| # taz.de -- Friedensnobelpreis für Machado: Über Bande gespielt | |
| > Sorgt für Ärger im Weißen Haus: Die Begründung für den Friedensnobelpreis | |
| > ist ein klarer Angriff auf die autoritäre Machtergreifung der | |
| > Trump-Regierung. | |
| Bild: Diesjährige Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado: Eine Ents… | |
| Ehrungen ist [1][María Corina Machado] inzwischen gewohnt: Im vergangenen | |
| Jahr erhielt Venezuelas rechte Oppositionsführerin sowohl den | |
| Václav-Havel-Preis des Europarats als auch den Sacharow-Preis des | |
| Europaparlaments. Seit diesem Freitag gesellt sich da nun auch noch der | |
| Friedensnobelpreis hinzu – die wohl unumstritten bedeutendste politische | |
| Ehrung der Welt. | |
| Dabei bezieht sie Legitimität weniger aus ihren eigenen politischen | |
| Positionen als vielmehr aus der [2][brutalen Unterdrückung der Opposition | |
| in Venezuela.] Die 58-Jährige gehört zur alten venezolanischen | |
| Wirtschaftselite, vertritt durchweg neoliberale Positionen, benennt | |
| Margaret Thatcher als ihr Vorbild und gehörte 2013 bis 2015 zu jenen | |
| venezolanischen Oppositionsführer*innen, die das verhasste Regime von | |
| [3][Nicolás Maduro] durchaus auch mit Gewalt aus dem Amt befördern wollten. | |
| Auch einer internationalen Intervention zu diesem Zweck stand sie positiv | |
| gegenüber – und das auch schon, bevor nach den Parlamentswahlen von 2015 | |
| die demokratische Maske des Maduro-Regimes endgültig fiel. Damals erzielte | |
| die Opposition eine Zweidrittelmehrheit im Parlament – worauf die von der | |
| Regierung kontrollierte Justiz erst mehrere Sitze aberkannte, anschließend | |
| sämtliche Beschlüsse des Parlaments für nichtig erklärte und schließlich | |
| die Regierung eine „verfassunggebende Versammlung“ als von ihr selbst | |
| dominiertes Ersatzparlament installierte. | |
| María Corina Machado war im vergangenen Jahr aus den Vorwahlen der | |
| Opposition in Venezuela mit überwältigender Mehrheit als | |
| Präsidentschaftskandidatin hervorgegangen – nur um dann, nicht zum ersten | |
| Mal, vom Regime mit fadenscheinigen Vorwürfen von der Wahl ausgeschlossen | |
| zu werden. Dass sie trotz der stets drohenden Verhaftung im Land blieb, | |
| rechnet ihr das Nobelkomitee als mutigen Kampf um Freiheit und Demokratie | |
| an. | |
| ## Weltweit die gleichen Trends | |
| Ein Absatz in der Begründung des Nobelkomitees gibt Aufschluss über das | |
| Denken, das – mutmaßlich – zu der Entscheidung geführt haben dürfte, sich | |
| aus allen derzeit tatsächlich kriegerischen Auseinandersetzungen der Welt | |
| herauszuhalten. „Demokratie“, schreibt das Komitee, „ist eine Voraussetzu… | |
| für dauerhaften Frieden. Wir leben jedoch in einer Welt, in der die | |
| Demokratie auf dem Rückzug ist, in der immer mehr autoritäre Regime Normen | |
| in Frage stellen und zu Gewalt greifen. Der starre Machtanspruch des | |
| venezolanischen Regimes und seine Unterdrückung der Bevölkerung sind kein | |
| Einzelfall auf der Welt. | |
| Wir beobachten weltweit die gleichen Trends: Die Rechtsstaatlichkeit wird | |
| von den Machthabern missbraucht, freie Medien werden zum Schweigen | |
| gebracht, Kritiker werden inhaftiert und Gesellschaften werden in Richtung | |
| autoritärer Herrschaft und Militarisierung gedrängt.“ | |
| Es gehört schon sehr viel Ignoranz dazu, das nicht als exakte Beschreibung | |
| der Innenpolitik dessen zu erkennen, der seit Wochen davon gesprochen hat, | |
| dass es eigentlich nur einen, legitimen Friedensnobelpreisträger 2025 geben | |
| könnte, nämlich ihn: Donald Trump. | |
| Mit María Corina Machado hat das Nobelpreiskomitee eine Preisträgerin | |
| ausgewählt, die des linken, gar „woken“ Denkens weiß Gott unverdächtig i… | |
| Und man kann sehr begründete Zweifel daran haben, ob sie selbst als strikte | |
| Verfechterin der Demokratie wirklich vorbildhaft ist: Noch vor sechs Wochen | |
| etwa schrieb sie eine Solidaritätsadresse an die inzwischen verurteilte | |
