# taz.de -- „Grüner“ Stahl: Werke unter Druck aus China | |
> Ein chinesisches Unternehmen hat Stahl mit Erdgas und Wasserstoff | |
> gefertigt. Das setzt hiesige Hersteller unter Zugzwang. | |
Bild: Der chinesische Staatskonzern HBIS stellt hellgrünen Stahl her, unter an… | |
Berlin taz | China beginnt, Stahl nach Europa zu liefern, der mit | |
reduzierten Kohlendioxid-Emissionen hergestellt worden sein soll. Das | |
betreffende chinesische Unternehmen will damit den Importregeln der EU zum | |
Klimaschutz gerecht werden. | |
Gleichzeitig dürfte das Geschäft deutsche und europäische Stahlhersteller | |
unter Druck setzen, ihren Umbau zur klimaneutralen Produktion nicht zu | |
vernachlässigen. | |
10.000 Tonnen Stahl möchte das staatliche chinesische Unternehmen HBIS nun | |
nach Italien einführen, berichtete unter anderem der | |
Energie-Informationsdienst Fuel Cell Works. | |
Den Angaben zufolge wurde das Metall nicht im konventionellen | |
Hochofen-Verfahren mit Kokskohle hergestellt, bei dem große Mengen | |
klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) entstehen. Stattdessen habe HBIS eine | |
Direktreduktionsanlage genutzt, die Erdgas und Wasserstoff verwendet. | |
## Angaben der chinesischen Firma sind nicht eindeutig | |
Unklar ist den Berichten zufolge allerdings, welches genaue | |
Mischungsverhältnis aus fossilem Erdgas und Wasserstoff die chinesische | |
Firma wählte und wie viele Tonnen CO2 die Produktion des Wasserstoffs | |
verursachte. | |
Gleichwohl erklärte die chinesische Firma, bei der Fertigung des Stahls sei | |
nur die halbe CO2-Menge im Vergleich zur konventionellen Fertigung | |
angefallen. Dementsprechend werde das Geschäft von den EU-Importregeln | |
begünstigt. | |
Der Klima-Grenzausgleich der EU (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) | |
funktioniert grundsätzlich so: Für den bei der Fertigung von Stahl im | |
Ausland entstandenen CO2-Ausstoß müssen die Importeure EU-CO2-Zertifikate | |
kaufen. | |
Damit haben sie im Prinzip dieselben Kohlendioxid-Kosten zu tragen wie die | |
europäischen Stahlproduzenten, die ebenfalls Zertifikate nachweisen müssen. | |
## Erfolg des Klima-Grenzausgleichs der EU? | |
Stahl mit klimaschädlicher Kohle zu schmelzen, wird dadurch relativ teurer | |
im Verhältnis zur Fertigung mit klimaneutralem, mittels Ökostrom erzeugten | |
„grünen“ Wasserstoff. | |
Die EU brummt diese Kosten auch den Importeuren auf, damit nicht die | |
künftige einheimische klimaneutrale Fertigung durch billigere fossile | |
Importe verdrängt wird. Augenblicklich müssen sich Importeure nur | |
registrieren lassen. Verpflichtet, Zertifikate nachzuweisen, sind sie ab | |
2026. | |
Experten zufolge zeigt sich im HBIS-Geschäft die beabsichtigte Wirkung der | |
Kohlendioxid-Abgabe. „Dass in der EU eine Nachfrage nach emissionsreduziert | |
hergestelltem Stahl entsteht, motiviert natürlich auch ausländische | |
Hersteller, solche Produkte anzubieten“, sagt Tobias Aldenhoff von der | |
Wirtschaftsvereinigung Stahl, der hiesige Hersteller angehören. | |
Allerdings warnt er auch: „Es besteht die Gefahr, dass Produzenten in | |
Drittstaaten mit unlauteren Mitteln arbeiten und Stahl als,grün’ anbieten, | |
der den Kriterien nicht entspricht.“ | |
## China will auch selbst Stahl dekarbonisieren | |
Germany Trade & Invest (GTAI), die Wirtschaftsförderung der | |
Bundesregierung, ordnet das Stahlgeschäft in die chinesische | |
Wirtschaftspolitik ein. Das Land baue selbst ein Zertifikatesystem auf, um | |
den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Seit diesem Jahr falle unter | |
anderem auch die Stahlproduktion darunter. | |
„Dass China sein Emissionshandelssystem gerade durch diese Bereiche im März | |
2025 erstmals erweitert hat, dürfte darauf hinweisen, dass CBAM eine | |
gewisse Rolle spielt“, sagt Corinne Abele, die für GTAI in Shanghai den | |
chinesischen Markt beobachtet. „Allerdings verfolgt China auch von CBAM | |
unabhängige nationale Dekarbonisierungsziele.“ | |
Wenn nun emissionsreduzierter Stahl aus China kommt, kann das [1][deutschen | |
und europäischen Stahlerzeugern nicht egal sein]. Dass dafür weniger | |
Kohlendioxid-Zertifikate nachzuweisen sind, bedeutet einen zunehmenden | |
Kostenvorteil für klimafreundlichere Produkte. | |
Dieser Vorteil nimmt zu, weil die Zertifikate immer teurer werden. Das ist | |
ein Baustein der EU-Strategie, den Kohlendioxid-Ausstoß bis 2050 insgesamt | |
gen null zu drücken. | |
## Europäische Stahlwerke unter Druck | |
Wollen hiesige Hersteller im Vergleich zu den chinesischen Produzenten | |
konkurrenzfähig bleiben, sollten auch sie emissionsreduzierten Stahl | |
anbieten – wofür die EU und die Bundesregierung [2][politische und | |
finanzielle Unterstützung gewähren]. | |
„Die hiesige Stahlindustrie geht den Weg des Umbaus zur Klimaneutralität | |
entschlossen weiter“, betont die Wirtschaftsvereinigung. | |
Praktisch ruckelt es aber zum Teil. Das Unternehmen ArcelorMittal | |
verzichtete kürzlich auf 1,3 Milliarden Euro Subventionen für den Bau von | |
Direktreduktionsanlagen in Bremen und Eisenhüttenstadt. | |
Thyssenkrupp fordert, länger als bisher geplant kostenlose | |
Emissionszertifikate zu erhalten. Die Salzgitter AG allerdings treibt die | |
Bauarbeiten für eine Fertigungsstrecke voran, in der sie Stahl mit Erdgas | |
und Wasserstoff herstellen will. | |
Die teilweisen Probleme haben viel mit der wirtschaftlichen Stagnation und | |
den geringeren Einnahmen der Unternehmen zu tun. Hinzu kommen neuerdings | |
die Zölle von 50 Prozent [3][auf den Import von Stahl in die USA]. Auch das | |
kostet Umsatz und Gewinn. | |
7 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Klimafreundlicher-Umbau-der-Industrie/!6094439 | |
[2] /Gruener-Wasserstoff/!6095644 | |
[3] /FAQ-zum-Deal-zwischen-Trump-und-der-EU/!6101597 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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