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# taz.de -- Bauprojekt „Urbane Mitte“: Die Türme bleiben noch am Boden
> Beim Vorhaben Urbane Mitte Süd hängt es: Die SPD hat Probleme mit dem
> Bebauungsplan. Scheitern könnte die Klage der Investorin gegen einen
> Kritiker.
Bild: Noch ist hier alles flach. Die Hochhäuser der „Urbanen Mitte Süd“ s…
Berlin taz | Das Bauvorhaben [1][„Urbane Mitte“ am Rand des
Gleisdreieck-Parks ist seit Jahren umkämpft]. Sieben bis zu 90 Meter hohe
Bürotürme sollen hier gebaut werden. Ginge es nach dem Senat, sollten
zumindest die Pläne für den südlichen Teil des Baufelds längst final
genehmigt sein. Doch Teile der SPD-Fraktion hadern damit, dass die
bisherige Planung kein Wohnen vorsieht. Gibt es hier keine Einigkeit, gibt
es auch erst einmal kein Baurecht. Gleichzeitig überzieht die Investorin
des Projekts Kritiker:innen mit Unterlassungsklagen. Zumindest hier ist
eine erste Entscheidung bald absehbar.
Das Bauvorhaben hat eine langjährige Vorgeschichte: Die Planungen gehen auf
einen sogenannten städtebaulichen Rahmenvertrag zurück, der 2005 zwischen
dem Land, dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und einem Tochterunternehmen
der Deutschen Bahn geschlossen wurde. Basierend auf diesen Zielen wurde
nach einem städtebaulichen Wettbewerb 2015 ein Entwurf ausgewählt, der den
Bau von sieben Hochhäusern vorsieht. Besitzerin des Baufelds ist seit 2020
die luxemburgische Fondgesellschaft Urbane Mitte Besitz S.A.R.L.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, bei dem die Planungshoheit für das
Projekt lag, äußerte 2023 Zweifel an dem Vorhaben. Vor allem die Bereiche
Nachhaltigkeit und Wohnraum sollten noch einmal besprochen werden. Im
Januar 2024 forderte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV), die Pläne
noch einmal „neu zu denken“. Dazu kam es jedoch nicht mehr: Kurz darauf
entzog der Senat dem Bezirk die Planungshoheit für den südlichen, in diesem
Jahr dann auch für den nördlichen Bereich.
Im Sommer 2025 dann beschloss der Senat zur Freude der
[2][Projektentwickler] den [3][Bebauungsplan] für den südlichen Teil. Hier
sollen zunächst zwei der sieben Hochhäuser gebaut werden – eines 25 Meter,
das andere 49 Meter hoch. Insgesamt 23.750 m² Geschossfläche für Büro-,
sonstige Gewerbe- und Freizeitnutzungen sollen entstehen.
## Kritik am Bebauungsplan
Die bisher geäußerte Kritik am Bauvorhaben betrachtet der Senat als
ungerechtfertigt. Er argumentiert, dass man 2005 vertragliche Pflichten
eingegangen sei, die jetzt zu erfüllen seien. Einer der entscheidenden
Punkte bei der Diskussion um die Bebauung ist ein im städtebaulichen
Rahmenvertrag festgelegter Ausgleichsmechanismus. Der besagt, dass die
Investorin Anrecht auf Entschädigung hat, sollten die festgelegten
Bebauungsziele nicht erreicht werden.
Zwei Gutachten widersprechen dem allerdings. Beide kommen zu dem Schluss,
dass der Entschädigungsmechanismus nicht mit dem Baurecht vereinbar sei.
Eines der Gutachten wurde von der Bürger:inneninitiative
Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck und den Naturfreunden Berlin in Auftrag
gegeben, das zweite erstellte der Rechtsanwalt Jörg Beckmann für die BVV.
Anders als von den Bezirksverordneten in der Vergangenheit befürchtet
wurde, bedeutet eine Veränderung der Pläne demnach nicht, dass eine
Entschädigung geleistet werden müsste.
Das bestärkt die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck in ihrer Forderung, das
Baufeld noch einmal komplett neu zu planen. Sie kritisiert seit Jahren,
dass sich das Bauvorhaben nicht nach den Bedürfnissen der Bevölkerung
richte. Stattdessen würden einzig die Wünsche der Investoren
berücksichtigt.
Als Mitglied der Gruppe informiert der Anwohner Matthias Bauer auf seinem
[4][Blog] detailliert, warum die Bürger:inneninitative das
Vorhaben ablehnt. Kritisiert werden negative Auswirkungen auf Klima-,
Natur-, Arten- und Denkmalschutz sowie mögliche Bodenspekulationen. Derzeit
klagt die Investorin Urbane Mitte Besitz gegen Bauer und die Initiative auf
Unterlassung.
Die Verhandlung gegen Bauer fand Mitte Oktober vor dem Landgericht statt.
Konkret geht es um einen Blog-Beitrag aus dem September 2024: Dort wird ein
Flugblatt zusammengefasst, das mehrere Kritikpunkte am Bauvorhaben
aufzählt. Außerdem beanstandet wird ein im Blog wiedergegebenes Zitat aus
dem Gutachten von Anwalt Beckmann. Es legt nahe, dass die Urbane Mitte
Besitz angekündigt habe, besagten Ausgleichsmechanismus anwenden zu wollen.
## Nicht die erste Unterlassungsklage
Es ist nicht das erste Mal, dass die Investorin gegen dieses Zitat vorgeht.
