| # taz.de -- Gentrifizierung in Berlin: Wer regiert den Kiez? | |
| > Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg drückt der Senat immer mehr Projekte | |
| > gegen den Bezirk durch. Anwohner protestieren vor der Berliner | |
| > SPD-Zentrale. | |
| Bild: Vor dem Kurt-Schumacher-Haus in Wedding demonstrieren Menschen gegen die … | |
| Berlin taz | Wer entscheidet, bevor in Friedrichshain-Kreuzberg für | |
| Investorenprojekte die Bagger anrollen? Ob es um ein geplantes Hotel am | |
| Ostkreuz geht, um das Büro- und Gewerbebauvorhaben „Urbane Mitte“ am | |
| Gleisdreieckpark oder ein Hochhaus am U-Bahnhof Warschauer Straße: Immer | |
| häufiger macht die SPD-geführte Stadtentwicklungsverwaltung Tabula rasa und | |
| entzieht dem eigentlich zuständigen Bezirk die Planungshoheit. | |
| „Hier wird so viel an den Bewohnern vorbei entwickelt“, sagt Timo Steinke | |
| von der Friedrichshainer Nachbarschaftsinitiative „Wem gehört das | |
| Laskerkiez“. Das gehe so nicht weiter. Vor zwei Jahren machte ein | |
| Post-Späti dicht, berichtet Steinke. Es sei einer der letzten Orte gewesen, | |
| an dem sich der Kiez noch treffen konnte. Doch statt mit öffentlichen | |
| Mitteln eine Art Ersatz zu fördern, wie Steinke fordert, rollt der | |
| schwarz-rote Senat Investoren den roten Teppich aus. | |
| Zusammen mit rund 30 Mitstreitern demonstrierte Steinke deshalb am | |
| Donnerstagabend vor der SPD-Landesgeschäftsstelle in Wedding gegen die | |
| Politik von Bausenator Christian Gaebler. Aufgerufen hatte das Bündnis | |
| „Berlin gegen Gentrifizierung“. Steinke sagt: „Wenn der Senat über die | |
| Köpfe des Bezirks hinweg plant, dann kommen wir dahin, wo entschieden wird. | |
| Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unser Kiez für Renditeprojekte | |
| ausverkauft wird.“ | |
| Das Bündnis fürchtet: All die gegen den Willen des Bezirks durchgedrückten | |
| Bauprojekte treiben die ohnehin schon hohen Mieten in | |
| Friedrichshain-Kreuzberg noch weiter in die Höhe. Und der SPD-Genosse | |
| Christian Gaebler stehe auf der Seite der Eigentümer und Investoren, nicht | |
| auf der Seite der Anwohner. | |
| ## Senatsverwaltung sieht sich im Recht | |
| Bei der mit dem Protest in Wedding eigentlich adressierten Senatsverwaltung | |
| für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im fernen Wilmersdorf perlen die | |
| Vorwürfe ab. Das [1][Hotelprojekt am Ostkreuz, direkt neben dem linken Club | |
| About Blank], etwa hätte der Bezirk nicht ablehnen dürfen, auch nicht wegen | |
| befürchteter Lärmkonflikte mit dem Club, teilt Gaeblers Sprecher Martin | |
| Pallgen auf taz-Anfrage mit. Das Vorhaben des Investors sei rechtskonform. | |
| Außerdem sei der verpflichtet, selbst seine Gäste vor dem Lärm zu schützen. | |
| Auch mit Blick auf [2][den geplanten Wohn- und Büroturm am U-Bahnhof | |
| Warschauer Straße] wiegelt Pallgen ab. Bei dem betreffenden Grundstück an | |
| der Rudolfstraße steckten Senat und Bezirk seit knapp 30 Jahren im | |
| Bebauungsplanverfahren fest. Nun wolle der Senat hier endlich zügig neue | |
| Wohnungen schaffen. Und das geht, so die Argumentation, eben nur ohne die | |
| Bremser im Grünen-dominierten Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg. | |
| Ob der neue Wohnraum auch bezahlbar sein wird, steht auf einem anderen | |
| Blatt. „Wir halten die Pläne für falsch“, sagt dann auch Julian Schwarze, | |
| der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im | |
| Abgeordnetenhaus. Im Kiez zwischen der Warschauer Straße und dem Ostkreuz, | |
| Spree und Stadtbahn gebe es kein Bedarf für ein weiteres Hochhaus. Was es | |
| stattdessen brauche, seien Räume für Kulturschaffende und bezahlbaren | |
| Wohnraum. | |
| Einem Bericht des Tagesspiegels zufolge soll der Investor des | |
| 140-Meter-Turms in den Verhandlungen mit der SPD-geführten Senatsverwaltung | |
| ausgerechnet den ehemaligen SPD-Stadtentwicklungssenator Peter Strieder als | |
| Berater in die Spur geschickt haben. „Wir haben viele Fragezeichen, was da | |
| im Gespräch gelaufen ist“, sagt Schwarze zur taz. Der Senat bestreitet, | |
| dass es zu einem Interessenkonflikt gekommen sei. | |
| ## Es hängt am Abgeordnetenhaus | |
| Erst einmal ist die Messe jedenfalls gesungen. Friedrichshain-Kreuzberg | |
| kann die Zuständigkeit nicht wieder einklagen. Bis der Bebauungsplan steht, | |
| können berlintypisch allerdings ohnehin noch Jahre vergehen. Jahre, in | |
| denen sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus ändern | |
| können. Denn das muss dem Plan letztlich auch seinen Segen geben. Im | |
| September 2026 wählt Berlin ein neues Landesparlament. „Dann wäre | |
| vielleicht so ein Bebauungsplan ohne Mehrheit“, sagt Grünen-Politiker | |
| Schwarze. | |
| Nun sind auch nicht alle in der SPD hellauf überzeugt von dem Projekt. | |
| Mathias Schulz etwa, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der | |
| SPD-Fraktion und [3][Vize-Landeschef der Berliner SPD vom | |
| mieterfreundlichen linken Parteiflügel], will eine Zustimmung im | |
| Abgeordnetenhaus davon abhängig machen, was genau am U-Bahnhof Warschauer | |
| Straße entstehen soll. Er sagt zur taz: „Wir brauchen vor allem Wohnungen | |
| in der Stadt.“ Und damit meine er insbesondere sozialen Wohnraum. | |
| Aktuell geistert ein Rohentwurf um, den weder Senat noch beauftragte | |
| Architekten kommentieren wollen. Demnach soll an der Rudolfstraße 50.000 | |
| Quadratmeter Wohnraum entstehen, von dem immerhin die Hälfte auf sozialen | |
| Wohnungsbau inklusive studentischem Wohnen entfallen solle. Weitere 33.000 | |
| Quadratmeter seien für Büros, 10.000 für Hotelnutzung und 5.000 für | |
| „soziokulturelles Gewerbe“ vorgesehen. | |
| „Die genauen städtebaulichen Kennwerte stehen noch nicht fest“, heißt es | |
| zugleich aus Gaeblers Senatsverwaltung. Das geschehe aber in den kommenden | |
| Monaten. | |
| 15 Aug 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Moritz Tübbecke | |
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