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# taz.de -- Kultur und Kampf: Wenn der Kare deine Sandburg kaputtmacht
> Das kann der Kare, weil er stärker ist und einen reichen Papa hat. Das
> ist Kulturkampf. Den man aber nur so nennt, wenn man damit Politik machen
> will.
Bild: Einen Kulturkampf nennt man bloß Kulturkampf, wenn man damit Politik mac…
Also, wenn Sie mich fragen täten, dann ist es mit der Kultur so, dass erst
einmal jeder Mensch eine Kultur hat. Ganz egal, ob es ein Menschenfresser
ist oder ein Atomphysiker oder ein Atomphysiker, der vor lauter Atom wieder
ein Menschenfresser geworden ist. Dass einer eine Kultur hat, das gehört
halt zur Natur des Menschen. Weil, man kann ja nicht immer nur arbeiten und
essen und schlafen und alles.
Aber auf der anderen Seite ist Kultur auch eine Sache, [1][die man anderen
wegnehmen oder kaputtmachen kann]. Das kennt man schon aus dem Sandkasten.
Da baut man eine tolle Burg, und dann kommt der Kare und macht sie einem
kaputt. Weil, der Kare ist stärker und außerdem hat er einen Vater, der wo
einen Mercedes SUV fährt und wichtige Freunde im Stadtrat hat. Dagegen
kommt man nicht an.
Kultur muss man nicht nur wollen, sondern man muss sie auch wollen können.
Und zwischen dem Müssen, dem Wollen, dem Können und dem Dürfen – ach, das
ist ein ganz schönes Durcheinander. Also ist Kultur ein Aushalten von
Durcheinander, und das ist natürlich überall auch wieder anders. Und dann
kommt der Kare und sagt: Pass auf, wenn du mir deine Pokemonsticker gibst,
dann mach ich deine Sandburg nicht mehr kaputt. Und jetzt glaubt man, dass
man seine Ruhe hat, und da baut man eine Sandburg, die noch schöner und
raffinierter ist als alle zuvor. Und da kommt der Kare wieder daher und
sagt, dass er jetzt die Burg doch wieder kaputt machen tät’, wenn er nicht
noch mehr Pokemonsticker kriegt. Und wenn die Burg nicht mehr so raffiniert
wär’, dass er nicht weiß, wie es geht. Aber weil du gar keine
Pokemonsticker mehr hast, musst du dein Taschengeld hergeben.
Wenn das so weiter geht, macht das Sandburgenbauen gar keinen Spaß mehr.
Weil so viel Taschengeld, wie der Kare von dir haben will, kriegst du dein
Leben gar nicht. Und außerdem kannst du sowieso machen, was du willst – am
Ende macht der Kare deine Kultur sowieso kaputt. Dann malt man halt ein
Bild in den Sand, das geht schneller, Aber da sagt der Kare, dass Bilder in
den Sand machen, schwul ist. Und Schwule, hat sein Papa gesagt, gehören
nicht auf einen Spielplatz. So hat man überhaupt keine Kultur mehr machen
können im Sandkasten. Da sollte man so einen doch verjagen, sagt der Kare,
weil es nicht gesund ist. Und überhaupt ist sein Papa auch im
Bezirksausschuss und alles. Und wo ich überhaupt herkommen täte. Und wenn
man dann lieber heimgeht, dann weiß man, was das ist, ein Kulturkampf.
Und so geht das dann im Leben weiter. Ein jeder Mensch hätte schon seine
Kultur, bloß dass ihn andere nicht lassen. Nur dass es jetzt eben politisch
ist. Der Kare hat früher die Sandburgen kaputt gemacht – jetzt ist er in
der CSU. Oder in der AfD. Bei der Kultur gibt’s da sowieso keinen großen
Unterschied. Und jetzt macht er halt Kultur und Politik.
Kultur und Politik – wie erklär’ ich das jetzt? Also es ist ja so: Wenn Sie
tausend Kinder verhungern lassen, oder sie an einer Grenze umbringen, weil
das illegale Einwanderer sind, oder wenn sie ihnen einfach keine Medizin
und keine Schulen geben, dann ist das Politik, und das muss halt so sein.
Wenn jetzt aber eine Frau gar nicht will, dass ein Kind überhaupt geboren
wird, dann ist das Kultur, und das geht gar nicht. Weil Kultur, das sind
wir, und Politik, das ist das, was man gegen die anderen macht.
## Und wenn jetzt ein Flüchtling kommt …
Und wenn jetzt [2][ein Flüchtling kommt und sagt: Grüß Gott, ich tät’ gern
bei euch wohnen] und arbeiten und alles, dann ist es Politik, dass man den
davon jagt. Weil erstens Sozialsystemdings und zweitens kommen sonst die
Nazis. Aber die kommen sowieso, also egal. Aber da sagt man, nein, das ist
Kultur, wegen der Kopftücher und Deutsch-sprechen und Messer und Leitkultur
und alles. Kultur ist einfach besser als Politik. Weil, mit Kultur kannst
du eine Drecksau sein, das macht dann nichts. Da kann ich dann Sandburgen
bauen, bis werweißwann, und die macht man kaputt, weil es halt keine
Leitkultur nicht ist.
Oder anderes Beispiel. Was jetzt der Kare ist, mit der Wirtschaft und der
Partei und seinem Geld und alles, das ist Politik, weil sonst geht es ja
mit Deutschland bergab. Aber wenn Sie jetzt hergehen und schreiben da so
ein Theaterstück oder einen Roman oder was da drüber, dann ist das
Nestbeschmutzung und ganz schlechte Kultur und muss verboten werden. Weil,
das will das deutsche Volk nicht. Und was das Volk will oder nicht, das
weiß der Kare ganz genau. Und er weiß auch genau, warum er einen
Kulturkampf macht, das hat er schon als Kind gewusst. Und als Kind hat er
auch schon gewusst, dass er nachher von nichts was gewusst haben wird.
Weil, für die einen ist Kultur das, was man wissen kann, und für die
anderen das, wie man was vergessen kann.
Kultur haben ist deswegen erst einmal gefährlich. Eine Sandburg kannst du
ja vielleicht woanders noch einmal bauen, aber wenn sie dir erst einmal ein
Theater zugemacht haben oder wenn, nur zum Beispiel, [3][der Rundfunk]
sagt, jetzt machen wir keine Kultur mehr, sondern wir schauen, dass wir so
blöd sind wie halt die, die wo jetzt die Mehrheit sind, dann ist es vorbei.
Und da kannst du nur einen Menschenfresser beneiden, weil sie dem seine
Kultur nicht so leicht kaputtkriegen wie bei uns. Wenn ich nochmal auf die
Welt kommen tät’, das sag ich Ihnen, dann wär’ ich ein Menschenfresser.
Oder ein Atomphysiker. Aber das ist ja vielleicht dasselbe.
Wenn du deine Kultur machen willst, ganz Wurst, wie die ausschaut, dann
musst du darum kämpfen. Oder du musst besonders schlau sein, damit es die
anderen gar nicht so merken. Jedenfalls gibt es gar keine Kultur ohne einen
Kulturkampf. Bloß nennt man das halt nicht immer so. Einen Kulturkampf
nennt man bloß Kulturkampf, wenn man damit Politik machen will. Also den
anderen ihre Sandburgen kaputt. Und alles.
20 Aug 2025
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## AUTOREN
Georg Seeßlen
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