| # taz.de -- Besetzung in der Habersaathstraße: Entmietung mit allen Mitteln | |
| > In der teilbesetzten Habersaathstraße versuchen Securitys | |
| > Bewohner:innen zu verjagen. Die Linke will eine treuhänderische | |
| > Verwaltung der Häuser. | |
| Bild: In der Habersaathstraße haben sich obdachlose Menschen selbst Wohnraum a… | |
| taz | Den Bewohner:innen der Habersaathstraße 40–48 muss es wie ein | |
| Déjà-vu vorgekommen sein, als am Freitagmorgen um kurz nach 6 Uhr wieder | |
| gegen Wohnungstüren gehämmert und durch die Flure gerufen wurde: | |
| „Aufmachen!“. [1][Erst am vergangenen Montag waren in der Straße einige | |
| Wohnungen polizeilich geräumt worden], die 2021 von wohnungs- und | |
| obdachlosen Menschen samt Unterstützer:innen besetzt wurden. | |
| Am Freitagmorgen aber rückten keine Polizist:innen an, sondern | |
| Securitys einer privaten Sicherheitsfirma, wohl im Auftrag des | |
| Hauseigentümers Andreas Pichotta. Sie traten brachial auf. [2][Fotos im | |
| Tagesspiegel] zeigen herausgeschlagene Türrahmen, eingetretene Türen und | |
| demolierte Toiletten. Das offensichtliche Ziel: Mit Gewalt und | |
| Einschüchterung die Bewohner:innen zum Verlassen des Hauses zu drängen | |
| – ohne jeden richterlichen Räumungstitel, also illegalerweise. | |
| Die Polizei bestätigte den Vorfall. Bewohner:innen hatten die Beamten | |
| gerufen, nachdem die Securitys ins Haus eingedrungen waren. Wie die Behörde | |
| mitteilt, hätten Polizist:innen den Sicherheitsdienst aus dem Haus | |
| begleitet und ihnen dort die „geltende Rechtslage“ erörtert. Gegen die | |
| Securitys würde nun wegen des Verdachts der Nötigung und Sachbeschädigung | |
| ermittelt. Verletzt worden sei niemand. | |
| Die Arcadia Estates, der die Häuser gehören, will diese [3][abreißen und | |
| Luxuswohnungen errichten]. Seit Jahren wehren sich die verbleibenden | |
| Mieter:innen dagegen – trotz der [4][teils brachialen | |
| Entmietungsversuche des Eigentümers]. 2021 kam es dann zur Besetzung von | |
| etwa 30 leerstehenden Wohnungen, überwiegend von wohnungs- und obdachlosen | |
| Menschen. Am Montag wurden Teile davon geräumt. | |
| ## Als Polizist:innen ausgegeben | |
| „Ich habe ganz dolle Angst gehabt“, sagt Anna Jahn der taz, die ihren | |
| echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. Jahn ist Krankenschwester und | |
| lebt nach eigenen Angaben seit 35 Jahren in der Habersaathstraße. Sie | |
| gehört zu den Mieter:innen, die über einen gültigen Mietvertrag verfügen. | |
| „Mach sofort auf! Wir treten die Tür ein!“, hätten die Männer gerufen. J… | |
| habe nur gesagt, sie mache ganz bestimmt nicht auf, sie habe einen | |
| Mietvertrag und werde die Polizei rufen. Erst, als die anrückt, traut sich | |
| Jahn aus der Wohnungstür. | |
| Zwei Bewohner:innen berichten der taz, die Securitys hätten auch als | |
| Polizist:innen ausgegeben, um in die Wohnungen zu kommen. Eine | |
| bulgarische Familie aus der Habersaathstraße 46 habe noch in der Nacht das | |
| Haus verlassen. Es sei unklar, was mit der Familie nun sei. Ebenfalls | |
| berichtet wird von einem zugemauerten Treppenaufgang in der am Montag | |
| geräumten Habersaathstraße 48. Auch in diesem Haus gibt es weiterhin einen | |
| Mieter mit regulärem Mietverhältnis. | |
| Unklar ist indes, wie es weitergeht. Den Bewohner:innen ohne | |
| Mietverträgen hat der Eigentümer schon länger das Warmwasser und den Strom | |
| abgestellt, die Bewohner:innen müssen sich mit Campingkochern behelfen. | |
| Zum 1. November hat der Eigentümer den Fernwärmevertrag mit der Berliner | |
| Energie und Wärme (BEW) gekündigt – [5][dann könnten die Wohnungen kalt | |
| bleiben, trotz Winter]. Der Bezirk hatte dagegen Zwangsmaßnahmen angedroht. | |
| Unterdessen patrouillieren vor der Habersaathstraße 48 seit der Räumung am | |
| Montag Securitys, 24 Stunden am Tag. | |
| „Pichotta glaubt, er steht über allen Gesetzen“, sagt Sven Müller, ein | |
| Bewohner ohne Mietvertrag, der ebenfalls nicht mit echten Namen in der | |
| Zeitung stehen will. Seit 2017 ist Müller wohnungslos, eine reguläre | |
| Wohnung bekomme er nicht, wegen negativer Schufa-Einträge, sagt er. „Die | |
| Besetzung war deshalb die einzige Möglichkeit für mich.“ Vom Bezirk fordert | |
| er, in seiner Wohnung endlich normal leben zu können. Dafür müssten die | |
| Schäden schnellstmöglich beseitigt und das Haus unter treuhänderischer | |
| Verwaltung gestellt werden. | |
| Unterstützung erhalten die Bewohner:innen von der Linkspartei. „Ganz | |
| eindeutig schreckt der Eigentümer auch vor kriminellen Methoden nicht | |
| zurück. Das muss Konsequenzen haben“, sagte der wohnungspolitische Sprecher | |
| der Linken, Niklas Schenker, zur taz. Schenker schließt sich der Forderung | |
| nach einer treuhänderischen Verwaltung der Häuser an. Die Mieter:innen | |
| müssten vor weiteren Übergriffen durch den Eigentümer geschützt werden, | |
| sagt er. Die Arcadia Estates ließ am Sonntag eine kurzfristige Anfrage der | |
| taz unbeantwortet. | |
| 26 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Raeumung-der-Habersaathstrasse-in-Berlin/!6117992 | |
| [2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/illegaler-raumungsve… | |
| [3] /Streit-um-Habersaathstrasse/!6032014 | |
| [4] /Immobilienspekulation-in-Berlin/!5949416 | |
| [5] /Radikale-Entmietungspraktiken/!6121130 | |
| ## AUTOREN | |
| Timm Kühn | |
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