| # taz.de -- Refugee-Karawane Tagebuch (3): „Freiheit“ in allen Sprachen, di… | |
| > Bis August hatte Thüringen kein Abschiebegefängnis. Seitdem werden in | |
| > Arnstadt Menschen vor der Abschiebung eingesperrt. Der Betrieb kostet | |
| > Millionen. | |
| Bild: Der Protest der Karawane vor dem Abschiebegefängnis in Arnstadt | |
| Guten Morgen aus Waltershausen in Thüringen. Es ist der dritte Tag [1][der | |
| Karawane für Bewegungsfreiheit]. Am Morgen ist der Himmel bewölkt, es soll | |
| bald regnen. Ich bin wie jeden Tag früh aufgewacht, habe mich mit einem | |
| Kaffee an meinen Computer gesetzt. Es gibt viel zu tun. | |
| Ich stelle mich in die Frühstücksschlange, es gibt Schwarzbrot, Kaffee, | |
| Tee, Obst und Erdbeermarmelade. Danach beginnt das Plenum, es geht um die | |
| Aktionen am heutigen Tag. Wir fahren mit allen Autos und dem Bus nach | |
| Arnstadt. [2][Dort hat das Bundesland kürzlich ein neues Abschiebegefängnis | |
| eröffnet]. 3 Millionen Euro pro Jahr kostet der Betrieb. Das Gefängnis ist | |
| Teil eines Komplexes, zu dem auch ein Jugendgefängnis gehört. Mitte August | |
| wurden hier die ersten Menschen inhaftiert. | |
| Die Fahrt dauert etwa 30 Minuten. Wir kommen am späten Vormittag an, teilen | |
| uns auf dem Platz vor dem Gefängnis in Teams auf. Wir bauen Zelte auf, | |
| hängen Transparente auf. Es gibt Applaus und Pfiffe. „Keine Grenzen, keine | |
| Nationen. Stoppt die Abschiebungen“, rufen einige. „Kein Mensch ist | |
| illegal, Flüchtlinge sind hier willkommen“. | |
| Redner ergreifen das Mikrofon. „Heute, 10 Jahre später, liegt es an uns, | |
| [3][die Hoffnung von 2015] weiterzutragen. Die Karawane ist unterwegs“, | |
| sagt Ida, eine Aktivistin. Musik wird abgespielt. | |
| Aktivist:innen fordern die Schließung des Abschiebegefängnisses.„Unser | |
| Protest hier heute ist notwendig, denn seit Anfang August gibt es dieses | |
| Gefängnis mit 37 Plätzen“, sagt Husni. Er stammt aus Syrien. 2015 floh er | |
| vor den Kriegen in seinem Land als junger Flüchtling nach Deutschland. | |
| Heute lebt er in Jena und engagiert sich für Geflüchtete in Thüringen. Er | |
| studiert seit sechs Jahren Medizintechnik und arbeitet als Ingenieur. | |
| „Es ist überraschend, wie unsere Regierung mit den steigenden | |
| Stimmenanteilen der AfD umgeht“, sagt er. Die anderen Parteien scheinen | |
| ihnen hier in Thüringen einfach zu folgen. Sie konzentrierten sich | |
| populistisch darauf, Minderheiten zum Sündenbock zu machen, anstatt sich | |
| auf die wirtschaftlichen Probleme in diesem Land zu konzentrieren, meint | |
| Husni. | |
| Danach wird eine Sprachaufnahme aus dem Jugendgefängnis abgespielt. Der | |
| Gefangene spricht über die rassistische Behandlung, von den Wärtern und der | |
| Leitung des Gefängnisses. „Viele Menschen werden hier unter schlechten | |
| Bedingungen festgehalten“, sagt er. | |
| Die Stimme dieser Person zu hören ist herzzerreißend, alle sind betroffen, | |
| frustriert. Wir nehmen unsere Wut, nehmen die Plakate, die wir haben. Wir | |
| stellen uns gemeinsam direkt vor das Gefängnis und rufen laut „Freiheit“, | |
| in allen Sprachen, die wir kennen. | |
| Danach fahren wir zum Lager Arnstadt, in dem viele Geflüchtete | |
| untergebracht sind. Kurz nach unserer Ankunft erscheint die Polizei. Sie | |
| beobachtet uns, fordert uns auf, zu gehen. Es gibt eine Diskussion darüber, | |
| warum der Eingang geschlossen wurde. Der Mitarbeiter des Landratsamtes sagt | |
| uns, dass wir keinen Zutritt haben. Er versucht, dies als Schutzmaßnahme | |
| für die Flüchtlinge darzustellen. Aber es ist klar, dass sie jeden Kontakt | |
| zwischen ihnen und uns vermeiden wollen. | |
| Aber wir werden immer Wege finden, um in Kontakt zu treten. Wir werden | |
| weiterhin Flüchtlinge in den Lagern besuchen. Und wir werden weiterhin | |
| gegen die Isolation protestieren. | |
| Das Tagebuch [4][wird fortgesetzt]. | |
| 22 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Muna Abdi | |
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