# taz.de -- Teure Verkehrswege: Vollsperrung für Autobahnpläne | |
> Bauprojekte des Bundes für Schnellstraßen im Norden sind gestoppt, weil | |
> das Geld dafür fehlt. Der Bundesrechnungshof fordert Sanierung vor | |
> Neubau. | |
Bild: Wird von den Anwohnern nicht goutiert: Aufsteller gegen die A26 Ost | |
Hamburg taz | Der Aus- und Neubau von Autobahnen in Norddeutschland liegt | |
vorerst auf Eis. Wie das Bundesverkehrsministerium bestätigte, beträgt das | |
Defizit für Bundesstraßen und Autobahnen für den Zeitraum von 2026 bis | |
2029 rund 15 Milliarden Euro. Ob Projekte finanzierbar seien, hänge vom | |
Bundeshaushalt 2026 ab, der gerade noch beraten werde. | |
Verbreitet hatte die Nachricht der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete | |
Christoph Ploß, den verschiedene Zeitungen mit den Worten zitieren: „Es ist | |
dem Norden nicht zu vermitteln, dass so wichtige Neubauprojekte wie A20, | |
A26 und A39 gestrichen werden sollen, obwohl diese teilweise sogar Baureife | |
haben.“ | |
Hintergrund ist der neue [1][„Finanzierungs- und Realisierungsplan“ | |
2025–2029, mit dem die Autobahn GmbH] des Bundes darlegt, wie sie die vom | |
Bundesverkehrsministerium als notwendig erachteten Projekte umsetzen will. | |
Das Papier ging an den Verkehrsausschuss des Bundestags. | |
## Selbst angesetztes Modernisierungsziel verfehlt | |
Konkret geht es um 74 Projekte zum Aus- und Neubau von Autobahnen, für die | |
bis 2029 „bestandskräftiges Baurecht“ erwartet wird. Die Projekte sind | |
derzeit in einem unterschiedlichen Stadium, von einem „Vorentwurf in | |
Aufstellung“ über „in der Planfeststellung“ bis zu „planfestgestellt�… | |
[2][Bereits im April hatte der Bundesrechnungshof gewarnt], dass das | |
Bundesverkehrsministerium schon an der reinen Erhaltung des Verkehrsnetzes | |
zu scheitern drohe. Namentlich werde es sein Ziel verfehlen, bis 2032 die | |
wichtigsten Autobahnbrücken sanieren zu lassen. „Weiterer Verfall und | |
Brückensperrungen sind vorprogrammiert“, schreibt die Behörde. Das | |
Ministerium unterschätze den Modernisierungsbedarf und überschätze das | |
Leistungsvermögen der Autobahngesellschaft des Bundes, die für Planung, Bau | |
und Betrieb der Autobahnen zuständig ist. | |
Die Autobahngesellschaft werde aufgrund ihrer Personalknappheit selbst ihr | |
eigenes, niedriger angesetztes Modernisierungsziel verfehlen. „Die | |
Brückensanierung ist derzeit die vordringlichste Aufgabe der Autobahn GmbH | |
für die Straßenverkehrsinfrastruktur“, heißt es in dem Bericht. | |
## Konzentration auf wichtigste Brücken | |
Es sei sogar nötig, sich erst mal auf die wichtigsten Brücken zu | |
konzentrieren. „Der Gesetzgeber könnte dies durch eine Umverteilung der | |
Haushaltsmittel zugunsten der Erhaltung und eine [3][Zweckbindung für die | |
Brückensanierung unterstützen“, schlägt der Rechnungshof vor]. | |
Mit Blick auf den neuen Realisierungsplan erinnerte der CDU-Abgeordnete | |
Ploß an das Versprechen beim Beschluss des Sondervermögens, dass Geld | |
zusätzlich in die Infrastruktur fließen werde. „Ich fühle mich als | |
Bundestagsabgeordneter diesem Versprechen aus voller Überzeugung | |
verpflichtet“, teilte er mit. „Die aktuelle Planung kann ich daher nicht | |
akzeptieren – sie muss dringend parlamentarisch korrigiert werden.“ | |
Allerdings begründet die Bundesregierung diese Verschuldung außer der Reihe | |
mit kaputten Straßen und maroden Brücken statt mit Neubauten. „Da die | |
Investitionen im letzten Jahrzehnt gering ausgefallen sind, muss | |