| Jeannine Añez aus Bolivien, die sich nach dem Sturz von [4][Evo Morales] | |
| 2019 zur „Interimspräsidentin“ erklärt hatte, die angekündigten Wahlen | |
| mehrfach verschob, ohne jedes demokratische Mandat Boliviens Innen- und | |
| Außenpolitik auf rechts drehte und gegen Proteste das Militär schickte. | |
| ## Möglichst wenig Angriffsfläche bieten | |
| Auch mit Álvaro Uribe, Kolumbiens ehemaligem ultrarechten Präsidenten und | |
| vehementem Gegner des kolumbianischen Friedensabkommens – für das 2016 | |
| dessen Nachfolger Juan Manuel Santos mit dem Friedensnobelpreis | |
| ausgezeichnet worden war – pflegt Machado eine enge politische Verbindung. | |
| Große politische Kohärenz ist insofern in der diesjährigen Entscheidung | |
| nicht zu entdecken – eine Logik hingegen schon: Den | |
| autoritär-faschistischen Staatsumbau der Trumps und [5][Orbáns] dieser Welt | |
| kritisieren und dem Mann im Weißen Haus gleichzeitig wenig Angriffsfläche | |
| bieten. María Corina Machado ist eine der wenigen internationalen | |
| Führungsfiguren, mit deren Ehrung das möglich ist. | |
| Bleibt die Frage, ob diese Interpretation der von Alfred Nobel vor 130 | |
| Jahren formulierten Ziele des Friedensnobelpreises eigentlich sinnvoll ist. | |
| Das Nobelkomitee hat Frieden seit geraumer Zeit weiter gefasst als die | |
| Abwesenheit von Krieg: Unzählige Friedensnobelpreise der letzten Jahrzehnte | |
| zeugen davon – viele durchaus auch direkte Affronts gegen amtierende, | |
| insbesondere republikanischer US-Regierungen. Al Gore etwa, Bill Clintons | |
| Vizepräsident, der 2000 die Wahl nur äußerst umstritten gegen George W. | |
| Bush verloren hatte, erhielt 2007 den Friedensnobelpreis: als Chef des | |
| Weltklimarats IPCC. | |
| Klima, Frauenrechte, Menschenrechte, Rechte Vertriebener oder Geflüchteter, | |
| das Recht auf Ernährung – all das kann völlig zu Recht als notwendige | |
| Bedingung für nachhaltigen Frieden begriffen und beschrieben werden. In | |
| Jahren der extremen Unsicherheit und des Mangels an klassischen | |
| Friedensstifter*innen taugen solche Themen durchaus auch für | |
| Friedensnobelpreise aus Verlegenheit. Es ist kein Zufall, dass so viele | |
| Unterorganisationen der Vereinten Nationen eigene Friedensnobelpreise | |
| erhalten haben; da kann man nicht viel falsch machen. | |
| ## Kein Preis aus Verlegenheit | |
| Aber der diesjährige Preis dürfte nicht aus Verlegenheit vergeben worden | |
| sein. Gerade im Jahr 2025 das Thema des weltweit geführten Angriffs auf | |
| Demokratien und Rechtsstaaten für zentral zu erklären, verdient | |
| Anerkennung. | |
| Dass das Thema über die Bande einer rechtspopulistischen venezolanischen | |
| Oppositionspolitikerin gespielt wird, ist verständlich, taktisch vermutlich | |
| sogar klug, kann aber dennoch den Blick verstellen. Denn von einer Welle | |
| des autoritären Linkspopulismus, der sich anschickt, die Welt nach dem | |
| Vorbild Venezuelas, Kubas oder Nicaraguas umzubauen, kann derzeit nicht die | |
| Rede sein – die Offensive gegen Meinungsfreiheit, Rechtsstaat und | |
| Demokratie kommt weltweit klar von rechts, in den westlich-demokratischen | |
| Staaten des Nordens, aus deren Gedankengebäuden heraus auch das | |
| Nobelkomitee handelt, erst recht. | |
| Das deutlicher zu benennen, hätte natürlich auch dem Nobelkomitee nicht | |
| schlecht angestanden – eigentlich. Nur hätte das die Vorstellung, das | |
| Komitee wache quasi objektiv über Werte und Rechte, noch weiter beschädigt. | |
| Anders gesagt: Dass jemand wie US-Präsident Donald Trump unbedingt den | |
| Friedensnobelpreis haben will, ist ein ziemlich gutes Zeichen dafür, dass | |
| der Preis trotz aller Fehlentscheidungen der Vergangenheit noch immer hoch | |
| anerkannt ist. | |
| Dass Donald Trump ihn nicht bekommt, ist allerdings noch besser. | |
| 10 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernd Pickert | |
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