| # taz.de -- Tariftreuegesetz im Bundestag: Gegen Lohndumping – mit Ausnahmen | |
| > SPD-Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas wirbt im Bundestag für das neue | |
| > Tariftreuegesetz. Grüne, Linke und Gewerkschaften kritisieren | |
| > Ausnahmeregeln. | |
| Bild: Gegen Lohndumping: Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas … | |
| Berlin taz/dpa | Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat im Bundestag für | |
| die Pläne der Koalition zur Einführung eines sogenannten Tariftreuegesetzes | |
| geworben. Man stärke damit denen den Rücken, die ihre Leute anständig | |
| bezahlen und gut behandeln, sagte die SPD-Vorsitzende am Freitag. Bei der | |
| ersten Beratung des Gesetzentwurfs im Parlament wurde zugleich Kritik laut, | |
| nicht nur von Redner:innen der Opposition. Auch der Koalitionspartner | |
| Union meldete mit Blick auf vermeintliche Belastungen für Unternehmen | |
| Änderungsbedarf an dem Gesetzentwurf an. | |
| Der vom Bundeskabinett [1][auf den Weg gebrachte Entwurf] sieht vor, dass | |
| öffentliche Aufträge des Bundes ab einem Schwellenwert von 50.000 Euro | |
| künftig in der Regel nur noch an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten | |
| nach Tarif bezahlen. | |
| Nicht tariforientierte Unternehmen hätten bisher bei der Auftragsvergabe | |
| einen Wettbewerbsvorteil gehabt, weil sie wegen geringerer Personalkosten | |
| günstigere Angebote machen könnten, heißt es zur Begründung. Allerdings | |
| gibt es einige Ausnahmen. So soll das Gesetz nicht „für die Vergabe und | |
| Ausführung verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer öffentlicher | |
| Aufträge“ gelten. | |
| „Zum fairen Wettbewerb gehört auch, dass wir mit Steuergeld kein | |
| Lohndumping betreiben“, sagte Bas in der Debatte. „Wer nach Tarif bezahlt, | |
| darf bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht der Dumme sein.“ Ihren | |
| Angaben zufolge geht es nicht nur um die Bezahlung, sondern auch um | |
| Mindestjahresurlaub, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Sie versprach, man werde | |
| das Gesetz so unbürokratisch wie möglich umsetzen. | |
| Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt sagte, | |
| Wettbewerb dürfe nicht jenen Unternehmen das Leben schwermachen, die | |
| anständig zahlen und gute Arbeitsbedingungen gewährleisten würden. | |
| „Konkurrenz darf eben nicht über Lohndumping und schlechte | |
| Arbeitsbedingungen laufen, sondern über Qualität, Innovation und | |
| Produktivität“, so Schmidt. Das sei gut für die Arbeitnehmer:innen | |
| aber auch für die Wirtschaft. Sie freue sich „auf die Beratungen, das | |
| Gesetz noch besser zu machen“. | |
| ## Grummeln in der Union | |
| Dass sich die Union mit dem vorgelegten Entwurf nicht so recht wohlfühlt, | |
| wurde in der Debatte deutlich. Es müsse sorgsam geprüft werden, „ob dieser | |
| Entwurf zu den Zielen führen kann, die wir alle erreichen wollen“, sagte | |
| die CDU-Abgeordnete Sandra Carstensen. Sie warnte davor, „den Mittelstand | |
| zu überfordern“. | |
| Ihre Parteikollegin Nora Seitz sagte, die Union bekenne sich als | |
| Bestandteil des Koalitionsvertrags zwar zu diesem Gesetz. Vereinbart sei | |
| aber auch, dass man sich bei Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen | |
| auf ein Minimum beschränke, das sei im aktuellen Entwurf nur bedingt der | |
| Fall. „Die Rückmeldungen aus der Wirtschaft geben uns hier einen klaren | |
| Auftrag zu Nachbesserungen.“ | |
| Der AfD-Abgeordnete Hans-Jürgen Goßner sprach von einem „Bürokratiemonster, | |
| das Betriebe gängelt, Unternehmer misstrauisch beäugt und Beamtenstellen | |
| sichert“. Goßner warf der Regierung vor, „sozialistische Träumereien in | |
| Paragrafen gegossen“ zu haben. Das Gesetz sei ein „Anschlag auf die | |
| Freiheit des Unternehmers“ und „Bullshit“. | |
| ## Grüne und Linke kritisieren Ausnahme für die Bundeswehr | |
