Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Die Welt in Fetzen
> Loren Legarda, José Rizal, Wolfram Weimer und Rilke, nein Adorno:
> philippinische wie deutsche Politiker boten zur Buchmesseneröffnung manch
> Einblicke.
Bild: Loren Legarda, Senatorin der Republik der Philippinen, spricht bei der Er…
Im letzten Jahr waren sich alle des Dilemmas bewusst: Italien war Gastland
der Frankfurter Buchmesse und die Würdenträger:innen aus Rom wollten
begrüßt werden. Da diese jedoch einer rechten, postfaschistischen Regierung
angehörten, die zudem unter Zensurverdacht stand, [1][waren bei der
Eröffnung im letzten Herbst mitunter akrobatische Balanceakte seitens der
deutschen Redner:innen zu beobachten.]
Zwischentöne dieser Art fehlten in diesem Jahr ganz. Tosender Applaus
brandete auf nach der Rede der philippinischen Senatorin Loren Legarda, die
an den Nationalhelden und Schriftsteller José Rizal erinnerte. Rizal war
Ende des 19. Jahrhunderts hingerichtet worden, weil er die spanische
Kolonialregierung kritisiert hatte. Ihn zu feiern, ist unverfänglich, sein
Tod lange her. Senatorin Legarda brachte die Übel der Welt zur Sprache,
Ungerechtigkeit, Korruption, Tyrannei, gegen die Literatur eine Waffe sei.
Welche Anwendung diese Waffe aktuell auf den Philippinen findet, sagte sie
nicht. [2][Die Schere zwischen Arm und Reich geht weit auseinander auf dem
Inselstaat,] die politischen Geschicke des Landes liegen in den Händen von
Clans, den „fat dynasties“, einflussreichen philippinischen
Familiendynastien. An der Spitze: Präsident Ferdinand Marcos jr., Sohn des
1986 aus dem Land gejagten Diktators.
Auch deutsche Politiker betraten bei der Eröffnung der Frankfurter
Buchmesse, die bis Sonntag läuft, am Dienstagabend das Podium. Was aus der
Richtung zu hören war, fiel größtenteils in die Kategorie
Multifunktionsrede, denn mit Literatur hatte das Ganze zumeist wenig zu
tun. Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) erinnerte an das
Stadtplanungskonzept „Neues Frankfurt“, das in diesem Jahr 100. Geburtstag
feiert, und beschwor seine Zuhörer:innen, sich für den Erhalt der
Demokratie einzusetzen. Entscheiden, was das Richtige sei, und dann die
Bevölkerung davon zu überzeugen, das mache für ihn einen großen Politiker
aus, so Josef.
## Dem guten Willen eines Erwachsenen ausgeliefert
Auch sein Nachfolger auf der Bühne im Frankfurter Congress Center, Hessens
Kultusminister Armin Schwarz, streifte das Thema Literatur nur am Rande.
Der CDU-Politiker erzählte von einem 12-jährigen Mädchen aus Afghanistan,
das er offenbar getroffen hatte, hinter ihm lief jedenfalls eine Diashow
über den Bildschirm, die Schwarz in einem Klassenraum zeigte. Dass dieses
Mädchen nun in Deutschland zur Schule gehe und die gleichen Rechte habe wie
alle anderen Jungen und Mädchen, das sei für ihn der Inbegriff von
Demokratie. Ein interessantes Gleichnis: eine Gruppe Unmündiger, dem guten
Willen eines Erwachsenen ausgeliefert, alle mit unterschiedlichen Bleibe-
und Duldungsrechten ausgestattet.
Die Brücke zwischen den verschiedenen Wortbeiträgen bei der
Buchmesseneröffnung schlug eine Stimme aus dem Off. Angeblich einem echten
Menschen zugehörig, den man allerdings nie zu Gesicht bekam, hätte die
Stimme auch einer künstlichen Quelle entstammen können. Die Sinne waren
jedenfalls geschärft, warnte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer doch
eindringlich vor den Gefahren, die von KI ausgehen. Zumindest wenn es sich
um ausländische KI-Unternehmen handele, die sich auf „vampiristische Weise“
an den Ideen „kluger Köpfe“ bediene. Nichts anderes als „digitaler
Kolonialismus“ sei das.
Der parteilose Politiker und Gründer des konservativen bis rechtsliberalen
Magazins Cicero recycelte [3][seine Rede vom internationalen
Literaturfestival Berlin, das er mit ähnlichen Worten eröffnete.] Von den
Wiesen „unserer blauen Blumen“ war erneut die Rede, von Rilke, diesmal auch
von Adorno. Die Brücke zur Literatur schlug Weimer immerhin, KI werde die
Welt der Bücher „in Fetzen reißen“, sagte er, sie weitaus dramatischer
verändern, als es die Digitalisierung vermochte. Letztere, da war sich
Weimer immerhin sicher, habe die Buchbranche aber zumindest gut überlebt.
15 Oct 2025
## LINKS
[1] /Buchmesseneroeffnung-mit-rechten-Gaesten/!6043338
[2] /Buchmessen-Gastland-Philippinen-/!6089047
[3] /internationales-literaturfestival-berlin/!6112380
## AUTOREN
Julia Hubernagel
## TAGS
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Kulturstaatssekretär
Philippinen
Theodor W. Adorno
Social-Auswahl
Literaturbetrieb
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
wochentaz
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Literatur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Literaturbranche auf Sparkurs: Die Frankfurter Buchmesse ist in Kriegslaune
Eine Rakete im Hof und magere Kartoffelsuppe statt Schnitzel. Auf der
Frankfurter Buchmesse dominieren Kriegsmotive.
Verlagspreisverleihung in Frankfurt: Linksradikale unter sich
Bei der Verleihung zum Verlagspreis wurden am Mittwochabend in Frankfurt
Kleinverlage geehrt – trotz Schmähkampagne von Rechts war die Stimmung gut.
Annette Hug über Filipino-Übersetzung: „Auf keinen Fall die koloniale Geste…
Die Philippinen sind Gastland bei der Frankfurter Buchmesse. Die Schweizer
Schriftstellerin Annette Hug hat die Bücher aus dem Filipino übersetzt.
Deutscher Buchpreis für Dorothee Elmiger: Auszeichnung für „Die Holländeri…
Mit Dorothee Elmigers „Die Holländerinnen“ geht der Deutsche Buchpreis an
den besten Roman unter den nominierten. Aber auch an den anspruchsvollsten.
internationales literaturfestival berlin: Unsere Wiesen der blauen Blumen
In Berlin wurde das internationale literaturfestival von der Autorin
Cristina Rivera Garza eröffnet. Und der Kulturstaatsminister zitierte
Rilke.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.