| # taz.de -- Philosophin über KI-Bilder und Ethik: „KI-Bilder sind für den P… | |
| > Die Philosophin Dorothea Winter spricht über Kitsch und Kunst, warum | |
| > Social-Media-Plattformen die KI so lieben und eine Ethik der falschen | |
| > Bilder. | |
| Bild: Das wäre dann wohl Kitsch: „The Next Rembrandt“ (2016), mit KI erste… | |
| taz: Frau Winter, welches KI-Bild haben Sie zum ersten Mal bewusst als | |
| solches wahrgenommen und was dachten Sie dabei? | |
| Dorothea Winter: [1][„The Next Rembrandt“]. Das war 2016, also in der | |
| KI-Welt gefühlt im Mittelalter. Bei dem Projekt wurde eine KI mit hunderten | |
| Rembrandt-Gemälden gefüttert und hat basierend darauf einen neuen | |
| Rembrandt erschaffen. Sogar einige Expert*innen haben gesagt, das sehe | |
| aus wie ein echter Rembrandt. Da war zunächst diese diffuse Angst, die wohl | |
| die meisten Leute haben, wenn sie zum ersten Mal sehen, wie gut diese | |
| KI-generierten Werke sind. Dann dachte ich: Was heißt das jetzt für die | |
| Kunstwelt und für den Anspruch an Wahrheit, wenn es um Bilder geht? | |
| taz: Welches Ereignis war für Sie ein KI-Meilenstein? | |
| Winter: Der Moment im Sommer 2022, als die damalige Berliner | |
| Bürgermeisterin [2][Franziska Giffey 15 Minuten lang auf einen KI-Klon vom | |
| Kyjiwer Bürgermeister Vitali Klitschko] reingefallen ist. Wenn schon Profis | |
| und Politiker*innen das nicht mehr erkennen, dachte ich, wie soll das | |
| denn für den Otto Normalverbraucher sein? Und welche Auswirkungen hat das | |
| auf unsere Demokratie? | |
| taz: Welche Auswirkungen haben KI-generierte Videos und Bilder denn auf die | |
| Demokratie? | |
| Winter: Ich habe den Eindruck, dass Diskurse durch KI-generierte Bilder | |
| noch emotionaler geführt werden. Positiv gedacht können sie Debatten | |
| anregen. In der Praxis werden sie aber oft zur Manipulation und | |
| Mobilisierung benutzt. Bilder sind für den Populismus einfach extrem | |
| nützlich, die AfD hat das in ihren Wahlkämpfen auch schon vereinzelt | |
| benutzt, hat etwa Darstellungen von Flüchtlingswellen mit KI generiert, bei | |
| denen man sich echt fragt, ob das verfassungsrechtlich noch gedeckt ist. | |
| taz: Jetzt kann jede*r KI-Bilder erstellen. Ist das ein Problem? | |
| Winter: Das Problem ist die Menge. Früher musste man noch Fotograf*innen, | |
| Grafiker*innen und Bildbearbeiter*innen engagieren, heute kann | |
| das jeder rechte Troll am Laptop in Sekunden produzieren und | |
| veröffentlichen. Diese Quantität war vorher undenkbar. Hinzu kommt der | |
| ganze Möglichkeitsraum durch Deepfakes. Videos von Politiker*innen | |
| lassen sich inzwischen so gut fälschen, dass man kaum noch erkennen kann, | |
| ob sie echt sind. | |
| taz: Wie hängen Fake News oder selbstgemachte KI-Inhalte mit Social Media | |
| zusammen? | |
| Winter: Wenn diese Bilder nur existieren würden, wäre das Problem | |
| theoretisch lösbar. Man könnte sie einfach erkennen und löschen. Praktisch | |
| zeigen Meta, Tiktok & Co. aber, dass sie das nicht wollen: Polarisierende | |
| Inhalte generieren mehr Verweildauer und Engagement, und das liegt im | |
| Interesse der Plattformen. Sie wollen also, dass radikale Inhalte sichtbar | |
| bleiben. | |
| taz: In vielen Feeds sehen wir perfekte, hochstilisierte KI-Bilder. Was | |
| macht das mit uns? | |
| Winter: KI-generierte Bilder in bestimmten Kontexten, wie im Journalismus, | |
| können unproblematisch sein, wenn sie mit Disclaimern eingesetzt werden. | |
| Komplexer wird es bei Bildern, die Menschen darstellen. Die sind inzwischen | |
| so gut, dass man sie kaum von echten Fotos unterscheiden kann. [3][Es gibt | |
| KI-Influencerinnen,] bei denen viele Follower*innen nicht merken, dass | |
| sie nicht echt sind. Der erste Impuls aus der Ethik war: „Super, dann | |
| brauchen wir keine echten Models mehr, die sich runterhungern müssen.“ Man | |
| könnte das an die KI outsourcen und bei echten Menschen gesündere Ideale | |
| etablieren. Aber so einfach ist das nicht. Schönheitsideale wirken auch | |
| dann, wenn wir wissen, dass die dargestellten Models nicht echt sind. Das | |
| haben wir schon bei Photoshop gesehen: Selbst wenn klar ist, dass ein Bild | |
| bearbeitet ist, kann es Druck oder Unzufriedenheit auslösen. KI ändert nur | |
| die Produktionsweise, nicht unbedingt die Wirkung auf uns. | |
| taz: Wie sollten wir denn dann am besten mit KI-Bildern umgehen? | |
| Winter: Das Erste wäre eine Transparenzpflicht, sodass jede Art von KI ein | |
| Siegel bekommt, auch wenn da manche aus der Privatwirtschaft aufschreien. | |
| Außerdem fände ich Quoten wichtig. So würden wir einerseits Menschen, die | |
