| # taz.de -- Trumps umstrittenes Architektur-Dekret: Zurück ins Altertum | |
| > Donald Trump entschied per Dekret, dass öffentliche US-Bauten | |
| > klassizistisch aussehen sollen. Das passt so gar nicht zum Stil, in dem | |
| > sonst im Land gebaut wird. | |
| Bild: Mitarbeiter des Secret Service bei der Einweihung des Smithsonian's Natio… | |
| Wenn Donald Trump vom Balkon des Weißen Hauses auf die National Mall | |
| schaut, den langgezogenen Bürgerpark im Zentrum des Washingtoner | |
| Regierungsviertels, bleibt sein Blick zur Linken unweigerlich am Museum für | |
| afroamerikanische Geschichte hängen. | |
| Das kantige Gebäude, erbaut nach einem Entwurf des ghanaisch-britischen | |
| Stararchitekten David Adjaye gemeinsam mit den US-Architekturbüros The | |
| Freelon Group und David Brody Bond Aedas, hat Barack Obama noch 2016 | |
| eingeweiht. Es wird in Fachkreisen als überaus gelungen betrachtet. | |
| Die ornamentale Bronzefassade mit ihren subtilen multikulturellen | |
| Anspielungen erweckt den Eindruck, als hätte man hier mehrere gekappte | |
| Pyramiden übereinandergestapelt, was als treffliche Repräsentation des | |
| komplizierten Ranges gesehen wird, den die afroamerikanische Geschichte und | |
| Kultur heute in den USA einnehmen. | |
| Donald Trump dürfte der Bau hingegen ein täglicher Dorn im Auge sein. Wenn | |
| es nach einem seiner zahllosen Dekrete der vergangenen Wochen geht, dann | |
| wird so etwas in Zukunft nicht mehr gebaut. Mit Bundesmitteln finanzierte | |
| Bauten, so hat Trump verfügt, haben sich ab sofort an „regionale, | |
| traditionelle und klassische architektonische Traditionen zu halten“. | |
| ## Herrenhäuser im alten US-Süden | |
| Dazu gehören neoklassizistische und georgiansche Architektur sowie der | |
| „Federal Style“ der Herrenhäuser des alten Südens. Jugendstil und Art Dé… | |
| werden gerade so noch toleriert. Modernistische Architektur, gar eine | |
| brutalistische oder zeitgenössische, findet Trump hingegen „uninspirierend | |
| und schlicht hässlich“. | |
| Die Verordnung ist die Neuauflage eines Dekrets, das er während seiner | |
| ersten Amtszeit schon einmal erlassen hatte und das Joe Biden dann | |
| revidierte. Darin hieß es seinerzeit, dass die Gründerväter George | |
| Washington und Thomas Jefferson die wichtigsten Regierungsbauten in | |
| Washington bewusst an die klassische Architektur von Athen und Rom | |
| angelehnt hätten, um die Republik visuell mit den antiken Demokratien zu | |
| verbinden. | |
| ## Eher imperial als demokratisch | |
| In Wirklichkeit erscheint die Mall in der US-Bundeshauptstadt mit ihrer | |
| langen grünen Tangente, die in der Kuppel des Kapitols auf einer Anhöhe | |
| mündet, aus heutiger Sicht eher imperial als demokratisch. Nicht nur das | |
| Weiße Haus und das Kapitol mit ihren klassizistischen Säulen und Bögen, | |
| sondern auch die Denkmäler für Washington, Jefferson und Lincoln stellen | |
| eher die Macht der Regierung in den Mittelpunkt als die der Bürger. Der | |
| Eindruck wird massiv durch das erst 2014 eingeweihte Denkmal für den | |
| Zweiten Weltkrieg verstärkt, dessen steinerne Säulen und goldene Adler | |
| einige Kritiker an die NS-Architektur von Albert Speer erinnerten. | |
| So etwas wie das afroamerikanische Museum, dessen erdig-bronzene Hülle | |
| weniger strahlt als Strahlen schluckt und Besucher:Innen eher | |
| nachdenklich zurücklässt, stört natürlich dieses glorreiche Bild. Zudem | |
| verwässert es mit [1][David Adjayes gestalterischen Anklängen an die | |
| westafrikanische Kultur] der Yarube das Narrativ der Vereinigten Staaten | |
| als Haupterben der westlichen Zivilisation, die vermeintlich ihren | |
| alleinigen Ursprung in Athen und Rom hatte. | |
| Eben das ist jedoch das Narrativ, dessen Reinheit Trump mit seinem | |
| Architekturdekret wiederherzustellen sucht: Amerika als dezidiert westliche | |
| und zugleich vormoderne Kultur. Die internationale Moderne der | |
| Nachkriegszeit, etwa in Form des UNO-Hauptquartiers in New York, die durch | |
| Rationalität und Transparenz Demokratie sowie Weltoffenheit ausdrücken | |
| wollte, wird ausradiert. Ebenso [2][der Brutalismus, dessen Formensprache | |
| ab den 1960er Jahren] zahlreiche öffentliche US-Gebäude prägte: [3][Man | |
| denke etwa an das riesige Bostoner Rathaus] von Michael McKinnell und | |
| Gerhard Kallmann mit seiner aufgetreppten Betonstruktur. | |
| Oder gar zeitgenössische Entwürfe wie das Federal Building in San Francisco | |
