| # taz.de -- Streit um Habersaathstraße: Abriss in Sicht | |
| > Das Bezirksamt Mitte beschließt eine Vereinbarung über den Abriss der | |
| > Habersaathstraße 40–48. Für die Bewohner:innen bleibt es | |
| > enttäuschend. | |
| Bild: Die Menschen müssen um ihr Zuhause weiterhin bangen | |
| Seit Jahren tobt in Mitte ein erbitterter Kampf um das Zuhause vieler | |
| Menschen. Für das Gebäude [1][Habersaathstraße 40–48] hat das Bezirksamt | |
| nun erneut eine Abrissgenehmigung ausgestellt – trotz der | |
| Zweckentfremdungsverordnung. Damit steht das Wohnprojekt, in dem | |
| Altmieter:innen, ehemalige Obdachlose und geflüchtete Menschen leben, vor | |
| dem endgültigen Aus. Voraussichtlich Ende 2025 soll das Gebäude abgerissen | |
| werden. | |
| „Wir finden das etwas mutlos vom Bezirk“, kritisiert Sebastian Bartels vom | |
| Berliner Mieterverein. „Man hätte dort innehalten müssen, wo die alte | |
| Abrissgenehmigung ausgelaufen war und die Mieter:innen durch das | |
| Landgericht geschützt sind“, erklärt er. | |
| Der Konflikt zwischen dem Eigentümer Andreas Pichotta und den betroffenen | |
| Bewohner*innen zieht sich schon seit Jahren hin und wurde von | |
| zahlreichen Gerichtsverfahren begleitet. Dabei wurde mehrfach entschieden, | |
| dass der Mieterschutz Vorrang vor der [2][Profitmaximierung] hat, die | |
| Pichotta durch Abriss und Neubau von Luxuswohnungen anstrebt. Immer wieder | |
| haben die Bewohner:innen ihr Recht auf Wohnraum durch gerichtliche | |
| Urteile erstritten – und doch scheint es nie auszureichen, um den Abriss | |
| endgültig zu verhindern. | |
| Auch der Bezirk Mitte stellte sich lange gegen den Abriss, stößt jedoch | |
| nach eigenen Angaben an die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit. „Wir konnten | |
| den Bescheid nicht länger hinauszögern“, erklärte Bezirksbürgermeisterin | |
| Stefanie Remlinger (Grüne) am Freitag. Einzig das Zweckentfremdungsverbot, | |
| das seit 2014 in Berlin gilt, könnte den Abriss verhindern. Doch wie der | |
| Fall Habersaathstraße zeigt, bleibt dieser Schutz oft wirkungslos: Schon | |
| seit Jahren stehen dort Wohnungen leer. | |
| Der Bezirk erklärte dazu: „Das Ermessen der Behörde ist auf Null reduziert; | |
| wir müssen die zweckentfremdungsrechtliche Abrissgenehmigung erteilen.“ | |
| Diese Entscheidung basiere auf der Bereitschaft des Eigentümers, ein | |
| „angemessenes Ersatzwohnraumangebot“ zu schaffen, das bestimmte | |
| Voraussetzungen wie örtliche Nähe und zeitlichen Zusammenhang erfüllen | |
| muss. | |
| ## „Pendeldiplomatie“ | |
| Remlinger sagte, sie befinde sich in einer „ständigen Pendeldiplomatie | |
| zwischen dem Eigentümer und den Betroffenen“. Zuletzt habe sie eine | |
| „Vereinbarung“ mit Pichotta getroffen, nach der das betroffene Gebäude | |
| abschnittsweise abgerissen und neu gebaut werden soll. So könnten die | |
| Altmieter:innen während des gesamten Prozesses vor Ort bleiben und | |
| später zu den bisherigen Konditionen zurückkehren. Der Mietpreis im Neubau | |
| soll zwischen 11,50 und 16,50 Euro pro Quadratmeter gedeckelt sein – ein | |
| Preis, der für Berlin-Mitte leider noch als günstig gilt. | |
| Für die geflüchteten und ehemals obdachlosen Menschen bedeutet dieses | |
| Angebot jedoch das Ende ihrer Wohnperspektive in der Habersaathstraße. | |
| Stattdessen sollen sie in einer neuen Unterkunft in der Papierstraße im | |
| Soldiner Kiez untergebracht werden, die auf einem weiteren Grundstück von | |
| Pichotta errichtet werden soll. Allerdings würden sie dort, anders als in | |
| ihrem bisherigen Zuhause, nicht mehr in eigenen Wohnungen, sondern in | |
| Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Mehr habe man nicht herausschlagen könne, | |
| erklärte Remlinger und stellte es als „Angebot an die Betroffenen“ vor. | |
| Doch die vielversprechenden Vereinbarungen erweisen sich bei genauerem | |
| Hinsehen als nicht viel mehr als heiße Luft. Ob Pichotta die Gebäude nun | |
| einzeln abreißt oder alle auf einmal – am Ende wird er seine Luxuswohnungen | |
| durchsetzen. Auch die Mietpreisdeckelung klingt zwar wie ein Schritt in | |
| Richtung Mieterschutz, doch letztlich greift das Recht auf Umwandlung in | |
| Eigentum, wodurch die Wohnungen teuer verkauft werden können und für die | |
| meisten unerschwinglich bleiben. | |
| ## Neue Art von Bedrohung | |
| „Das ist für uns keine große Überraschung“, erklärt Daniel Diekmann, | |
| Vertreter der Langzeitmieter:innen. Die Rechtslage habe sich nicht | |
| verändert, und die Entscheidungen des Landgerichts stünden für die | |
| betroffenen Menschen weiter im Vordergrund. Somit bleibe es dabei, dass sie | |
| das Gebäude nicht freiwillig verlassen werden. Für die Mieter:innen | |
| bedeute die Situation nur ein „neues Bedrohungsszenario“ und eine weitere | |
| Zuspitzung von den Räumungs- und Abrissversuchen durch den Vermieter. | |
| Die getroffene „Vereinbarung“ hätte zweifellos noch schlimmer ausfallen | |
| können. Allerdings bleibt offen, wie viel von den Versprechungen übrig | |
| bleibt, wenn die Gebäude einmal abgerissen sind. Die Betroffenen, die | |
| jahrelang den zermürbenden Taktiken des Vermieters widerstanden haben – sei | |
| es durch das [3][Abschalten von Strom und Warmwasser] oder durch unzählige | |
| Gerichtsprozesse –, erleben nun einen erneuten Dämpfer ihrer Hoffnungen. | |
| 24 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Emma Dörmann | |
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