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# taz.de -- Literaturbranche auf Sparkurs: Die Frankfurter Buchmesse ist in Kri…
> Eine Rakete im Hof und magere Kartoffelsuppe statt Schnitzel. Auf der
> Frankfurter Buchmesse dominieren Kriegsmotive.
Bild: Im Zentrum der Frankfurter Buchmesse 2025: eine riesige Rakete
Im Zentrum der [1][Buchmesse] herrscht Krieg. Das Zentrum ist der kess
„Agora“ genannte Hof, auf dem bis vergangenes Jahr der spektakuläre
Frankfurt-Pavillon stand und das Herz der Messe war: auf der größten
Veranstaltungsbühne diskutierten prominente Autor*innen, Musiker*innen,
Künstler*innen, Verleger*innen, Aktivist*innen und Pater Anselm Grün
vor tausenden Zuhörer*innen über Literatur, Politik und Gesellschaft.
In diesem Jahr nun steht dort ein Laster, auf dessen Anhänger eine riesige
Rakete liegt. Sucht die [2][Bundeswehr Nachwuchskräfte] in einer Branche,
die mehr Fachkräfte als Nachfrage hat? Sollen wir uns selber auf den Mond
schießen, bevor es andere tun? Diskutieren war gestern, heute wird
geschossen? Das Rätsel ist so [3][groß wie die Rakete.] Jedenfalls unter
den Leuten, die auf den Terrassen im ersten Stock der Hallen stehen und auf
den Hof schauen.
Aber nicht nur im Zentrum, sondern auch an den Rändern ist Krieg. In den
Regalen eines kleinen Verlages wurde zwar keine Riesenrakete aufgestellt,
aber immerhin ein kleines Torpedo-Modell. Es ist ein „maiale“, mit dem die
italienische Marine im Zweiten Weltkrieg feindliche Schiffe angriff.
Der Verleger erläutert, dass es dazu auch einen passenden Roman gibt, der
von einem Faschisten handelt, der von so einem Torpedo fällt und in den
Armen einer spanischen Buchhändlerin landet.
Abends geht man gern zu den Österreicher*innen, weil die haben immer
Schnitzel. In diesem Jahr jedoch haben sich aber offenkundig selbst diese
charmantesten aller Gastgeber*innen gedacht: Schützengrabenfeeling ist
Trend, da machen wir mit. Das Schnitzel wurde gestrichen, stattdessen wurde
Kartoffelsuppe ausgegeben. Kartoffelsuppe. Tiefer stapeln geht nicht. Nicht
mal ein bisschen steirisches Kürbiskernöl wurde gereicht. Zu viel Luxus,
das hätte die ganze Stimmung kaputt gemacht.
## Bombenstimmung auf der Messe
Die Stimmung unter den Besucher*innen ist aber gar nicht kriegerisch,
sondern erstaunlich gut. Es ist zwar stellenweise traurig wenig Gewusel,
und auch die Gespräche streifen immer wieder mal Fronten, Drohnen und
hybride Kriegsführung, aber eigentlich geht es allen gut, wenn auch nicht
finanziell.
In einem dieser angenehmen Terrassengespräche vor Halle 3.1 kommt man von
rechts auf links, von Arbeitgeber zu Arbeitnehmer, von Compliance auf
Korruption. Das Wort „charakterschwach“ fällt. „Charakterschwach ist ein
sehr deutsches Wort“, sagt eine Frau, deren Elternsprache aus einem anderen
Land stammt. Gibt es das Wort tatsächlich nicht in anderen Sprachen?
Jedenfalls nicht in denen, die wir da Rumstehenden sprechen.
Und dann wird über die Bedeutung des Wortes diskutiert. Ist, wer korrupt
ist, charakterschwach? Ist charakterschwach, wer in die Tüte mit den Chips
und nicht in die mit den Chiasamen greift?
Was ist überhaupt Charakter, wer hat ihn und warum wird der Mensch, aber
nicht der Wein als charakterschwach bezeichnet? Sind Populisten wie Markus
Söder charakterschwach, weil sie aus Prinzip heute dies und morgen das
erzählen?
## Doch keine Kriegsmaschine?
Nun wird auch in diesem Terrassengespräch die Frage gestellt, warum sich
die Buchmesse eigentlich eine Rakete auf den Hof gestellt hat. Es handele
sich um ein Space-Shuttle, weiß einer. Da sollen die Kinder reingehen und
sich übers Weltall informieren. Na gut, Weltall kann man als Buchmesse
schon machen, muss dann aber damit rechnen, dass von einem schwächelnden
Charakter dieser Veranstaltung gesprochen wird.
17 Oct 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Literaturbetrieb
Rakete
Frieden und Krieg
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