# taz.de -- Identitärer Rechtsreferendar in Passau: Rechtsextremer Rechtsverdr… | |
> Arndt N. war lange gut vernetzt im völkischen Lager, am Landgericht | |
> Passau macht er jetzt ein Referendariat. Prüfte die bayerische Behörde | |
> den Fall ausreichend? | |
Bild: Die Villa der pflichtschlagenden Münchner Burschenschaft Danubia in der … | |
Berlin taz | Männer in Trachten, mit Schärpe und Burschenschaftskappe, | |
ziehen in einem Aufzug durch Schärding in Oberösterreich. In der Menge | |
tummeln sich Politiker der AfD und FPÖ, selbsternannte Identitäre, NPD-nahe | |
Burschenschafter und Aktivisten der inzwischen aufgelösten Jungen | |
Alternative. Es ist ein Wochenende Anfang Juni 2024, Anlass der Farben | |
tragenden Zusammenkunft ist der 40. Burschentag und das 60-jährige Bestehen | |
der Verbindung Scardonia Schärding. | |
Dokumentiert hat das Treffen die [1][antifaschistische Rechercheplattform | |
„Völkische Verbindungen kappen“]. Grinsend zeigen junge Burschenschafter | |
die in der extremen Rechten verbreitete White-Power-Handgeste in die | |
Kameras der am Rande stehenden Journalist:innen. Einige andere | |
Demoteilnehmer scheinen dagegen mit der Pressefreiheit ein Problem zu | |
haben. [2][Videoaufnahmen zeigen], wie unliebsame Fotograf:innen | |
bedroht und bedrängt werden. | |
Viele der Teilnehmenden begrüßen diese Konfrontation mit der Presse. | |
Niemand greift ein. Auch Arndt N. steht daneben, ein junger Mann aus Bayern | |
mit rechtsextremer Biografie, der unter anderem bei der Identitären | |
Bewegung aktiv war. Im Video ist zu sehen, dass Arndt N. die Farben der | |
schlagenden Verbindung Saxonia Czernowitz trägt. Rund vier Monate später | |
beginnt er sein Rechtsreferendariat beim Landgericht Passau. Das | |
Referendariat ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in den Staatsdienst, | |
etwa als Staatsanwalt oder Richter. Nach taz-Informationen plant N., sich | |
danach als Rechtsanwalt in Passau niederzulassen. | |
Ist es richtig, dass Arndt N. trotz seiner Verbindungen ins rechtsextreme | |
Milieu und seiner eigenen politischen Biografie nun ein Referendariat | |
absolvieren darf? Und haben die Behörden den Fall ausreichend geprüft? | |
Dass Arndt N. aktuell sein Referendariat am Landgericht in Passau | |
absolviert, [3][wurde Ende Juni bekannt]. Die Passauer Grünen und Linken | |
machten auf den Fall aufmerksam. Luke Hoß, Bundestagsabgeordneter der | |
Linken vom Kreisverband Passau, sagt dazu der taz: „Es ist beängstigend, | |
dass ein gut vernetzter Rechtsextremist in Passau sein Referendariat macht | |
und somit Einfluss und Macht über das Leben der Menschen hat.“ So könne N. | |
etwa während seiner Station bei der Staatsanwaltschaft weitgehend | |
eigenmächtig Entscheidungen treffen, die Rechtsfolgen für Betroffene im | |
Strafverfahren haben, so Hoß weiter. | |
Tatsächlich durchlaufen Rechtsreferendar:innen verschiedene | |
Stationen, arbeiten auch im Gerichtssaal, etwa im Verwaltungs- oder | |
Sozialrecht, und auch im Strafrecht bei der Staatsanwaltschaft. Als | |
Referendar hat N. mitunter auch Zugriff auf sensiblen Daten. „Man stelle | |
sich vor, wie sich eine Person fühlen muss, die von rassistischer Gewalt | |
betroffen ist und ihm im Gerichtssaal gegenübersitzt“, sagt Hoß. Der | |
bayerische Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl gibt gegenüber der taz auch zu | |
bedenken, man dürfe „Rechtsextremen nicht die Werkzeuge des Rechtsstaats in | |
die Hand geben“, die Gefahr durch die Mitglieder rechter Netzwerke sei | |
nicht zu unterschätzen. | |
## Ein Haus, in dem Nationalsozialisten gelobt werden | |
In eben solchen Netzwerken bewegt sich Arndt N. schon seit langem. N. war | |
während seines Studiums, von 2014 bis 2018, aktives Mitglied in der | |
Burschenschaft Danubia, übernahm dort auch Führungsaufgaben. Ein | |
Szene-Aussteiger berichtete 2020 über die Burschenschaft, man habe dort | |
ganz offen „NS-Größen“ lobpreisen können. Auch die Saxonia Czernowitz, | |
deren Farben N. 2024 in Schärding trug, hat die Adresse im selben Haus, sie | |
gilt als die Vorfeldorganisation der Danubia. Laut Verfassungsschutz liegen | |
bei der Danubia „seit vielen Jahren Erkenntnisse über rechtsextremistische | |
Bestrebungen“ aktiver Mitglieder vor, berichtete die Süddeutsche Zeitung | |
kürzlich. | |
Erst Ende Juni führten Ermittlungen der bayerischen Staatsanwaltschaft | |
gegen Aktivisten der Gruppe „Lederhosenrevolte“, einem Ableger der | |
