| # taz.de -- Museen in den USA unter Druck: Ein neuer Kontinent für Gottes Reich | |
| > Was steckt hinter Trumps Vorstoß, US-Museen von einem unabhängigen Denken | |
| > zu säubern? Vielleicht mehr als nur sein MAGA-faschistisches | |
| > Geschichtsbild. | |
| Bild: Die Anlage der Hauptstadt ist unverkennbar imperial: hier das Washington … | |
| Als George Washington 1790 einen Flecken Land an der Grenze zwischen | |
| Maryland und Virginia zum Ort der zukünftigen Bundeshauptstadt erkor, | |
| hatten die USA noch keine offen expansionistischen Ambitionen. Im | |
| Gegenteil, die junge Republik war noch sehr mit sich selbst beschäftigt. | |
| Heute ist die Anlage der Hauptstadt jedoch unverkennbar imperial. Die | |
| National Mall, die große Agora im Zentrum des Regierungsbezirks, wird | |
| umringt von neoklassizistischen Regierungsgebäuden. | |
| Über allem strahlt die Rotunde des Kapitols, des ersten Präsidenten des | |
| Landes wird mit einem Obelisken gedacht. Dem Autor der | |
| Unabhängigkeitserklärung, Thomas Jefferson, ist ebenso ein dem Pantheon | |
| nachempfundenes Mausoleum gewidmet wie auch dem Einiger der Nation, Abraham | |
| Lincoln. | |
| Die Längsseiten der Mall werden derweil von einem Ensemble an Museen | |
| gesäumt, deren expliziter [1][Auftrag es ist, nationale Identität zu | |
| stiften]: der National Portrait Gallery, dem Museum für amerikanische | |
| Kunst, dem Museum für amerikanische Geschichte, dem Luft- und | |
| Raumfahrtmuseum und dem Renwick-Museum für Bildhauerei. | |
| ## Die Sache mit der nationalen Identität | |
| Weil die Sache mit der nationalen Identität in den USA in den vergangenen | |
| Jahrzehnten etwas komplizierter geworden ist, haben sich diese Museen, | |
| geführt von der mit Bundesmitteln finanzierten Smithsonian-Stiftung, | |
| ebenfalls merklich gewandelt. Es gibt nun auch ein Museum für | |
| afroamerikanische Kultur und Geschichte und ein Frauenmuseum. Unter Joe | |
| Biden wurde sogar ein Museum für das lateinamerikanische Erbe der USA | |
| angedacht. Und im Museum für amerikanische Kunst fand jüngst eine | |
| Ausstellung über Macht und Rassismus statt. | |
| Das alles ist Donald Trump ein Dorn im Auge, insbesondere direkt vor seiner | |
| Haustür. Und so möchte er vor den großen Feierlichkeiten zum 250. | |
| Geburtstag des Landes im kommenden Jahr in der Smithsonian-Stiftung genauso | |
| aufräumen wie auf den angeblich von Verbrechen verseuchten Straßen der | |
| Hauptstadt. | |
| Dazu wurde sein Vize J. D. Vance, der qua Amt im Vorstand der | |
| Smithsonian-Stiftung sitzt, damit beauftragt, alle Projekte der mehr als 50 | |
| Museen, Forschungseinrichtungen und Bibliotheken des Smithsonian auf | |
| Gesinnungsreinheit zu überprüfen. Das Smithsonian wurde aufgefordert, alle | |
| Unterlagen zu laufenden und geplanten Ausstellungen und Projekten innerhalb | |
| von 30 Tagen offenzulegen. | |
| Die Stiftung, so hieß es in Trumps Exekutivanordnung, solle fortan | |
| ausschließlich „Kinder stolz machen“ und „amerikanische Größe“ | |
| demonstrieren. „Spaltende und parteiische“ Narrative sollen verschwinden, | |
| der amerikanischen Geschichtsschreibung solle wieder „Vernunft und | |
| Wahrheit“ eingehaucht werden. | |
| ## Den Kulturkrieg für sich entscheiden | |
| Der Eingriff in die kuratorischen Entscheidungen staatlicher | |
| Kunstinstitutionen ist nicht überraschend. Trump hat mit seiner Übernahme | |
| des Kennedy-Centers und der Besetzung dessen Vorstands mit Loyalisten | |
| bereits deutlich gemacht, wie wichtig es ihm ist, einen Begriff davon zu | |
| diktieren, was amerikanische Kunst ist und was nicht. Trump nutzt die ihm | |
