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# taz.de -- Refugee-Karawane Tagebuch (7): Die Angst vor der Abschiebung
> „Der Zaun soll Euch schwächen“, ruft Cho den Menschen im Lager
> Eisenhüttenstadt zu. „Ihr habt es bis hierher geschafft, ihr werdet es
> weiter schaffen.“
Bild: Hoffnungsvolle Farben: Teilnehmer:innen der Karawane in Eisenhüttenstadt
In Sachsen regnet es am Morgen in Strömen. Wir packen unsere Taschen und
die Lebensmittel zusammen, bauen die Zelte ab und machen uns auf den Weg.
Nach drei Stunden erreichen wir mit der [1][Refugee-Karawane] unser
nächstes Ziel: Eisenhüttenstadt. Glücklicherweise hat es unterwegs
aufgehört zu regnen.
Seit über 25 Jahren gibt es hier die [2][Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung
des Landes Brandenburg] mit rund 1.200 Plätzen, nur wenige Kilometer von
der Grenze zu Polen entfernt. Bis zu 18 Monate lang werden Menschen hier
festgehalten. Die Polizei kommt häufig unangekündigt, um Menschen zur
Abschiebung aus ihren Zimmern zu holen. Wir statten den Menschen in diesem
Lager heute einen Besuch ab, um Unterstützung und Solidarität zu zeigen.
In dem Lager existiert heute auch [3][das so genannte „Dublin Polen
Zentrum“]. Von dort aus werden Menschen nach Polen abgeschoben.
Im Juni wandten sich die Menschen im „Dublin Polen Zentrum“ [4][mit einem
offenen Brief an die Öffentlichkeit]. Sie schrieben darin: „Jeden Tag
werden Zimmer und manchmal sogar Schränke von Sozialarbeitern oder
Sicherheitsleuten kontrolliert.“ Die Türen ließen sich nicht abschließen,
die meisten Schränke seien nicht abschließbar, es gebe Diebstähle. „Wir
werden von der Lagerverwaltung unter Druck gesetzt, nach Polen
zurückzukehren. Es ist uns verboten, das Lager von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens
zu verlassen. Wir stehen also unter Hausarrest. Wir bekommen bisher keine
finanzielle Unterstützung in Form von Taschengeld.“ Sie erreichten damit
große öffentliche Aufmerksamkeit.
Viele suchen Schutz in Kirchen – 83 Menschen gingen in diesem Jahr in
Brandenburg ins [5][Kirchenasyl], um einer Dublin-Abschiebung zu entgehen.
## Schlaflos aus Angst
Maher, einer der Flüchtlinge, die im Lager Eisenhüttenstadt leben, ergreift
auf unsere Bühne das Mikrofon. Er berichtet, wie sehr ihn die
Abschiebungsdrohung belastet: „Ich bin noch sehr jung und habe bereits vier
Jahre meines Lebens verschwendet. Seit Monaten kann ich vor Angst vor der
Abschiebung nicht mehr schlafen“, sagt er. „Das Essen ist schlecht, unsere
Körper sind davon erschöpft, und wir bekommen nicht genug Geld, um uns
richtig zu ernähren. Wir wollen wie Menschen behandelt werden, nicht wie
Nummern“, sagt Maher. Er fordere seine „Würde zurück“, sagt er. „Ich …
wie ein Mensch behandelt werden.“
Auch Gareth spricht von seiner Angst vor der Abschiebung. Er vergleicht sie
mit „psychischer Folter“ an. „Stell dir vor, du hast vielleicht keine
Tasche, vielleicht kein Geld und wirst dann einfach irgendwo abgeladen“. Er
fügt hinzu: „Wir werden vielleicht nicht die Früchte unseres Kampfes sehen.
Aber wir tun es für die Zukunft unserer Kinder, und sie werden diese
Früchte ernten.“
In der Pause spielt die Gruppe „Lebenslaute“ ein Lied für uns. Die Menschen
hören zu und genießen es.
Dann betritt Cho die Bühne. Er lebte 1998 in diesem Lager. Solidarität zu
zeigen, stärke die Menschen, sagt er: „Der Zweck dieses Zauns ist es, euch
zu schwächen.“ Ihm selbst seien damals zwei Tage Zeit gegeben worden, um
Deutschland zu verlassen. „Aber ich bin immer noch hier. Und ihr werdet
auch bleiben“, ruft er. „Ihr seid stark, ihr seid intelligent. Ihr habt es
bis hierher geschafft. Ihr werdet es auch weiter schaffen. Glaubt an euch!“
Danach essen wir gemeinsam und fahren nach Berlin. Freunde von [6][Welcome
United] empfangen uns herzlich am Oranienplatz, wo wir uns auf unsere
Parade am Samstag vorbereiten.
Das Tagebuch [7][wird fortgesetzt].
26 Sep 2025
## LINKS
[1] /Refugee-Karawane/!t6114589
[2] /Erstaufnahmeeinrichtung-Eisenhuettenstadt/!5959279
[3] /Fluechtlingslager-in-Eisenhuettenstadt/!6094971
[4] /Dublin-Zentrum-Eisenhuettenstadt/!6088700
[5] /Streit-ums-Kirchenasyl/!6113992
[6] https://www.welcome-united.org/de/
[7] /Refugee-Karawane/!t6114589
## AUTOREN
Muna Abdi
## TAGS
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Schwerpunkt Flucht
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