| von der Gruppe Morphosis, mit seiner geschwungenen Fassade aus Edelstahl, | |
| das als das energieeffizienteste Verwaltungsgebäude der USA gilt. Zu allem | |
| Überfluss war das Gebäude ursprünglich nach der einstigen Sprecherin des | |
| Repräsentantenhauses Nancy Pelosi von den Demokraten benannt, eine der | |
| Lieblings-Hassfiguren Trumps. | |
| ## Offene Linien beim Grenzübergang | |
| Ganz besonders missfallen dürfte dem 78-jährigen Trump der neue Entwurf für | |
| den stark frequentierten Grenzübergang nach Mexiko zwischen Brownsville und | |
| Matamoros. Dessen Architektur möchte Offenheit und Gemeinsamkeit der | |
| Kulturen auf beiden Seiten des Rio Grande betonen. Die bereits bewilligten | |
| 264 Millionen US-Dollar für den Bau werden ganz gewiss unter die Lupe von | |
| Trumps Sparkommissar Musk kommen. | |
| Derlei Bauten sind in Trumps Universum Produkte der gleichen urbanen | |
| Eliten, denen er Perversionen wie Genderwahn und Förderprogramme für | |
| Minderheiten vorwirft. Wie allerdings [4][der Rückgriff auf Klassizismus] | |
| und Neoklassizismus zu Trumps Programm des Populismus passt, ist eher | |
| fraglich. Schon seit der Renaissance werden klassisch-antike Formen für die | |
| Repräsentation von Macht verwendet. Nicht zuletzt die Tatsache, dass | |
| sämtliche Eliteuniversitäten der USA klassizistisch gestaltet sind, macht | |
| den Stil zum offensichtlichen Symbol der Exklusivität. Trumps Gedanken zu | |
| diesem Dekret dürften weitaus simpler und auch verwirrter sein. | |
| Die Formulierungen für das Edikt wurden ihm von der einflussreichen | |
| National Civic Arts Society eingeflüstert, einer konservativen | |
| Interessengruppe, welche die Klassik zur einzig wahren US-Formensprache | |
| erheben will. Ihr Direktor Justin Shubow ist Redakteur der neokonservativen | |
| Zeitschrift Commentary und hat Trump für seinen Wahlkampf reichlich Geld | |
| gespendet. In seinem Programm scheint ganz unverhohlen eine tiefe Abneigung | |
| gegenüber moderner oder avantgardistischer Formensprache durch. Die Civil | |
| Arts Society und Trump sprechen gar von einer „entarteten Architektur.“ | |
| ## International Style – verkitscht | |
| Dass Bauherr Donald Trump mit dem Trump Tower und dem Trump International | |
| Hotel durchaus moderne New Yorker Wolkenkratzer verantwortete, erscheint da | |
| erst einmal widersprüchlich. Wenn man die Bauten mit ihren Vergoldungen | |
| oder den bronzen glänzenden Fenstern genauer anschaut, liegt jedoch schnell | |
| die Vermutung nahe, dass Trump den rationalen Geist des International Style | |
| nie wirklich begriffen hat. Vielmehr hat er ihn schlicht verkitscht. Genau | |
| so, wie er jetzt die amerikanische Nationalarchitektur verkitschen möchte. | |
| Der New Yorker Architekt Jeremy Edminston sieht in dieser Haltung einen | |
| Willen, historisch zu sein, ohne wirklich historisch zu sein. Über alle | |
| US-Verwaltungsgebäude eine klassizistische Patina zu legen, sei nicht mehr, | |
| als der Versuch, ein vages Gefühl der Wiederkehr einer guten alten Zeit zu | |
| erzeugen. Insofern passt das Dekret bestens zu Trumps Motto „Make America | |
| Great Again“, wobei vollkommen unklar bleibt, auf welche Epoche sich dieses | |
| „Again“ eigentlich beziehen soll. Es spiegelt nicht mehr als die Sehnsucht | |
| nach einer idealisierten Vergangenheit wieder, die es so nie gab. Eine | |
| Sehnsucht, die Trump meisterhaft politisch instrumentalisiert. | |
| Demokratisches öffentliches Bauen geht derweil anders. „Gute Architektur | |
| ist grundsätzlich maßgeschneidert“, sagt Edminston. Das bedeute, dass | |
| öffentliche Gebäude den lokalen Gegebenheiten, dem kulturellen Kontext und | |
| den Bedürfnissen der Nutzung entsprechen sollen. „Über all diese Faktoren | |
| einen einheitlichen Stil legen zu wollen, ist vollkommener Unsinn.“ Die | |
| Politik, glaubt Edminston, sollte deshalb auf die Architekten hören und | |
| nicht umgekehrt. Und die Architekten sollten gründlich auf die Menschen | |
| hören, für die sie bauen. | |
| Tröstlich an der Sache ist lediglich, dass das Dekret am Ende wohl | |
| weitgehend folgenlos bleibt. Es mag Projekte geben, die auf Eis gelegt | |
| werden, aber der Bau einer Botschaft etwa dauert von der Ausschreibung bis | |
| zur Fertigstellung rund zehn Jahre. Und bis dahin weht – hoffentlich – in | |
| Washington wieder ein anderer politischer Wind. | |
| 6 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sebastian Moll | |
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