# taz.de -- Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen: Fahrradwege in Bonn sind kei… | |
> In Bonn kommt die Oberbürgermeisterin Katja Dörner knapp in die | |
> Stichwahl. Ihr Amtsbonus wird von ihrer umstrittenen Verkehrspolitik | |
> überschattet. | |
Bild: Erfolgsrezept mit guter Laune, Sonnenblumen und Windrädchen: Wahlkampf d… | |
Am Tag danach geht der Wahlkampf für Katja Dörner weiter. Am Montag | |
empfängt die grüne Bonner Oberbürgermeisterin die Bundesvorsitzende ihrer | |
Partei. Gemeinsam mit Grünen-Chefin Franziska Brantner unternimmt sie eine | |
Radtour durch die Stadt. Für die Kameras rollen sie über die | |
Adenauer-Allee, eine der Hauptstraßen Bonns. | |
Der Umbau der Straße, ein zentrales Projekt in Dörners erster Amtszeit, ist | |
umstritten. Doch seit diesem Jahr haben Radfahrer*innen zumindest | |
testweise mehr Platz. So können die beiden Grünen-Politikerinnen | |
tatsächlich nebeneinander fahren. Laut den Grünen vor Ort hat das Projekt | |
im Wahlkampf eher genutzt als geschadet: Die Bürgermeisterin habe bewiesen, | |
dass sie es ernst meint. | |
Im ersten Wahlgang am Sonntag holte Dörner 33 Prozent der Stimmen. Im | |
Vergleich zur Wahl 2020 hat sie damit zugelegt. „Für mich persönlich war | |
gestern ein sehr guter Tag“, sagt die ehemalige Bundestagsabgeordnete. Das | |
Ergebnis sei eine „ausgezeichnete Startrampe für die Stichwahl“. Zur | |
Wahrheit in Bonn gehört aber auch: Guido Déus, ihr Gegenkandidat von der | |
CDU, lag am Sonntag rund 5 Prozentpunkte vor Dörner. Ihre Wiederwahl ist | |
längst nicht sicher. | |
Ähnlich wie Dörner klingt am Montag auch die Bundesspitze der Grünen. Nicht | |
nur Parteichefin Brantner, sondern der gesamte Bundesvorstand ist nach Bonn | |
gereist. Am Tag nach der Wahl hält das Gremium hier eine Klausurtagung ab, | |
für einen Pressetermin haben sie erfolgreiche OB-Kandidat*innen aus dem | |
Bundesland um sich gescharrt. Neben Köln sind Grüne unter anderem in | |
Düsseldorf, Münster und Paderborn in der Stichwahl. In drei kleineren | |
Kommunen holten grüne Kandidat*innen schon im ersten Wahlgang mehr als | |
50 Prozent. | |
## Kein Rückenwind aus Düsseldorf | |
Landesweit liegt die Partei mit 13,5 Prozent rund einen Prozentpunkt über | |
dem Ergebnis, das sie bei der Bundestagswahl im Februar in | |
Nordrhein-Westfalen holte. Auf diese Zahl konzentrieren sich die Grünen am | |
Montag. „13,5 Prozent ist das zweitstärkste Ergebnis der | |
nordrhein-westfälischen Grünen bei einer Kommunalwahl“, sagt Brantners | |
Co-Vorsitzender Felix Banaszak. Das gebe Rückenwind für den Kurs, den man | |
auch im Bund eingeschlagen habe: „Klar Kurs zu halten für eine ökologische, | |
für eine progressive Politik und gleichzeitig nah am Menschen zu sein.“ | |
Banaszak und die anderen Spitzen-Grünen genießen es sichtbar, mal wieder | |
von einem Erfolgserlebnis sprechen zu können, und sei es noch so klein. | |
Zur Wahrheit auf Landesebene gehört aber auch: Im Vergleich zur letzten | |
Kommunalwahl 2020 haben die Grünen 6,5 Prozentpunkte verloren, sie liegen | |
jetzt hinter der AfD nur noch auf Platz 4. Die SPD, selbst in der Krise, | |
ist außer Reichweite. Zum selbst gesetzten Anspruch der Grünen, führende | |
Kraft der linken Mitte zu werden, fehlt im Moment ein gutes Stück. | |
Auf Nachfrage gesteht auch Banaszak das ein. Er begründet es mit dem | |
Zeitgeist, der sich in den letzten fünf Jahren verändert habe: Klimaschutz | |
stehe nicht mehr hoch im Kurs. Auch Fehler der Grünen in der | |
Ampel-Regierung gesteht er mal wieder ein. | |
Was er nicht sagt: Auch aus der gemeinsamen Landesregierung mit der CDU kam | |
für die grünen Kommunalos kein Rückenwind. Alle ihre vier | |
Minister*innen kämpfen in ihren Ressorts mit Problemen. Die | |
stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur muss als | |
Wirtschaftsministerin den weiter laufenden Braunkohleabbau im rheinischen | |
Revier verkaufen – und hat mit der Räumung des Dorfes Lützerath weite Teile | |