Deutschland nun aufholen“, [4][teilt die Bundesregierung zum | |
Sondervermögen] mit. | |
## Politiker pochen auf ihre Neubauprojekte | |
Die Verkehrspolitiker aller Couleur hält das nicht davon ab, auf ihre | |
Neubauprojekte zu pochen. Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik | |
Tonne (SPD) sagte: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und alle | |
Planungen so weit gebracht, dass losgelegt werden kann.“ Es sei absolut | |
nicht vermittelbar, dass wir über zusätzliche Milliardenbeträge für unsere | |
Verkehrsinfrastruktur sprechen – und dann gehe es wieder nicht weiter. | |
Auch Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) verwies darauf, dass mit | |
dem Geld die Infrastruktur „ausgebaut und saniert“ werden solle. Dafür | |
setze er sich ein. „Es ist jetzt an der Bundesregierung, den Bürgerinnen | |
und Bürgern zu erklären, warum das Geld nicht in vollem Umfang bei den so | |
dringend nötigen Infrastrukturmaßnahmen ankommt“, sagt Tjarks. | |
Und die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer erkennt eine Benachteiligung | |
Schleswig-Holsteins: Mit der Streichung von drängenden verkehrsbezogenen | |
Vorhaben in Schleswig-Holstein – von der Umgehung Geesthacht über die A20 | |
bis zur Marschbahn würden „bundesweit die Prioritäten falsch gesetzt“. | |
## Nutzen einiger Projekte ist fraglich | |
Dabei ist der Nutzen einiger dieser Projekte durchaus fraglich. Nach einem | |
[5][Gutachten des Bundesumweltministeriums] ist das | |
Kosten-Nutzen-Verhältnis der A20, die in einem Bogen westlich um Hamburg | |
herumführen soll, und der A39 von Lüneburg nach Wolfsburg schlecht. Unter | |
der Annahme eines künftigen hohen CO2-Preises rutscht er bei der A39 sogar | |
ins Negative. | |
Bei der A26 Ost quer durch den Hamburger Süden warnen die Gutachter vor | |
Umweltschäden. Am 30. September verhandelt das Bundesverwaltungsgericht | |
eine [6][Klage der Umweltverbände Nabu und BUND gegen diese Autobahn.] | |
Deren Bau würde CO2-speichernde Moorböden und den Lebensraum geschützter | |
Tiere und Pflanzen zerstören. Im Übrigen werde die Piste nicht gebraucht, | |
weil der Hafen nicht so stark wachse wie erwartet. | |
In einer aktuellen Stellungnahme warnen die Verbände davor, dass die Kosten | |
für die fast zehn Kilometer lange A26 Ost – einschließlich eines großen | |
Brückenbauwerks – mit 2,4 Milliarden Euro voraussichtlich zu gering | |
angesetzt seien. Es fehle ein ausreichender Puffer. Für die [7][drei | |
Kilometer nördlich zu ersetzende, vierspurige Köhlbrandbrücke] kalkuliere | |
der Senat 5,3 Milliarden Euro. | |
Fazit der Umweltverbände: „Wer die Wettbewerbsfähigkeit Norddeutschlands | |
sichern will, darf keine Milliarden in überflüssige Umgehungsautobahnen | |
versenken, sondern muss dafür sorgen, dass bestehende Brücken, Straßen und | |
Bahntrassen leistungsfähig bleiben.“ | |
18 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmv.de/SharedDocs/DE/Artikel/StB/frp-irp.html?editorSupport=tru… | |
[2] /Falsche-Prioritaeten-beim-Strassenbau/!6109877 | |
[3] https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2025/bruecken… | |
[4] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/sondervermoegen-2356240 | |
[5] https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ivs/voeko/die-professur/news/veroeffentlic… | |
[6] /Verkehrsplanung-in-Hamburg/!6075270 | |
[7] /Abriss-der-Koehlbrandbruecke/!6001455 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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