# taz.de -- Landtagswahl in Baden-Württemberg 2026: Der Schattenboxer | |
> Manuel Hagel, der CDU-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, will den | |
> Kulturkampf vermeiden. Unklar ist, ob ihn seine Anhänger lassen. | |
Bild: Manuel Hagel, CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württem… | |
Stuttgart/Karlsruhe taz | An der Bar verkündet ein Neonschriftzug: „Soup of | |
of the day: Vodka Redbull“. Gleich daneben steht auf einem Podium, korrekt | |
gescheitelt, in weißem aufgekrempelten Hemd und mit einem leutseligen | |
Lächeln Manuel Hagel, Spitzenkandidat der CDU im Südwesten. | |
Er hat sich an diesem Sommerabend Anfang August ausgerechnet einen | |
Hip-Hop-Club im Stuttgarter Zentrum für seinen Auftritt ausgesucht. Das | |
Publikum ist nicht gerade szenetypisch und im Schnitt mindestens 15 Jahre | |
älter als der Kandidat. Und deshalb beantwortet Hagel nun Fragen zur | |
Grundsteuer und dem Verbrenner-Aus und nicht zu Cannabis und der | |
Kulturpolitik des Landes. | |
Manuel Hagel, derzeit noch Fraktionschef der CDU im Landtag, ist auf | |
Sommertour. Er und sein Team sind dabei bestens gelaunt. [1][In den | |
Umfragen] liegt die Partei bei 30 Prozent, damit zehn Prozent [2][vor den | |
Grünen]. Ein komfortabler Vorsprung, vor allem wenn man, wie sein Team, | |
davon ausgeht, dass in den Zahlen die Sympathie für Kretschmann noch und | |
die für den [3][prominenten Nachfolge-Kandidaten Cem Özdemir] schon | |
eingepreist sind. Während Hagel sein Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft | |
habe – weil ihn längst noch nicht alle kennen. | |
Nun ja, das ist die übliche Umfragen-Kaffeesatzleserei, aber sicher ist: | |
Für den Grünen Cem Özdemir wird es nicht einfach, diesen CDU-Vorsprung bis | |
zur Landtagswahl im nächsten Frühjahr aufzuholen. Andererseits, sagt ein | |
Hagel-Unterstützer, habe vor den vergangenen Landtagswahlen die CDU jedes | |
Mal weit vorne gelegen – und jedes Mal kam dann etwas dazwischen: Das | |
letzte Mal Corona, und fünf Jahre davor die AfD als neuer Machtfaktor. | |
## Einerseits, andererseits | |
Doch die Stimmung gegen die Grünen im ganzen Land scheint auch im Südwesten | |
diesmal ein recht verlässlicher Wahlhelfer für die CDU zu sein. Auch wenn | |
die Beliebtheit für Winfried Kretschmann ungebrochen ist, wünscht sich die | |
Mehrheit in Baden-Württemberg eine CDU-geführte Regierung. Das soll aus | |
Sicht des Kandidaten auch so bleiben. | |
Und so übt sich Hagel in einer Taktik, die die [4][Stuttgarter Zeitung | |
treffend als „freundlich verpackten Vagheiten“ bezeichnet hat]. Trotz | |
Auftritt im Hip-Hop-Club vermeidet er, die politische Konkurrenz allzu sehr | |
zu dissen. Stattdessen lobt er Kretschmann, mit dem er grade regiert, | |
verspricht Häuslebesitzern aber eine Härtefallprüfung der grade mühsam | |
reformierten Grundsteuer. | |
Er bekennt sich einerseits zur Inklusion, aber auch zu sonderpädagogischen | |
Schulen. Er will an den Klimazielen, aber auch am Verbrennermotor | |
festhalten. „Sensible Sprache ist was Gutes“, antwortet er auf eine Frage | |
zum Reizthema Gendern. Privat könne das jeder tun, das sei ihm „wurscht“. | |
Aber an Schulen, Unis und in Behörden gälten nun mal die Regeln der | |
deutschen Rechtschreibung. | |
„Ich will keinen Kulturkampf“, sagt der stets freundliche Manuel Hagel, und | |
das glaubt man ihm grundsätzlich auch. Obwohl er manchmal doch danach | |
klingt. Etwa wenn er sagt: Er wolle Politik für die „leise, aber fleißige | |
Mitte“ machen, die keine Zeit habe, sich ständig im Politik zu kümmern, | |
„weil sie nämlich schaffen“. | |
## Hauptsache das Foto stimmt | |
Seine Anhänger scheinen sich dagegen nach zwei Legislaturperioden | |
Juniorpartnerschaft mit den Grünen eher nach Vollkontakt-Wahlkampf als nach | |
Schattenboxen à la Hagel zu sehnen. Richtigen Jubel erntet der Kandidat | |
erst, als er zur Kritik an einem Treffen mit dem ungarischen Außenminister | |
im Frühjahr sagt: „Ich lasse mir von keinem Grünen vorschreiben, wo ich | |
hingehe und wo nicht“. Oder wenn er die Absatzschwäche der | |
Südwestwirtschaft etwas unterkomplex angeht: „Wir sollten wieder mehr | |
Maschinen und weniger Moral exportieren.“ Da wird er frenetisch beklatscht. | |
Manuel Hagel ist zwar jung, gerade mal 38, aber so viel steht fest: Partei- | |
und wahlkampftaktisch ist der frühere Generalsekretär mit allen Wassern | |
gewaschen und kennt alle Wählerumfragen bis ins Detail. Beim Besuch der | |
ausgelagerten Kunsthalle in Karlsruhe am gleichen Tag fällt auf, dass er | |
stets so lange vor den Kunstwerken verweilt, [5][bis die richtigen | |
Instagram-Bilder gemacht sind]. Dafür hat er wenige Fragen an die | |
Direktorin des Museums. | |
Kann so jemand mit seinem Schwiegersohn-Charme das Amt, das Kretschmann | |
immer mit einer gravitätischen Bescheidenheit ausgeübt hat, ausfüllen? Noch | |
vermeidet der Kandidat den direkten Vergleich mit seinem Kontrahenten, dem | |
Routinier Özdemir. Das wird sich auf Dauer nicht durchhalten lassen. So | |
lange geht das Schattenboxen weiter. | |
15 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/baden-wuerttemberg.htm | |
[2] /Gruene-in-Baden-Wuerttemberg/!6055173 | |
[3] /Gruenen-Politiker-Cem-Oezdemir/!6087699 | |
[4] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.sommerserie-manuel-hagel-macht-wa… | |
[5] https://www.instagram.com/p/DM-rlWQCLiR/?hl=de&img_index=1 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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