| Grünen und Linke sind generell für die Pläne, kritisieren aber unter | |
| anderem den aus ihrer Sicht viel zu hohen Schwellenwert. Kein Steuergeld | |
| für Lohndumping, das müsse auch bei Aufträgen unter 50.000 Euro gelten, | |
| sagte die frühere Grünen-Chefin Ricarda Lang. Außerdem habe sie „kein | |
| Verständnis für die grundsätzliche Ausnahme von allen Beschaffungen der | |
| Bundeswehr“. Schließlich gelte der Anspruch an gute Arbeit auch für die | |
| deutsche Rüstungsindustrie. | |
| Der Linken-Abgeordnete Pascal Meiser sagte, immer mehr Unternehmen | |
| verschafften sich mit Tarifflucht „schmutzige Wettbewerbsvorteile“. Das | |
| Gesetz sei überfällig, es weise aber noch „große Schwachstellen“ auf. Au… | |
| er kritisierte den Schwellenwert von 50.000 Euro, in einzelnen Bereichen | |
| sogar 100.000 Euro, als zu hoch. „Dadurch dürften mindestens ein Drittel | |
| der Aufträge des Bundes außen vor bleiben“, konstatierte Meiser. | |
| Als „absurd“ bezeichnete er es, dass der Bereich der Bundeswehr ausgespart | |
| bleiben soll. „Wenn es um Aufrüstung geht, scheint Lohndumping offenbar | |
| auch für die SPD kein Problem mehr zu sein“, kritisierte der | |
| Linken-Abgeordnete. | |
| ## Arbeitgeber fordern Stopp des Gesetzes | |
| Kritik an den Plänen kommt von den Arbeitgebern: Das Tariftreuegesetz sei | |
| ein Anti-Wachstumsgesetz, heißt es von der Bundesvereinigung der | |
| Arbeitgeberverbände. „Es schafft neue Bürokratie, schließt gerade kleinere | |
| Betriebe von öffentlichen Ausschreibungen aus und blockiert den Weg zu mehr | |
| Tarifbindung. | |
| Gerade in dieser wirtschaftlich angespannten Lage ist das das falsche | |
| Signal“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Der frühere | |
| CDU-Bundestagsabgeordnete sprach von „Tarifzensur“ und forderte, dieses | |
| Gesetz müsse gestoppt werden. | |
| Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di forderte hingegen, die Wirksamkeit | |
| des Gesetzes nachzuschärfen. „In der jetzt vorliegenden Form droht das | |
| Bundestariftreuegesetz für wichtige Bereiche ins Leere zu laufen“, sagte | |
| der Ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. | |
| Es müsse bei der Vergabe aller öffentlichen Aufträge darum gehen, | |
| tarifliche Löhne und Arbeitsbedingungen zur Bedingung zu machen, damit das | |
| Tarifsystem zu stärken und Preisdumping zulasten der Qualität einzudämmen. | |
| „Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist jedoch gespickt mit | |
| Ausnahmeregelungen“, kritisierte Werneke. | |
| Unter anderem bemängelte auch der Ver.di-Chef, dass die Beschaffung für die | |
| Bundeswehr und weitere Sicherheitsbereiche ausgenommen werden sollen. | |
| „Gerade die geplanten Milliardeninvestitionen zur Stärkung der | |
| Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit müssen auch dafür genutzt werden, | |
| tarifliche Löhne und Arbeitsbedingungen zu sichern“, so Werneke. | |
| Ferner forderte er, den Schwellenwert von 50.000 auf 10.000 Euro | |
| abzusenken. Zudem dürften keine konkurrierenden Gesetze wie etwa das | |
| Vergabebeschleunigungsgesetz mit zum Teil deutlich höheren Schwellenwerten | |
| und Direktvergaben das Tariftreuegesetz aushebeln. | |
| Schon die [2][Ampelkoalition hatte sich die Einführung eines | |
| Tariftreuegesetzes vorgenommen], setzte das aber nicht mehr um. Über den | |
| jetzt von der schwarz-roten Koalition vorgelegten Gesetzentwurf wird nun | |
| zunächst in den Ausschüssen weiter beraten. Nach einem Bundestagsbeschluss | |
| benötigt es auch noch die Zustimmung des Bundesrates. | |
| 10 Oct 2025 | |
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| [1] https://dserver.bundestag.de/btd/21/019/2101941.pdf | |
| [2] /Bundesregierung-im-Wahlkampfmodus/!6053456 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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