der Klimabewegung verprellt. | |
## Erfolglose Ministerinnen | |
Dazu kommt: Neubaur ist auch für die Atomaufsicht zuständig – und sieht | |
sich entgegen der Versprechen des Koalitionsvertrags mit den | |
Christdemokraten nicht in der Lage, die mindestens 50 drohenden | |
Atommüll-Transporte aus dem Forschungszentrum Jülich ins münsterländische | |
Ahaus zu verhindern. Verprellt wird so der Kern der Kernwählerschaft – die | |
Anti-Atom-Bewegung, die die Grünen als Multiplikator jahrzehntelang | |
gestützt hat. | |
Der grüne Verkehrsminister Oliver Krischer wird dagegen für das marode | |
Straßennetz in NRW verantwortlich gemacht – auch wenn Katastrophen wie die | |
wegen der einst einsturzgefährdeten, mittlerweile gesprengten | |
Rahmede-Autobahnbrücke seit Jahren gesperrte A45 im Sauerland in der | |
Verantwortung des Bunds liegen. Doch auch der Bau von Radschnellwegen, den | |
sich Krischer auf seine Fahnen geschrieben hat, kommt nicht voran. | |
Und die grüne Integrationsministerin Josefine Paul steht wegen der nicht | |
erfolgten Abschiebung des Messer-Attentäters, der in Solingen 3 Menschen | |
getötet und 8 weitere schwer verletzt hat, in der Kritik. Der grüne | |
Justizminister Benjamin Limbach muss sich dagegen wegen der Besetzung der | |
Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts in Münster mit einer | |
Duz-Bekannten verantworten. | |
Neben den Trends in Bund und Land sind bei Kommunalwahlen aber natürlich | |
auch kommunalpolitische Faktoren Zentral. Bei Katja Dörner in Bonn hat eben | |
vor allem die Verkehrspolitik in den letzten Jahren einige Gemüter erhitzt. | |
Besonders die CDU fuhr im Wahlkampf Kampagne gegen Projekte, mit denen | |
Dörners Mitte-Links-Regierung den Bonner Verkehr klimafreundlicher und | |
sicherer machen wollte. | |
## Gegenwind im Verkehr | |
Dörner befreite zum Beispiel einen Teil der Rheinuferpromenade von Autos, | |
brachte die Neugestaltung des bekanntermaßen unschönen Busbahnhofs auf den | |
Weg, richtete Fahrradstraßen ein, verbreiterte Fußwege und arbeitete ein | |
neues Konzept fürs Parkraummanagement aus. „An vielen Stellen war zu Beginn | |
große Skepsis“, gesteht Friederike Dietsch, Vorsitzende der Grünen | |
Ratsfraktion in Bonn. Gegen die Verkehrsberuhigung am Rheinufer etwa habe | |
es viel Gegenwind gegeben. „Jetzt ist das Resümee durchweg positiv, weil | |
sich die Aufenthaltsqualität immens verbessert hat und es mehr Platz für | |
Rad- und Fußverkehr gibt.“ | |
Nur die Hauptverkehrsader Adenauerallee empört noch immer, wo der Stadtrat | |
Autospuren für Radwege und Lieferzonen geopfert hat und wo jetzt der | |
Verkehrsversuch mit nur noch einem läuft. | |
„Die Koalition aus Grünen, SPD, Linkspartei und Volt hat viele Maßnahmen | |
für die Verkehrswende sehr konsequent durchgeführt“, betont Volker | |
Kronenberg, Professor am Institut für Politikwissenschaft der Bonner. „Das | |
hat in der Stadt einerseits Zustimmung gefunden“ – schließlich hätten die | |
Parteien Wahlversprechen gehalten und damit bei Bürger:innen gepunktet | |
-, „aber auch zu starkem Unmut geführt“. Die Verkehrspolitik habe | |
polarisiert, CDU und Grüne seien in der letzten Legislatur weiter | |
auseinander gerückt. Das könnte das Regieren in der nächsten Amtszeit | |
erschweren, schätzt Kronenberg. | |
„Eine Verkehrswende ist keine Sache für eine einzige Legislaturperiode“, | |
sagt Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität am | |
Wuppertal Institut. Viele Maßnahmen brauchen Zeit, oft würden Parteien | |
abgewählt, bevor sich positive Effekte zeigen. „Wer gut durchdachte Politik | |
für die Verkehrswende macht, deren Vorteile für die Bürger:innen | |
sichtbar sind, kann aber auch bei Wahlen dafür belohnt werden.“ | |
Wie es in Bonn ausgeht? Das entscheidet sich bei den Stichwahlen um die | |
Rathäuser in rund zwei Wochen. | |
15 Sep 2025 | |
## AUTOREN | |
Nanja Boenisch | |
Tobias Schulze | |
Andreas Wyputta | |
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