# taz.de -- Refugee-Karawane Tagebuch (5): Kontakte knüpfen am Lagerfeuer | |
> Es ist Halbzeit bei der Refugee-Karawane. Und die Teilnehmer:innen | |
> fragen sich: Was bleibt zu tun, um die Ziele zu erreichen? | |
Bild: Reflexion und Austausch: Teilnehmer:innen der Karawane im Gespräch | |
Ein neuer Morgen, der vierte Tag [1][der Refugee-Karawane]. Ich wache auf | |
mit einer neuen Erfahrung: Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben in einem | |
Zelt geschlafen. Vorher war ich noch nie campen. Ich wollte das unbedingt | |
einmal machen. Nun war es endlich soweit. Wir hatten dabei viel Spaß. Einer | |
der Freunde sammelte am Abend Holz, wir machten ein Feuer und spielten | |
Musik. Einige von uns tanzten, andere applaudierten. Das Holzfeuer in | |
dieser ruhigen Umgebung weckte Kindheitserinnerungen an mein Zuhause. | |
Am Morgen bin ich früh wach, es ist sehr kalt. Heute decke ich den Esstisch | |
für alle, esse Eier, Hummus, trinke eine Tasse Tee. Dieser Morgen ist | |
anders als die vorigen, ruhiger. | |
Für heute sind keine Kundgebungen oder Demos angesetzt. Stattdessen | |
Workshops: Beratung gegen Abschiebungen, Übersetzungstechniken, Rechte von | |
Wanderarbeitern, Widerstand gegen die Bezahlkarte, Strategien der | |
Selbstorganisation, Boxen für Frauen, Erste Hilfe und anderes. Wir haben | |
die Möglichkeit, neue Freund:innen kennenzulernen. Es ist ein Tag, an dem | |
Netzwerke und Vertrauen zwischen den Aktivisten aufgebaut werden. Einige | |
von uns boxen zum Spaß. Für mich ist es eine großartige Gelegenheit, neue | |
Kontakte zu knüpfe. Es motiviert mich weiter, mich mit ihnen gemeinsam zu | |
engagieren. | |
Wir sitzen zusammen, diskutieren über die vergangenen Tage, geben uns | |
Feedback. Was sind die nächsten Schritte? Was bleibt für den Rest der Woche | |
zu tun, um unsere Ziele zu erreichen? | |
Ahmed schließt sich uns an. Er war Zahnarzt in Syrien. Im Krieg hatte er | |
Brüder durch einen Bombenangriff verloren, ihr Haus war dabei zerstört | |
worden. Dann verließ er das Land. Heute lebt er im Lager [2][Schneeberg im | |
Erzgebirge], im Süden Sachsens. | |
„Das Lager liegt in einer Hochebene, weit entfernt von der Stadt, und es | |
ist sehr kalt“, sagt Ahmed. Die Heizungen funktionierten nicht, es gebe | |
keine Hygieneartikel und keine ausreichende medizinische Versorgung. „Dies | |
ist ein isolierter Ort, an dem normale Menschen nicht leben können. Wir | |
werden behandelt, als wären wir Kriminelle“, klagt er. So sei es schwierig, | |
sich in die Gesellschaft zu integrieren. „Ich hatte die Hoffnung auf ein | |
besseres Leben, aber jetzt scheint es, als würde ich die Hoffnung | |
verlieren.“ | |
Die Zeit vergeht schnell. Ich freue mich auf die nächsten Tage, die Demo in | |
Eisenhüttenstadt vor dem sogenannten Dublin-Zentrum am Donnerstag, den | |
Besuch des Lagers in Berlin-Tegel am Freitag – und besonders auf den | |
Samstag, wenn wir unsere Karawane-Woche beenden und unseren Widerstand mit | |
einer Parade feiern werden, die um 11 Uhr am Oranienplatz in Berlin | |
beginnt. | |
Das Tagebuch [3][wird fortgesetzt]. | |
24 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Muna Abdi | |
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