| nicht mit KI arbeiten, ermöglichen, ihre Stellung zu sichern, und | |
| gleichzeitig die KI-Werke sichtbar hervorheben. | |
| taz: Was meinen Sie genau mit Quoten? | |
| Winter: Dass man festlegt, wie viel KI auf Social Media oder in einem | |
| Medium sein darf. Das klingt ein wenig utopisch, ist es aber nicht. Einige | |
| Redaktionen machen das schon. | |
| taz: Wer trägt die Verantwortung für den richtigen Umgang mit KI? | |
| Winter: Die größte Verantwortung liegt klar bei der Politik. Sie muss die | |
| Rahmenbedingungen festlegen, also entscheiden, was erlaubt ist und was | |
| nicht. Die Situation ist gar nicht so rechtsfrei, wie oft behauptet wird. | |
| Das Problem ist eher, dass Regeln nicht ausreichend umgesetzt werden. Und | |
| an die politischen Vorgaben müssen sich dann die Unternehmen halten. Das | |
| muss durchgesetzt werden. Die Endnutzer*innen sehe ich dagegen nicht in | |
| der Verantwortung – die Prozesse sind einfach zu komplex. Stattdessen | |
| müssen wir die Menschen aufklären. Nicht nur vor die Geräte platzieren, | |
| sondern erklären, wie Bilder eine eigene Wahrheit herstellen oder | |
| manipulieren können. | |
| taz: Sie nennen KI-Bilder oft „Kitsch“, warum? | |
| Winter: Ich benutze „Kitsch“ vor allem, um KI-Bilder von Kunst abzugrenzen. | |
| Wenn ich mich vor Midjourney setze und sage: „Mach mir ein Bild im Stil von | |
| Kandinsky, mit Rot, Blau, Grün“, dann ist das kein Kunstwerk – im besten | |
| Fall ist das Kitsch. Kitsch hat für mich drei Kriterien: Erstens, er ist | |
| sehr leicht reproduzierbar. Zweitens, [4][er stützt sich oft auf Stereotype | |
| und Klischees]. Wenn du „romantisch“ eingibst, bekommst du Sonnenuntergang | |
| und rote Rosen. Drittens, Kitsch hat keinen Interpretationsspielraum, keine | |
| Metaebene. Er erfüllt meist nur den Zweck, hübsch auszusehen und ins | |
| Farbschema eines Raumes zu passen. Bei vielen KI-Werken trifft das zu. | |
| taz: Wenn dieser Kitsch immer mehr wird, verändert das unsere Erwartungen | |
| an Realität und Ästhetik? | |
| Winter: Ja. Ein interessantes Phänomen ist die Art „Globalisierung“ von | |
| Stilrichtungen durch KI: Früher war Kunst stark eurozentrisch, jetzt | |
| fließen Daten aus aller Welt ein. Das klingt nach Diversität, führt aber | |
| oft nicht zu mehr Nuance, sondern zu einem kitschigen Einheitsbrei. Die | |
| Nuancen gehen verloren. Bei KI-Werken ist das Problem, dass sie nicht | |
| verstören oder zum Nachdenken zwingen – sie sind nett, kurz konsumierbar. | |
| Man bleibt 30 Sekunden bei einem süßen Hasen-Video, denkt „witzig“ und | |
| weiter. Ob uns das guttut, ist eine bildungspolitische Frage, die kaum | |
| gestellt wird. | |
| taz: Gibt es gute KI-Kunst? | |
| Winter: An sich mag ich KI-Werke oft dann besonders, wenn sie vieles | |
| Verschiedenes zusammenbringen. Ich finde, Johanna Reich macht unglaublich | |
| interessante Projekte mit KI. Reich denkt nicht in Schubladen wie | |
| „klassisches Bild“ oder „Soundarbeit“, sondern baut hybride Räume, in … | |
| visuelle, auditive und semantische Ebenen verschmelzen. Dadurch entstehen | |
| Werke, die nicht nur ein Medium repräsentieren, sondern selbst den | |
| Übergang, die Reibung zwischen Medien erfahrbar machen. In einer Zeit, in | |
| der KI oft monomedial eingesetzt wird – etwa als reine Bildmaschine – finde | |
| ich diesen intermedialen Zugriff besonders stark, weil er die Komplexität | |
| der Technologie ernst nimmt und künstlerisch fruchtbar macht. | |
| taz: Online gibt es schon Gegenbewegungen gegen KI-generierte Inhalte. Wird | |
| das auch in Zukunft von Gewicht sein? | |
| Winter: Da bin ich mir sicher. Immer wenn Technologie neu ist, sind die | |
| Menschen daran interessiert und nutzen sie viel. Aber auch KI-generierte | |
| Bilder werden irgendwann langweilig. Das sieht man auch jetzt schon. Vor | |
| einigen Jahren wurde bei Christie’s das erste KI-Bild für mehrere | |
| Hunderttausend Euro verkauft [5][und es gab ein riesiges Spektakel]. Heute | |
| ist dieses Bild nur noch einen Bruchteil wert und würde bei Christie’s nie | |
| angeboten werden. | |
| taz: Wie wird unser Feed in zwei Jahren aussehen? | |
| Winter: Das wird wahrscheinlich der Höhepunkt von KI-generierten Werken | |
| sein. In 10 Jahren hoffe ich, dass es dann nur noch Mittel zum Zweck ist. | |
| Das ist meine optimistische Prognose. | |
| 26 Sep 2025 | |
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| [1] https://de.wikipedia.org/wiki/The_next_Rembrandt | |
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| [3] /Werben-mit-virtuellen-Influencern/!5990820 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marc Tawadrous | |
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