| zur Verfügung stehenden Machtinstrumente dazu, den [2][amerikanischen | |
| Kulturkrieg, der mindestens seit den 60er Jahren tobt], ein für alle Mal, | |
| wie er hofft, für sich und die ihn unterstützenden reaktionären Kräfte | |
| des Landes zu entscheiden. | |
| Dabei drängen sich unweigerlich die Parallelen zu faschistischen Regimen | |
| auf. Es geht um das Reinigen der nationalen Kunst von Entartetem. Das hat | |
| in den USA wie in Nazideutschland deutlich rassistische Untertöne. Die | |
| avantgardistische Moderne der 20er Jahre war im nationalsozialistischen | |
| Duktus eine „Verjudung“ der Kunst. | |
| Der Kampf um Inklusion in der amerikanischen Kultur kompliziert das | |
| Narrativ einer Nation, die schon immer Vorbild der Menschheit gewesen sein | |
| will. Es ist das Narrativ des „amerikanischen Exzeptionalismus“, wie Trump | |
| selbst in seiner Anordnung zur Säuberung des Smithsonian schreibt. | |
| So [3][wie Mussolini das alte Rom aufpoliert hat,] um sein Regime als | |
| direkte Nachfolgerin des Römischen Reichs zu positionieren, möchte Trump | |
| zum 250. Geburtstag der USA eine gradlinige, nicht beschmutzte Geschichte | |
| der USA präsentieren und somit das Gewissen der Nation und das eigene | |
| erleichtern. Die Kunst soll aufhören, derartige Narrative zu hinterfragen, | |
| sich mit dem Zeitgeschehen kritisch auseinanderzusetzen, und stattdessen | |
| Amerikas Größe ein Denkmal setzen. | |
| ## Makellose Erfolgsgeschichte | |
| Trump möchte zum Jubiläum einen intakten nationalen Mythos präsentieren, | |
| den Mythos von Amerika als makelloser Erfolgsgeschichte. Der Soziologe | |
| Robert Bellah hat diesen Mythos in den 70er Jahren als „Zivilreligion“ | |
| beschrieben. Amerika war für ihn strukturell eine Glaubensfrage. | |
| Der Gründungsmythos Amerikas geht laut Bellah auf die Verwirklichung einer | |
| religiösen Utopie durch die Puritaner zurück, der Errichtung des Reichs | |
| Gottes auf einem neuen Kontinent, der die Befreiung von europäischer Last | |
| und somit eine Tabula rasa versprach. | |
| Diese religiöse Struktur des nationalen Mythos floss laut Bellah in die | |
| Gründung der Republik ein. Hier, in einer neuen Welt, sollte die | |
| vollständige Verwirklichung der Ideale der Aufklärung gelingen. In jedem | |
| Fall wäre Amerika die Avantgarde der Menschheit. Amerika würde vormachen, | |
| wie man ein besseres Gemeinwesen, eine bessere Welt schaffen kann. | |
| Dass das Projekt Amerika von Anfang an von seiner eigenen | |
| Unvollkommenheit infiziert war, setzt sich in der Geschichtsschreibung erst | |
| in den letzten 50 Jahren durch. Noch 2018 sorgte das Buch [4][„These | |
| Truths“ von Jill Lepore] für Aufregung, weil sie die amerikanische | |
| Geschichte als Geschichte der Ausgrenzung vom amerikanischen Traum und des | |
| Kampfs um Inklusion neu schrieb. | |
| Die publizistische Reihe „The 1619 Project“ der New York Times, das die | |
| Ankunft der ersten afroamerikanischen Sklaven zum Beginn der amerikanischen | |
| Geschichte erklärt und die Sklaverei in den Mittelpunkt der Entstehung der | |
| Nation stellt, wurde von konservativen Kritikern mit blutrünstiger Vehemenz | |
| zerrissen. | |
| ## Ungewisse Zukunft | |
| Vor diesem Hintergrund wird klar, was MAGA – „Make America Great Again“ �… | |
| eigentlich meint. Es ist nicht etwa die Rückkehr zu einem Amerika, das es | |
| nie gab, sondern zu einem nationalen Mythos, der unkompliziert und | |
| unbelastet von Unterdrückung und Gewalt ist. Und diesen Mythos möchte Trump | |
| zum 250. Jubiläum mit seinem Kampf gegen „Wokeness“ und Inklusion wieder in | |
| Kraft sehen. | |
