# taz.de -- Bully Herbigs aktuelle Winnetou-Parodie: Relativ unlustig | |
> Keine Bananenschale kommt unbetreten davon: Der Film „Kanu des Manitu“ | |
> erinnert an Wirtschaftswunderhumor und an wohlfeil-staubige Komödien. | |
Bild: Spielt in seiner Komödie „Das Kanu des Manitu“ auch die Hauptrolle: … | |
Ein des Deutschen mächtiger Franzose aus meinem Bekanntenkreis begann seine | |
Sätze zuweilen mit: „Das ist relativ lustig…“ und kam erst nach dieser | |
Einführung mit dem Inhalt um die Ecke. Vermutlich wusste er, wie wenig | |
Humor ihm und seinen Landsleuten zugestanden wird, und wollte darum sowohl | |
den potentiellen Witzgehalt seiner Aussage stärken als auch dem Publikum | |
die Möglichkeit geben, das Kichern dennoch zu unterlassen. „Relativ lustig“ | |
ist eben nicht „absolut lustig“. | |
Aber was bedeutet schon „absolut lustig“. Dass „Das Kanu des Manitu“, d… | |
zweite Teil von [1][Bully Herbigs] Winnetou-Parodie, auch drei Wochen nach | |
Start auf dem ersten Platz der deutschen Kinocharts steht, ist ein Hinweis | |
darauf, wie relativ Humor ist. | |
Der erstaunlich langsame Film mit seinen redundanten, tendenziell | |
abgenutzten Sprachwitzen (Bayerisch sprechender Apache! Haha! Sächselnder | |
Cowboy! Hahaha!! Nein-Doch-Oh-Franzosen!! Hahahaha!!!) erinnert an | |
Wirtschaftswunderhumor, an wohlfeil-staubige Komödien, in denen alte Männer | |
am Telefon nur Bahnhof verstehen, sich Menschen andauernd und folgenreich | |
verwechseln und keine Bananenschale unbetreten davonkommt. | |
Lustig im Sinne von wohlig scheint hier vor allem die Erinnerung an damals | |
empfunden zu werden, als das Parodieren eines „edlen Wilden“ neu und man | |
selbst darüber hinaus zwanzig Jahre jünger und dementsprechend alberner | |
war. | |
## Chaotischer Slapstick-Slalom | |
Der ebenfalls von Herbig inszenierte [2][„Der Schuh des Manitu“] hatte sich | |
2001 bereits erfolgreich über die Karl-May-Filmadaptionen aus den 60ern | |
lustig gemacht und die von Harald Reinl vor mächtiger Naturkulisse und | |
ebensolchem Soundtrack inszenierte blutsbrüderliche Heldengeschichte als | |
chaotischen Slapstick-Slalom dargestellt. | |
Gemäß dem Motto, dass Parodien oft die tiefe Verbundenheit zum Sujet | |
zugrunde liegt, hatte Herbig damals zwar die steife Form des | |
60er-Jahre-Filmemachens kritisiert, nicht aber den von Karl Mays | |
kolonialismusverharmlosender Haltung bestimmten Inhalt. | |
Und dass der Regisseur dabei unter dem Siegel der Parodie vor allem bei der | |
Darstellung des schwulen Häuptling-Bruders „Winnetouch“ jedes Klischee | |
ausnutzte, das nicht bei Drei auf dem Baum war, und weder vor Blackfacing | |
noch vor Sexismus zurückscheute, störte niemanden: Mit über elf Millionen | |
Zuschauer:innen sitzt „Der Schuh“ auf Platz elf der deutschen Kinocharts | |
nach 1990. | |
## Originale Winetous nur noch an Ostern | |
In Bullys aktueller Parodie auf die Winnetou-und-Old-Shatterhand-Filme | |
spielen die ollen Kamellen eine noch unwichtigere Rolle. Was folgerichtig | |
ist: Die Originale werden eh nur noch an Ostern von den | |
öffentlich-rechtlich-fernsehguckenden Alten und ihren Enkel:innen | |
konsumiert. Für die Generationen Y und Z sind die Referenzen der erste | |
Bully-Film, nicht mehr Lex Barker und Pierre Brice. | |
„Das Kanu des Manitu“ versucht zwar, sowohl den Diskussionen um den | |
„Indianer“-Begriff als auch den Aneignungsvorwürfen den Wind aus den Segeln | |
zu nehmen, indem er „Abahachi“ (Herbig) sich bei einer ernsten | |
Gegenüberstellung mit einer Gruppe echter Indigener versöhnen lässt. Das | |
macht den Film aber weder relativ noch absolut lustig. | |
Dabei gab es bereits 1993, acht Jahre vor dem Manitu-Schuh, ein absolut und | |
relativ echt lustiges Beispiel für den Umgang mit dem sensiblen Thema: In | |
„The Addams Family Values“, dem zweiten Teil über die elegante, | |
schwarzliebende Horrorfamilie, werden [3][Addams-Tochter Wednesday] | |
(Cristina Ricci) und ihr Bruder in ein Sommercamp gezwungen. Dort herrschen | |
zum Entsetzen der Addams-Kinder Lächeln, Kameradschaft und Lollipopfarben. | |
Doch Wednesday rächt sich – nicht nur für ihre eigene Behandlung: Als sie | |
bei einer Thanksgiving-Aufführung als „Pocahontas“ auftritt, weicht sie vom | |
Text ab, beschuldigt die Siedler:innen (zu Recht) der Zerstörung ihres | |
Volks und der Natur und steckt deren Häuschen in Brand. Für ihre | |
Darstellung musste sie nicht mal die Frisur ändern: Zöpfe passen sowohl zu | |
indigenen Algonkin als auch zu morbiden Teenagern. | |
6 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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