| # taz.de -- Neuer Wehrdienst: Antritt im Bundestag verschoben | |
| > Selbst der Kanzler sieht den eigenen Gesetzesplänen skeptisch gegenüber. | |
| > Die SPD reagiert entrüstet auf die Volten des Koalitionspartners. | |
| Bild: Vorwärts in die Vergangenheit: Rekruten von 1999 | |
| Berlin taz | Zu Beginn der Legislaturperiode wirkte es, als könne es gar | |
| nicht schnell genug gehen: Union und SPD wollten die Reform des | |
| Wehrdienstes direkt auf den Weg bringen, um den von ihnen angestrebten | |
| Aufwuchs der Streitkräfte so schnell wie möglich zu erreichen. Am | |
| Donnerstag sollte der Bundestag in erster Lesung über den neuen Wehrdienst | |
| beraten. Doch die Debatte wurde auf nächste Woche verschoben. Denn bei | |
| Union und SPD sind die Vorstellungen darüber zu verschieden, was passiert, | |
| [1][sollte über das freiwillige Modell] nicht die gewünschte Zahl von | |
| Soldat*innen bei der Bundeswehr erreicht werden. | |
| Es sind Politiker der Union, die deshalb eine Nachschärfung des bereits | |
| beschlossenen Gesetzentwurfs fordern. Besonders pointiert hatte CSU-Chef | |
| Markus Söder auf eine strengere Regulierung gepocht. Er bezeichnete den | |
| Gesetzentwurf aus dem Verteidigungsministerium [2][in der Bild am Sonntag | |
| als „Wischiwaschi-Wehrpflicht“,] die niemandem helfe. „In Zeiten großer | |
| Bedrohung brauchen wir mehr als eine Fragebogen-Armee.“ | |
| Damit spielte Söder auf die Pläne an, auf die sich die Bundesregierung | |
| bereits im August geeinigt hatte. Demnach sollen ab dem 1. Januar 2026 alle | |
| Jugendlichen über 18 Jahren einen Brief von der Bundeswehr erhalten, in | |
| denen ihre Dienstbereitschaft abgefragt wird. Nur für junge Männer ist die | |
| Antwort verpflichtend, Frauen und andere Geschlechter können das Schreiben | |
| direkt in den Papierkorb werfen. Auf diese Weise soll die Zahl der | |
| Soldat*innen bei der Bundeswehr von derzeit knapp 183.000 auf 260.000 | |
| steigen. | |
| Allerdings sehen die Reformpläne auch vor, dass die Regierung per | |
| Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestags die Wehrpflicht wieder | |
| aktivieren könnte, sollte die „verteidigungspolitische Lage einen schnellen | |
| Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordern“. Ein Rechtsgutachten im | |
| Auftrag der Organisation Greenpeace [3][befand diesen Mechanismus als | |
| verfassungswidrig,] weil ein solcher Grundrechtseingriff nur per Gesetz im | |
| Bundestag beschlossen werden könne. | |
| ## Die SPD ist verärgert | |
| Die Union wünscht sich mehr Klarheit darüber, was zu tun wäre, wenn die | |
| Zielmarke der Soldat*innen nicht über das freiwillige Modell erreicht | |
| werden kann. So sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, die Union | |
| wolle „mehr Verbindlichkeit“. Darüber werde „man in den nächsten Tagen … | |
| der SPD sprechen“. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, | |
| Thomas Erndl, sagte der taz, es brauche klare Vorgaben, was passiere, wenn | |
| die Ziele nicht erreicht würden. „Vor diesem Hintergrund kann die | |
| Freiwilligkeit tatsächlich zunächst der erste Schritt sein – dem dann aber | |
| klare Schritte folgen müssen, wenn sich nicht genügend melden.“ | |
| Auch Bundeskanzler Friedrich Merz äußerte Zweifel an der erhofften Wirkung | |
| des Gesetzes. „Ich vermute, es wird bei Freiwilligkeit allein nicht | |
| bleiben“, sagte der CDU-Chef am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Caren | |
| Miosga“. Merz sprach in dem Zusammenhang auch über die Forderung, ein | |
| verpflichtendes Dienstjahr für alle jungen Menschen einzuführen. Dazu | |
| braucht es allerdings eine Grundgesetzänderung, wofür eine | |
| Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig wäre. | |
| In der SPD ist man verärgert über die Bedenken auf Seiten der Union. „Wir | |
| haben uns in der Koalition auf einen ganz klaren Weg verständigt: Das ist | |
| der freiwillige Wehrdienst“, sagte Generalsekretär Tim Klüssendorf am | |
| Montag in Berlin. Er könne nicht nachvollziehen, dass dies aus den Reihen | |
| von CDU und CSU infrage gestellt werde. | |
| Die Linke war der Bundesregierung „unprofessionelles Arbeiten“ vor. Die | |
| Verschiebung der parlamentarischen Debatte offenbare außerdem „die tiefen | |
| inhaltlichen Differenzen“ innerhalb der Regierungskoalition, sagte der | |
| verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion, Ulrich Thoden, der taz. Die | |
| Partei lehne den Gesetzentwurf grundlegend ab. „Die | |
| Personalbedarfsplanungen sind an das Ziel gekoppelt, die Bundeswehr zur | |
| stärksten konventionellen Armee in Europa aufzurüsten.“ Die Linke | |
| befürworte dagegen eine Bundeswehr, die die äußere Sicherheit Deutschlands | |
| zu garantieren vermöge, was mit geringeren Streitkräften möglich sei. | |
| Auf Seiten der Zivilgesellschaft sorgen die Diskussionen in der Regierung | |
| für Kopfschütteln. „Es ist schon originell, dass es nun doch zu einer | |
| Verschiebung kommen soll, obwohl man sich angeblich trotz Widerständen im | |
| Vorfeld schon geeinigt hatte“, sagte Cornelia Mannewitz von der | |
| Friedensgesellschaft DFG-VK. Die Debatte zeige, wie sehr konservative | |
| Kräfte offensichtlich die Rückkehr zu einer „richtigen“ Wehrpflicht wolle… | |
| Mannewitz forderte eine „breite gesellschaftliche Debatte“ darüber, was nun | |
| vor allem auf junge Menschen zukomme. „Denn lange Jahre hat die Wehrpflicht | |
| in ihrer Lebensplanung keine Rolle gespielt.“ Angesichts „des permanenten | |
| Säbelrasselns“ ändere sich das erst allmählich. „Vor allem die jungen | |
| Menschen müssen sich darüber klarwerden, was jetzt auf sie zukommt.“ | |
| 6 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Reform-des-Wehrdienstes/!6106533 | |
| [2] https://www.bild.de/politik/inland/koalitionsstreit-um-neues-wehrdienstgese… | |
| [3] /Gutachten-zur-Wehrpflicht/!6111440 | |
| ## AUTOREN | |
| Cem-Odos Gueler | |
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