# taz.de -- Aufrüstung und Klimaschutz: Aufrüsten, aber grün | |
> Gibt es umweltfreundliche Rüstung? Ja, sagen Experten. Klimastandards | |
> ließen sich auch auf die Bundeswehr ausweiten. Nur: Die Bundesregierung | |
> will das nicht. | |
Bild: Klimasünder Militär, müsste nicht sein, doch die Bundesregierung wills… | |
Stellen Sie sich vor, im Atlantik taucht plötzlich ein weiteres Österreich | |
auf. Oder sogar ein weiteres Spanien, mit den Fabriken, Autos, Heizungen | |
und Wäldern, die so dazugehören, aber vor allem: mit den entsprechenden | |
CO2-Emissionen. Das ist der Klimaschaden, den die Aufrüstung der | |
Nato-Staaten bewirken könnte, die USA ausgenommen. | |
Wenn jene tatsächlich wie vereinbart ihre Militärausgaben auf 3,5 Prozent | |
ihrer Wirtschaftsleistung erhöhen, steigt einer [1][Studie des Conflict and | |
Environment Observatory (Ceobs]) zufolge der CO2-Ausstoß dieser Staaten um | |
98 bis 218 Millionen Tonnen CO2 – etwa so viel, wie Österreich oder Spanien | |
derzeit ausstoßen. | |
Das muss nicht sein, meint man zumindest beim einflussreichen Brüsseler | |
Thinktank Bruegel: „Zwischen der Verteidigungs- und Klimaschutz-Agenda | |
besteht nicht überall ein Konflikt“, [2][schreiben dessen Forscher]. „Wir | |
können sichergehen, dass mit ein paar Tricks der Verteidigungssektor grüner | |
wird und gleichzeitig Energiesicherheit und grüne Industrien gestärkt | |
werden“, sagt Ökonom Simone Tagliapietra, einer der Autoren des Papiers. | |
Denn die Rüstungsindustrie könnte ein zentrales Problem der Transformation | |
der Industrie lösen: Stahl und Aluminium klimaneutral herzustellen ist zwar | |
unumgänglich auf dem Weg zur Klimaneutralität. Aber grüner Stahl und | |
Aluminium sind noch so teuer, dass ihr Einsatz unwirtschaftlich ist. Das | |
Gleiche gilt für E-Fuels, die klimaneutral aus Strom und Wasserstoff | |
hergestellt werden können und zum Beispiel in der Luftfahrt wichtig wären. | |
Für die Rüstungsindustrie seien die hohen Kosten aber nicht so wichtig, | |
sagt Tagliapietra. | |
## Grüner, teurer Stahl | |
„Wenn man ein Auto mit grünem Stahl baut, wird es 500 Euro teurer“, sagt | |
der Ökonom. Das sei ein erheblicher Unterschied für die meisten | |
Verbraucher*innen. Aber ein Leopard-Panzer kostet die Bundeswehr etwa 30 | |
Millionen Euro. „Mit grünem Stahl kostet ein Panzer vielleicht 5.000 oder | |
10.000 Euro mehr – aber das ist vielleicht ein Hundertstel des Preises.“ | |
Aufrüstung ist vor allem wegen der Vorprodukte und des Treibstoffs so | |
klimaschädlich. Wären die weniger schmutzig, wäre ein großes Problem | |
gelöst. Gleichzeitig würden sich die nötigen Investitionen in grüne | |
Technologien lohnen und neue Innovationen ermöglichen. Und das Beste: Autos | |
bestellen Privatleute. | |
Panzer bestellt der Staat. Wenn die Regierungen der EU-Mitglieder ihre | |
Regeln für die Beschaffung von Militärgerät klimafreundlich ausgestalten, | |
können sie „den Verteidigungssektor zu einem Leitmarkt für saubere Produkte | |
machen und so die Transformation der Industrie vorantreiben“, meint man bei | |
Bruegel. | |
Grüne Beschaffung ist der wichtigste der „Tricks“, mit denen Tagliapietra | |
den Klimaschaden der Aufrüstung begrenzen will. Aber wie das mit Tricks so | |
ist: Sie funktionieren am besten, wenn sich alle darauf einlassen. Und | |
danach sieht es nicht aus. | |
Baut in Deutschland die öffentliche Hand Schulen oder Büros, muss sie | |
Klimastandards einhalten. Das könnte man auch auf die Bundeswehr | |
ausweiten, die bisher von diesen Regeln ausgenommen ist. | |
Aber die Bundesregierung will das Gegenteil: Im Planungs- und | |
Beschaffungsbeschleunigungsgesetz, das Wirtschaftsministerin Katherina | |
Reiche (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgelegt | |
haben, werden jetzt auch noch die nichtmilitärischen Ausschreibungen von | |
den Klimaregeln ausgenommen, zum Beispiel für den zivilen Fuhrpark oder die | |
Instandhaltung von Bundeswehrgebäuden. | |
„Maßnahmen des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit können daher nur dort | |
greifen, wo sie im Einklang mit dem Auftrag der Streitkräfte stehen“, | |
erklärt eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Der Faktor Zeit sei | |
„aktuell von höchster Bedeutung“. | |
„Die aktuelle Situation könnte man als Chance dafür nutzen, um CO2-ärmere | |
Technologien zu entwickeln“, sagt Ellie Kinney von Ceobs. „Aber das geht | |
nicht ohne politischen Druck von oben.“ Deshalb seien die Hoffnungen von | |
Bruegel „sehr optimistisch“. Aktuell erfahre das Militär in Diskussionen um | |
Klima- und Umweltschutz eine Sonderbehandlung. | |
Die Streitkräfte sind sogar von den UN-Berichtspflichten für CO2-Emissionen | |
ausgenommen, obwohl sie Schätzungen zufolge für etwa 5,5 Prozent des | |
weltweiten Treibhausgasausstoßes verantwortlich sind. „Wenn man vorschlägt, | |
das Militär müsse die eigene Umweltverschmutzung reduzieren, wird man nicht | |
ernst genommen“, sagt Kinney. | |
Die fossile Lobby jedenfalls bringt sich bereits in Stellung, um die | |
Aufrüstung für ihre Zwecke zu nutzen. „Bei allem Respekt: Das letzte Mal, | |
als die europäische Demokratie ihre Verteidigung ernst nehmen musste, hat | |
Winston Churchill nicht versucht, Shell unter Druck zu setzen, um weniger | |
Kerosin an die Royal Air Force zu liefern und die Emissionen zu | |
verringern“, schreibt Laszlo Varro, Vizepräsident von Shell, [3][auf | |
LinkedIn]. „Ein Statement in Richtung ‚unser Radikalismus war exzessiv, | |
Regierungen müssen Kompromisse machen‘ von den Klima-Leuten wäre sehr zu | |
begrüßen.“ | |
30 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://ceobs.org/how-increasing-global-military-expenditure-threatens-sdg-… | |
[2] https://www.bruegel.org/analysis/defence-and-climate-seven-points-common-ag… | |
[3] https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7311267524715659265?up… | |
## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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