# taz.de -- Austritt aus der UN-Kulturorganisation: Dem internationalen Konzept… | |
> Die USA verlassen zum dritten Mal die Unesco. Doch es ist nur ein Symptom | |
> der Zahnlosigkeit der Vereinten Nationen. | |
Bild: Eine weitere UN- Institution, die um ihre Reputation kämpfen müsste: de… | |
Es war nur eine kleine Meldung. Und sie ging im Gewirr der umfassenden | |
täglichen Schrecklichkeiten unter. Und dennoch ist sie symptomatisch: | |
[1][Die USA kündigten ihren Austritt aus der Unesco] an. Sie verlassen die | |
UN-Kulturorganisation nunmehr schon zum dritten Mal – und zum zweiten Mal | |
unter Donald Trump. | |
Erhellend dabei ist die diesmalige Begründung: Die Unesco verfolge eine | |
globalistische, ideologische Agenda. Deshalb sei eine US-Mitgliedschaft | |
nicht im nationalen Interesse der USA. Dieses Argument ist punktgenau. | |
Es ist die Ablehnung des zentralen Moments aller UN-Institutionen – des | |
gemeinsamen internationalen Interesses. Und Trump ist damit nicht alleine: | |
Die israelische Regierung steht ihm dabei treu zur Seite. Nicht nur hat | |
Israel mit den USA den UN-Menschenrechtsrat verlassen. Israel – das seine | |
Gründung der Empfehlung einer UN-Sonderkommission verdankt – hat schon | |
lange ein schwer belastetes Verhältnis zu den Vereinten Nationen. | |
So wurde UNO-Generalsekretär Guterres zur unerwünschten Person erklärt. Das | |
UN-Hilfswerk UNRWA steht unter Verdacht und wurde verboten. Kritik von der | |
UNO wird von Israel generell als parteiisch, tendenziös, voreingenommen, | |
feindselig betrachtet. Das Völkerrecht aber, das Kriege zivilisieren soll, | |
wird gezielt ausgehöhlt – wie derzeit mit einer willkürlichen Hungersnot in | |
Gaza. | |
## Die Sicherung des Weltfriedens wird untergraben | |
Die heutigen Autokraten eint eines: Sie tragen gemeinsam – jeder auf seine | |
Art – dazu bei, das Konzept der internationalen Organisationen, die | |
Sicherung des Weltfriedens, zu untergraben. Dieses Konzept wird nicht nur | |
infrage gestellt. Es ist nicht nur wirkungslos wie nie. Es droht vielmehr | |
tatsächlich dessen Niedergang. Es droht gänzlich zu scheitern. | |
Man kann sich derzeit kaum mehr vorstellen, welche Hoffnungen nach dem | |
Zweiten Weltkrieg mit der Vorstellung eines weltweiten Staatenbundes | |
verbunden waren. Grundlage für einen solchen war Kants Begriff des „ewigen | |
Friedens“. Dieses Konzept beeinflusste ganz wesentlich die Charta der | |
Vereinten Nationen, also deren Verfassung. Was [2][Kant im Blick hatte], | |
war ein „den Krieg abwehrender Bund“. | |
Dieser sollte keine Weltregierung sein, aber ein „globaler Rechtszustand, | |
der die Völker vereinigt und den Krieg abschafft“, wie [3][Jürgen Habermas] | |
schreibt. Diese Idee habe in den Institutionen der Vereinten Nationen | |
Gestalt gewonnen. Beide Momente sind hier relevant: Frieden als ein zu | |
stiftender Rechtszustand – gegen die gesetzlosen Verhältnisse der Willkür. | |
Und ein Staatenbund, der auf Dauer gestellt wird, eine permanente | |
Einrichtung. | |
Ein zentrales Problem von Kants Konzept ist noch heute das Problem der | |
[4][UNO]: Eine solche Allianz bedarf einer moralischen Bindung der Staaten. | |
Diese müssen sich zur Gemeinsamkeit verpflichtet fühlen. Es dies eine | |
moralische, keine rechtliche Verpflichtung. Dies gilt auch für den | |
Internationalen Gerichtshof in Den Haag: Er hat nur eine symbolische | |
Bedeutung. | |
## Dem Staatenbund fehlen die Sanktionsinstrumente | |
Ohne Machtbasis verfügt der Staatenbund über keine Sanktionsinstrumente. | |
Seine einzige „Waffe“ ist der Appell an die Weltmeinung: öffentlicher Druck | |
durch Berichte zu Menschenrechtsverletzungen, durch Beschwerden. Sowie die | |
Kodifizierung von Begriffen – etwa „Genozid“. | |
Diese beiden Momente – die Selbstverpflichtung und die rein symbolische | |
Wirksamkeit – waren immer schon heikel. Anders gesagt: Es ist nicht das | |
erste Mal, dass die UNO-Charta missachtet wird. Korea, Vietnam, | |
Afghanistan, Irak – so viele Verstöße. | |
Und dennoch ist die Situation heute anders. Denn heute schwindet nicht nur | |
die realpolitische Bedeutung der UNO. Heute erodiert auch das Konzept, das | |
Ideal, die Idee einer solchen globalen Friedensordnung. | |
Die Vereinten Nationen erweisen sich nicht nur als zahnlos. Wie so oft. All | |
die autoritären Machtfantasien und Realitäten höhlen auch das Einzige aus, | |
was sie noch haben: ihre moralische Wirksamkeit. Anders gesagt: Derzeit | |
wird auch noch die symbolische Autorität einer solchen Staatengemeinschaft | |
untergraben. Und damit die Vorstellung, die Möglichkeit, der Horizont, ja | |
selbst die Utopie eines „ewigen Friedens“. | |
Die Autorin ist Publizistin in Wien. | |
26 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Isolde Charim | |
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