| Nun wird es gewiss spannend zu beobachten, ob die verschiedenen | |
| Institutionen des Smithsonian und ihr Vorstand sich Trumps | |
| Gleichschaltungsanstrengungen beugen oder ob sie ihrem Auftrag weiterhin | |
| nachzugehen versuchen, eine komplexere Geschichte von Amerika zu erzählen. | |
| Beinahe noch besorgniserregender ist jedoch die Frage, wie sich andere | |
| Kunstinstitutionen verhalten, die auch von Bundesmitteln abhängen. [5][Mit | |
| der Attacke auf das Smithsonian] hat die Trump-Regierung, ebenso wie mit | |
| der Attacke auf Eliteuniversitäten, klargemacht, dass sie dazu bereit ist, | |
| auf allen Ebenen den Kulturkampf mit harten Bandagen zu führen. | |
| Einige Beobachter glauben unterdessen, dass es um noch mehr geht, als | |
| Kultur- und Bildungseinrichtungen schlicht gleichzuschalten. So sagt der | |
| New Yorker Buchautor und Experte für Kunst und Technologie Mike Pepi: „Ich | |
| glaube, es geht darum, insgesamt das Vertrauen in Institutionen wie das | |
| Smithsonian zu zerstören.“ | |
| Pepi sieht den Krieg gegen das Smithsonian im Zusammenhang eines breiteren | |
| Kriegs der Regierung gegen Institutionen überhaupt. „Es ist das Ziel der | |
| mit der Technologiebranche verwobenen Regierung, alle Institutionen zu | |
| zerschlagen, um sie dann in bastardisierter Form auf Plattformen und | |
| mithilfe von KI virtuell neu zu erfinden.“ Fragen zu Geschichte und | |
| Politik würden in dieser Dystopie nicht mehr an Museen und Universitäten | |
| gestellt, sondern an ChatGPT. Und die Antworten wären praktisch ohne | |
| politischen Widerstand manipulierbar. | |
| 18 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Trumps-umstrittenes-Architektur-Dekret/!6071014 | |
| [2] /James-Baldwin/!6079444 | |
| [3] /Historiker-ueber-neue-Rom-Begeisterung/!6068956 | |
| [4] /Buch-ueber-die-Geschichte-der-USA/!5652422 | |
| [5] /Trumps-will-Kontrolle-ueber-Museen/!6103129 | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Moll | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| USA | |
| Kulturkampf | |
| Museen | |
| Reden wir darüber | |
| Ausstellung | |
| Knapp überm Boulevard | |
| Kulturkampf | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| Nation of Islam | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ausstellung „Global Fascisms“ in Berlin: Der Schlaf des inneren Wachmanns | |
| Was ist Faschismus heute? Mit guter Kunst aber theoretisch konfus umkreist | |
| eine Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt diese Frage. | |
| Austritt aus der UN-Kulturorganisation: Dem internationalen Konzept droht das g… | |
| Die USA verlassen zum dritten Mal die Unesco. Doch es ist nur ein Symptom | |
| der Zahnlosigkeit der Vereinten Nationen. | |
| Kultur und Kampf: Wenn der Kare deine Sandburg kaputtmacht | |
| Das kann der Kare, weil er stärker ist und einen reichen Papa hat. Das ist | |
| Kulturkampf. Den man aber nur so nennt, wenn man damit Politik machen will. | |
| Kürzung im öffentlichen US-Rundfunk: Trump dreht Lokalsendern den Geldhahn ab | |
| Die Republikaner streichen in den USA die Mittel für die Rundfunkbehörde | |
| CPB. Statt „linkem Journalismus“ setzt Trump eher auf ländliche | |
| Radiosender. | |
| Malcom X. 100. Geburtstag: Mit allen notwendigen Mitteln | |
| Malcolm X verkörperte die radikale Seite des Kampfes gegen Rassismus. Was | |
| hätte er erreichen können, wäre er nicht jung ermordet worden? | |
| Rechter Blogger Curtis Yarvin: Der dunkle Königsmacher | |
| US-Präsident Donald Trump betreibt mit Elon Musk den Umbau der Demokratie | |
| der USA zur Techno-Monarchie. Einer ihrer Vordenker: der rechte Blogger | |
| Curtis Yarvin. |