Auch gegen Jörg Beckmann bemüht sie eine Unterlassungsklage. „Dass auf
Grundlage des Äußerungsrechts gegen mich vorgegangen wird, habe ich auch
noch nicht erlebt“, sagt Beckmann der taz. Bereits drei Verfahren in diesem
Fall seien zu seinen Gunsten entschieden worden. Doch das Unternehmen ist
ausdauernd: Laut Beckmann steht Anfang kommenden Jahres ein viertes
Verfahren an. Dazu äußern wollte sich die Urbane Mitte Besitz auf
taz-Anfrage nicht.
Sie wird wohl auch im Fall Bauer eine Niederlage einstecken müssen: Die
Richterin führte im Prozess aus, dass sie den betreffenden Blogpost
größtenteils von der Meinungsfreiheit gedeckt sieht. Das Urteil soll am
Freitag bekanntgegeben werden. Der Anwalt des Unternehmens hat bereits
angekündigt, im Falle einer Niederlage Berufung vor dem Kammergericht
einzulegen.
Für Bauer bedeutete schon das aktuelle Verfahren viel Stress: „Der Prozess
hat mich Zeit und Nerven gekostet“, sagt er der taz. Zudem kommt der
Prozess für die Aktivist:innen zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt.
Eigentlich wollen sie ihre Kräfte gerade darauf bündeln, die Fraktionen im
Abgeordnetenhaus doch noch von ihrer Kritik am Bauprojekt zu überzeugen,
praktisch im allerletzten Moment. Mit mehreren von ihnen haben sie sich in
letzter Zeit getroffen.
## Die SPD hadert
Unter anderem ist die Initiative beim stellvertretenden
SPD-Landesvorsitzenden Mathias Schulz vorstellig geworden. Schulz ist
Sprecher der SPD-Fraktion für Stadtentwicklung und sitzt im entsprechenden
Fachausschuss. Den müssen die Bebauungspläne für die Urbane Mitte Süd
passieren, bevor das Parlament final darüber entscheiden kann. Dass das
Projekt dort noch gar nicht auf der Tagesordnung gelandet ist, liegt an den
Bauchschmerzen der SPD.
„Großes Unbehagen“ verspüre man, weil dauerhaftes Wohnen nicht Teil des
Bebauungsplans sei, sagt Schulz der taz. Aktuell diskutiere man über
Möglichkeiten, doch noch Wohnraum in der Urbanen Mitte zu schaffen. Die
bisherige Argumentation des Senats und der Projektentwickler, dass das
unter anderem wegen der Lärmbelastung im Bebauungsgebiet gar nicht möglich
sei, hält Schulz nicht für ausreichend.
Gerade bei diesem Aspekt könnte sich bald etwas ändern: Anfang Oktober
kommt der von der Bundesregierung beschlossene „Bau-Turbo“. Das Gesetz
ermöglicht Wohnungsbau bei ausreichender Begründung auch in einem über dem
bisher zulässigen Lärmniveau liegenden Bereich. Wie genau sich das auf die
Urbane Mitte auswirkt, ist bisher unklar.
## Mehrere Szenarien denkbar
Grundsätzlich sind nun mehrere Szenarien denkbar: Zum einen könnte der
Beschluss des Bebauungsplans mit Auflagen verbunden werden und zum Beispiel
den Bau von Wohnungen im nördlichen Teil der Urbanen Mitte zur Bedingung
machen. Falls die Abgeordneten dagegen zu dem Schluss kommen, dass die
Pläne eine tiefgreifendere Überarbeitung brauchen, müsste der Senat noch
einmal ran. Dann zöge sich der ganze Prozess weiter in die Länge.
Ein Sprecher der Projektentwicklerin Periskop Development GmbH, die im
Auftrag der Urbane Mitte Besitz handelt, geht nicht davon aus, dass die
Bebauungspläne abgelehnt werden können. Entsprechend gab er der taz auch
keine Auskunft darüber, was eine zeitliche Streckung der Planung für das
Unternehmen bedeuten würde. Im Raum standen mögliche Liquiditätsprobleme,
[5][über die zunächst der Tagesspiegel] berichtete. Das beruhe auf falschen
Annahmen, so der Sprecher.
Bis sich Fraktion und Senat geeinigt haben, geht es mit dem Bebauungsplan
Urbane Mitte Süd erst einmal nicht weiter. Auch auf der Tagesordnung der
kommenden Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 10. November steht
der Punkt bisher nicht.
Die Forderungen der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck hat sich Mathias
Schulz angehört. Den Wunsch nach kompletter Neuplanung hält er nicht für
ausreichend durchdacht. „Gar nicht bauen kann auch nicht die Lösung sein“,
sagt er. Das Vorgehen der Investorin gegen Bauer und die Initiative
verurteilt er jedoch deutlich: „Wer Projekte dieser Größe plant, muss auch
zivilgesellschaftlichen Widerstand aushalten können.“
23 Oct 2025
## LINKS
[1] /Umstrittene-Buerotuerme-in-Kreuzberg/!6097725
[2] https://www.periskop.ag/news/senat-von-berlin-beschliesst-bebauungsplan-urb…
[3] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen/vorgang/d19-2571.pdf
[4] https://gleisdreieck-blog.de/author/matthi/
[5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/hochhauser-im-berlin…
## AUTOREN
Clara Dünkler
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