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# taz.de -- Refugee-Karawane Tagebuch (6): Ein Mangel an Freiheit, ein Mangel a…
> Waschen nur zwischen 6 und 8 Uhr früh, ein Leben nach dem Plan anderer:
> In Leipzig sprechen Geflüchtete über die Fremdbestimmung im Asyl-Lager.
Bild: „Solidarity will win“. Teilnehmer:innen der Karawane holen Geflüchte…
Der Mittwoch ist unser Tag in Sachsen. Es ist wieder sehr kalt, der Himmel
bewölkt. Ich nehme eine Tasse Kaffee und meinen Laptop und gehe zum Feuer,
um mich aufzuwärmen. Ein paar Minuten später sind alle aufgewacht. Ich bin
froh: Ich bekomme viel Lob und dankbare Rückmeldungen zu dem [1][Tagebuch,
das in der taz online veröffentlicht wird]. Als wir verstanden haben, dass
viele Menschen es lesen, haben alle „Wow, herzlichen Glückwunsch!“ gerufen
und mich umarmt. Das war „meine Morgenenergie“, eine Energie, die mich bis
zum Ende der Karawane begleiten wird.
Nach dem Frühstück fahren wir mit den Autos nach Grünau, einem Stadtteil
von Leipzig, in dem viele Migrant:innen leben. Auf dem Marktplatz an der
Stuttgarter Allee bauen wir unsere Zelte und Stände auf, schmücken den
Platz mit Transparenten und Aufklebern mit kühnen Slogans.
Das Wetter ist kalt, aber schön. Hunderte Menschen versammeln sich auf dem
Platz. [2][Trong Duc Do] arbeitet hier in Leipzig-Grünau bei
„Perspectives“. Die Organisation bietet in den Lagern hier Beratung an. Er
übernimmt die Moderation.
Hassan von [3][Welcome United] spricht zur Eröffnung. „Unsere Kämpfe hier
stehen wir auf den Schultern vieler Kämpfe, die vor uns stattgefunden
haben“, sagt er. Grünau sei ein Ort, an dem viele Migrant:innen leben,
die Rassismus ausgesetzt seien. „Deshalb ist es für uns sehr wichtig, hier
zu sein.“
Hassan erinnert daran, dass die Karawane sich als Teil einer
transnationalen Bewegung versteht. „Wir sind viele, wir sind verbunden“,
sagt er. Die Rechte habe immer mehr an Einfluss gewonnen. „Aber wir sind
mehr. Wir verbinden unsere Kämpfe, wir bauen ein lebendiges Archiv des
Widerstands auf.“
Dann spreche ich – über die [4][Bezahlkarte]. Ich sage, was sie ist: Ein
Instrument rassistischer Diskriminierung. Ich schildere, welche
Herausforderungen es für mich bedeutete, die Karte nutzen zu müssen. Ein
lokales Kollektiv kündigt an, Geflüchteten in Grünau die Karte gegen
Bargeldtausch zu tauschen. Immer mehr solcher Initiativen werden derzeit
gegründet.
## Orte, wie gemacht für Kriminelle
Ein Podium mit Flüchtlingen aus den Lagern folgt. Es gibt keinen Zugang zu
angemessenen Hygieneartikeln, in einigen Lagern sind die Toiletten weit von
ihren Schlafplätzen entfernt, berichten sie. Vier bis acht Personen teilen
sich einen Schlafraum. Es seien Orte, wie gemacht für Kriminelle.
Einer der Diskutanten ist Eric. Seit vier Jahren lebt er als Asylsuchender
in Deutschland, durchgängig im Lager. „Ich würde gerne arbeiten, aber ich
darf nicht.“ Gegen solche Probleme müssten die Geflüchteten sich selbst zu
Wort melden. „Wir müssen aktiv werden. Und ich fühle mich geschützt, wenn
ich dazu bei Euch bin.“
Dann spricht Almaz. „Ich nenne es nicht Lager, ich nenne es Gefängnis“,
sagt er. „Das Personal behandelt uns unhöflich, als wären wir Kriminelle.“
Wegen Nichtigkeiten kämen Sicherheitsleute oder gar die Polizei. Das Leben
sei fremdbestimmt, alles sei durchprogrammiert.
„Zwischen 6:00 und 8:00 Uhr dürfen wir uns waschen. Wenn man das verpasst,
gibt es erst am Nachmittag noch einen weiteren Termin. Es gibt auch eine
feste Zeit, zu der wir essen müssen. Wir haben keine Wahlfreiheit“, sagt
ein Geflüchteter namens Hakim. Ein Mangel an Freiheit, das eigene Leben zu
gestalten und ein Mangel an Achtung der Würde – das bedeute das Leben im
Lager, so sehen es die drei auf dem Podium.
Das Tagebuch [5][wird fortgesetzt].
25 Sep 2025
## LINKS
[1] /Refugee-Karawane/!t6114589
[2] /Protest-gegen-AfD-Parteitag/!6058447
[3] https://www.welcome-united.org/de/
[4] /Ausweitung-der-Bezahlkarte-geplant/!6098816
[5] /Refugee-Karawane/!t6114589
## AUTOREN
Muna Abdi
## TAGS
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Schwerpunkt Flucht
Flüchtlingssommer
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