# taz.de -- Neue Verfassungsrichter:innen: Linke stellt ihren Abgeordneten Wahl… | |
> Die Linke stellt ihren Bundestagsabgeordneten frei, ob sie für die drei | |
> Kandidat:innen stimmen. Die Oppositionspartei steht vor einem | |
> Dilemma. | |
Bild: Von der CDU ignoriert: FraktionschefInnen Heidi Reichinnek, Jan van Aken … | |
Sie hat lange beraten, doch nun steht fest: An der Linkspartei wird die | |
Wahl von drei neuen Mitgliedern für das oberste deutsche Gericht am | |
Donnerstag im Bundestag nicht scheitern – trotz der Gesprächsverweigerung | |
der Union. „Das Bundesverfassungsgericht ist eine wichtige demokratische | |
Institution, die nicht beschädigt werden darf“, begründete Heidi Reichinnek | |
die am Montagnachmittag getroffene Entscheidung der Linksfraktion, die von | |
der rot-schwarzen Koalition vorgeschlagenen Kandidat:innen nicht | |
geschlossen abzulehnen. | |
Sie hätte sich darauf verständigt, dass die 64 Linken-Abgeordneten „jeweils | |
für sich entscheiden, wie sie sich bei der Wahl verhalten“, teilte | |
Reichinnek mit. Im Klartext bedeutet das: Sowohl die beiden [1][von der SPD | |
ins Rennen geschickten Kandidatinnen Ann-Katrin Kaufhold und Sigrid | |
Emmenegger] als auch der von der Union nominierte Günter Spinner können | |
damit rechnen, ausreichend Stimmen aus der Linksfraktion zu erhalten, um | |
mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit gewählt zu werden. Die Grünen, | |
deren Stimmen ebenfalls erforderlich sind, hatten bereits ihre Zustimmung | |
signalisiert. | |
Im Bundestag verfügen CDU, CSU und SPD über 328 Abgeordnete. Für die Wahl | |
der Richter:innen des Bundesverfassungsgerichts bedarf es einer | |
einfachen Zweidrittelmehrheit. Falls alle 630 Abgeordneten mitstimmen, | |
wären das also 420. Auch gemeinsam mit den Grünen kommt die Koalition | |
allerdings nur auf 413 Stimmen. | |
Die Linkspartei hat sich schwer getan mit ihrer Haltung zu der | |
Richter:innenwahl. „Ohne Gespräch keine Wahl, das ist ganz einfach“, hatte | |
der Linken-Co-Chef Jan van Aken noch Anfang Juli vor dem ersten Anlauf | |
öffentlich in Richtung Union verkündet. Linken-Bundestagsvizepräsident Bodo | |
Ramelow bekundete hingegen schon seinerzeit: „Ich werde alle drei | |
Kandidaten und Kandidatinnen wählen, auch den CDU-Kandidaten Spinner.“ | |
Daraus wurde jedoch bekanntlich erst mal nichts, weil die Wahl aufgrund der | |
Widerstände in der Union gegen die damalige SPD-Kandidatin Frauke | |
Brosius-Gersdorf abgesetzt werden musste. | |
Unter Verweis auf ihren Unvereinbarkeitsbeschluss hat sich an der Ablehnung | |
der Union, Gespräche mit der Linken über die Richter:innenwahl zu | |
führen, seitdem nichts geändert. Stattdessen beschränken sich CDU und CSU | |
einerseits darauf, an die „staatspolitische Verantwortung der Linken“ zu | |
appelieren – während man sie andererseits, wie Unionsfraktionschef Jens | |
Spahn noch am Sonntag in der Sendung „Caren Miosga“, als | |
„radikalpopulistisch“ beschimpft. „Worum es nicht gehen kann und wird, ist | |
eine Form der Zusammenarbeit, weil die Linke eine Partei ist, in der es | |
extreme Gruppierungen gibt und die ein anderes System will, Sozialismus“, | |
sagte Spahn. | |
Die schroffe Haltung der Union hat der Linkspartei ein Dilemma beschert. | |
Soll sie deswegen aus Prinzip zumindest gegen den CDU-Kandidaten Spinner | |
stimmen, obwohl es gegen ihn als Person keine grundsätzlichen Einwände | |
gibt? Das würde riskieren, dass der derzeitige Vorsitzende Richter am | |
Bundesarbeitsgericht entweder nicht gewählt würde oder nur dank der Stimmen | |
der AfD ins Amt käme, was ihn und seine Funktion massiv beschädigen würde. | |
Aber kann die Linksfraktion Spinner deshalb einfach mitwählen und damit | |
dafür sorgen, dass das selbstherrliche Kalkül der Union aufgeht? | |
Darüber wurde in den vergangenen Wochen heftig hinter den Kulissen | |
diskutiert. „Das Rumgeeier und die Verantwortungslosigkeit der Union wurden | |
von uns immer wieder neu bewertet“, formuliert es die Parteivorsitzende | |
Ines Schwerdtner diplomatisch. „Sowohl in der Parteiführung als auch in der | |
Fraktion haben wir uns dazu regelmäßig ausgetauscht.“ | |
Tatsächlich war die Parteispitze um Schwerdtner und van Aken für eine harte | |
Haltung. So fasste der geschäftsführende Vorstand in diesem Monat den | |
Beschluss, die Bundestagsfraktion solle gegen Spinner stimmen, wenn die | |
Union ihre Position nicht revidiert. Damit stieß er jedoch auf Widerstand | |
in der Fraktion. Am Montag gab der Vorstand klein bei. „Dass unsere | |
Abgeordneten frei entscheiden, haben wir gemeinsam beschlossen“, sagte | |
Schwerdtner am Dienstag der taz über den gesichtswahrenden Kompromiss. „Wir | |
sind gemeinsam der Ansicht, dass wir nicht tatenlos zusehen werden, wie die | |
Union das Gericht zur Bühne ihrer Kulturkämpfe und machtpolitischen Spiele | |
macht.“ | |
Am Dienstag lehnten die Linken gemeinsam mit den anderen demokratischen | |
Bundestagsfraktionen den Antrag der AfD ab, die | |
Verfassungsricher:innenwahl von der Tagesordnung am Donnerstag | |
abzusetzen. Die Wahl der höchsten Richter des Staates in einer | |
Haushaltswoche unterzuschieben, gehöre sich nicht, hatte ihn der | |
Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion Bernd Baumann begründet. | |
Worum es ihm eigentlich ging, konnte er sich nicht verkneifen | |
nachzuschieben, obwohl es in der Geschäftsordnungsdebatte explizit nicht um | |
Personen gehen sollte: „Wer Unternehmen verstaatlichen, Klimapolitik | |
erzwingen und die AfD verbieten will, darf niemals Verfassungsrichter | |
werden.“ Das zielte auf die SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold, die seit | |
Monaten unter Rechtsaußenbeschuss steht. | |
In seltener Geschlossenheit hielten CDU, CSU, SPD, Grüne und Linke dagegen. | |
Der AfD ginge es nur darum parlamentarische Prozesse zu blockieren, den | |
Bundestag als handlungsunfähig vorzuführen und die „Axt an den Rechtsstaat | |
zu legen“, lasen sie ihr unisono die Leviten. „Wir wollen definitiv, dass | |
die Wahl zum Bundesverfassungsgericht in dieser Woche stattfindet“, sagte | |
auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Ina | |
Latendorf. Deshalb stimme man der Tagesordnung zu – „auch wenn niemand mit | |
uns geredet hat“. | |
23 Sep 2025 | |
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[1] /Streit-um-Verfassungsgerichtsbesetzung/!6098652 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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