagt, das | |
| SchwuZ hätte schon lang seine Richtung verloren. Eine Partybekanntschaft | |
| neulich hat sich aufgeregt, die Musik werde immer schlechter, weil sie | |
| jetzt gemafreie Remixes spielen würden, um Geld zu sparen. | |
| Ich kann das nicht beurteilen. Mein einziger Maßstab ans SchwuZ war immer, | |
| dass es da ist. [2][Dieser legendäre queere Club] war vieles – aber niemals | |
| cool. Die sexy Outfits selbstgebastelt, die Perücken verrutscht, die | |
| Drag-Performances entweder ungeprobt oder overthinked. Die Anlage bei | |
| Techno gnadenlos überfordert. | |
| ## Quasi bedingungslose Liebe | |
| In einer Ecke steht ein schwarzer Sarg mit „RIP Schwuz“ drauf. Ein älterer | |
| Typ ohne Kostüm guckt betroffen – oder doch nur gelangweilt? Eine | |
| Anime-Prinzessin ruft einer Trümmertunte zu, sie soll nicht in die Kotze | |
| treten. | |
| Pop-Kitsch, Camp und Antiperfektionismus, das sind die Stärken der | |
| Kreuzberg-Neuköllner Szene. Motto: Solange wir einen Raum haben, in dem wir | |
| existieren können, ist es wurscht, was wir drin machen und wie gut. Das ist | |
| quasi bedingungslose Liebe. Du willst professionelles Make-up? Dann bezahl | |
| mir doch ein Grundeinkommen! | |
| Aber mit dem Bezahlen ist genau der Knackpunkt. Irgendjemand muss ja, und | |
| die Clubgänger*innen tun es offensichtlich nicht mehr. Die Krisen | |
| sorgen dafür, dass die einen keine Kaufkraft mehr haben und die anderen | |
| ihre lieber in Wertpapiere anlegen. Wobei man wahrscheinlich erst, wenn der | |
| letzte [3][Queer-Space] verschwunden ist, merken wird, dass man sich an | |
| ETFs nicht ausheulen kann. | |
| Ein gutaussehender dicker Holzfäller steht in der Ecke und weiß nicht so | |
| richtig, wohin mit seiner Plastik-Axt. Eine Frau hält eine andere an, um | |
| ihr ein Kompliment zu ihrem Schnurrbart zu machen. | |
| Verdammt, ich hab gar keine Lust, pessimistisch zu sein. Ich schaff’s aber | |
| auch nicht mir einzureden, dass ich das SchwuZ schon längst überhatte. | |
| ## Kein Ende, sondern Veränderung | |
| Also was bleibt? Ein weiterer Freund hat neulich angemerkt, dass eine | |
| Industriehalle verlieren ja nicht dasselbe ist wie eine [4][Community] | |
| verlieren. „Irgendwo müssen die ganzen Tunten ja hin“, hat er gesagt. Wenn | |
| man das so sieht, dann ist das hier kein Ende, sondern eine Veränderung. | |
| Ich nehme Abschied auf dem kleinen Floor, der war mir immer lieber. Es | |
| werden Remixes gespielt, vielleicht gemafrei? Ich bin mir sicher, dass es | |
| so was hier irgendwo in Berlin wieder braucht: queer, politisch, gender- | |
| und age-mixed. Vielleicht wieder mehr bezahlbar und wieder mehr chaotisch | |
| als zuletzt, definitiv jedenfalls cringey und peinlich. | |
| Auf dem Weg nach draußen plaudere ich mit der Klofrau. Sie macht das seit | |
| 15 Jahren, ruft sie über das Geschnatter am Waschbecken. Wie es für sie | |
| weitergeht? „Ach, das hier ist nur eine Pause. Das SchwuZ kommt zurück.“ | |
| Sie muss es ja wissen. | |
| 3 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Club-Krise-in-Berlin/!6124009 | |
| [2] /Queere-Clubkultur/!6065609 | |
| [3] /Linkes-Podcast-Kollektiv/!6123162 | |
| [4] /Club-Krise-in-Berlin/!6124009 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
| ## TAGS | |
| Queer | |
| Club | |
| Techno | |
| Musik | |
| Ausgehen und Rumstehen | |
| Schwerpunkt LGBTQIA | |
| GNS | |
| schwuz | |
| Ausgehen und Rumstehen | |
| Clubsterben | |
| Clubszene | |
| Clubsterben | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tanz und Rausch: Was außerhalb des Aquariums geschieht | |
| Drinnen im Aquarium ist Rausch und Tanzextase. Draußen bleiben: | |
| Hummuspfützen, die Bachelorarbeit und ein paar große Fragen. | |
| Linkes Podcast-Kollektiv: Sounds gegen die Vereinzelung | |
| Ob sterbende Clubs oder Plattenbauten, die sich gegen Abriss wehren: Im | |
| Kollektivbetrieb macht das Audiokombinat Hörstücke mit politischem | |
| Anspruch. | |
| Club-Krise in Berlin: SchwuZ macht Schluss | |
| Der älteste queere Club Deutschlands verkündet sein Ende. Das SchwuZ war | |
| schon länger in finanzieller Not und hatte bereits Insolvenz angemeldet. | |
| Berliner Clubs in der Krise: Schwuz meldet Insolvenz an | |
| Mit dem Schwuz in Neukölln steckt Deutschlands ältester queerer Club in | |
| existenzbedrohlichen Nöten. Zunächst soll aber noch weitergefeiert werden. |