Identitären Bewegung (IB), ins Haus der Danubia. Auch Arndt N. war rund | |
vier Jahre bei der IB aktiv, nach taz-Informationen mindestens bis Mitte | |
2017. Im Jahr 2016 hielt er auch einen Redebeitrag auf einer Kundgebung. | |
Der bayerische Verfassungsschutz betonte im Bericht von 2016 bereits den | |
rechtsextremistischen und völkischen Charakter der IB sowie die Nähe der IB | |
zur Danubia. | |
Der Passauer Rechtsreferendar N. ist der Danubia schon qua Geburt | |
verbunden. Nach taz-Informationen gehörten bereits der Vater und der | |
Großvater von Arndt N. der Danubia an. 2017 posierte N. für einen Bericht | |
im Spiegel-Magazin im Haus der Danubia und wurde mit der Aussage zitiert, | |
es sei wichtig, „dass etwas gegen den großen Austausch getan wird“. Unter | |
dem Schlagwort „Großer Austausch“ verbirgt sich eine rassistische | |
Verschwörungserzählung mit antisemitischer Konnotation, wonach die | |
Bevölkerung Europas angeblich durch gezielte und gesteuerte Massenmigration | |
ersetzt werden solle. | |
Auch publizistisch war N. einschlägig unterwegs. So moderierte er bis 2016 | |
den Videoblog „Jugendmut“, in dem laut Verfassungsschutz zur „Aufnahme des | |
politischen Kampfes auf ganzer Ebene“ aufgerufen wurde, schrieb 2018 für | |
das „neurechte“ Magazin Sezession und [4][hostete 2020 den Podcast | |
„Lagebesprechung“ der rechtsextremen Plattform Ein Prozent]. | |
Ende 2023 [5][besuchte N. in Steyregg in Österreich eine Veranstaltung im | |
„identitären“ Hausprojekt „Castel Aurora“], ein [6][Treffpunkt für den | |
internationalen Rechtsextremismus]. Im Juni 2024 schließlich folgte der | |
Besuch im österreichischen Schärding. | |
## Prüfte das Münchner Gericht ausreichend? | |
Der bayerische Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl äußert gegenüber der taz | |
Zweifel, ob im Auswahlverfahren für das Rechtsreferendariat beim | |
zuständigen Oberlandesgericht (OLG) München „gründlich genug hingeschaut | |
wurde“. Linken-Politiker Hoß betont, die „rechtsextreme Gesinnung von N.“ | |
sei gut dokumentiert. Es sei daher erschreckend, dass das OLG N. zugelassen | |
hat. | |
Vor der Aufnahme ins Referendariat durchlaufen Bewerber:innen ein | |
Prüfungsverfahren, bei dem sie auch auf ihre Verfassungstreue abgeklopft | |
werden. Dazu müssen sie in einem Fragebogen angeben, ob sie in einer | |
extremistischen Organisation sind oder waren. Geben Bewerber:innen ihre | |
Mitgliedschaften nicht wahrheitsgemäß an, kann dies als „arglistige | |
Täuschung“ gewertet werden, heißt es beim OLG München auf eine | |
taz-Nachfrage. Dies könne zur Rücknahme der Zulassung führen. | |
Ergeben sich Zweifel an der Verfassungstreue der Bewerber:innen, kommt es | |
zu einer persönlichen Anhörung. Auch eine Abfrage beim Verfassungsschutz | |
ist denkbar. Doch ob das im Fall N. geschehen ist, bleibt unklar. Aus | |
Gründen des Persönlichkeitsrechts will man sich beim zuständigen OLG und | |
auch beim bayerischen Justizministerium nicht äußern. | |
Dass das OLG München nicht leichtfertig Referendar:innen ablehnt und | |
jeden Fall genau prüft, ist wichtig. Schließlich benötigen Juristen nicht | |
nur für den Staatsdienst, sondern auch für die Arbeit als Anwalt ein | |
abgeschlossenes Referendariat. Eine Ablehnung käme einem Berufsverbot als | |
Rechtsanwalt gleich. | |
## Es geht auch anders | |
Doch ein vergleichbarer Fall aus diesem Jahr zeigt, dass rechtsextremes | |
Engagement durchaus zu einer Ablehnung führen kann: [7][John Hoewer war | |
Burschenschafter] der Germania in Köln, zeitweise bei der IB aktiv und im | |
Vorstand der Jungen Alternative (JA), veröffentlichte 2021 beim | |
rechtsextremen Jungeuropa-Verlag das Buch „Europa.Power.Brutal“. | |
[8][Das Verwaltungsgericht Koblenz verwehrte ihm in einem Beschluss wegen | |
fehlender Verfassungstreue das Rechtsreferendariat.] Vorbestraft war Hoewer | |
nicht. Das Verwaltungsgericht Koblenz argumentierte, sein Menschenbild | |
stehe in „eklatantem Widerspruch“ zu den Mindestanforderungen an die | |
Verfassungstreuepflicht. Ausschlaggebend war seine Rolle in der JA. | |
Wurde im Fall von Arndt N. beim OLG München genau hingesehen? Allgemein | |
heißt es auf eine taz-Nachfrage beim OLG: Die Mitgliedschaft in einer | |
extremistischen Organisation allein reiche nicht aus, um das Referendariat | |
zu verwehren. Bewerber:innen könne das Referendariat nur dann verwehrt | |
werden, wenn diese eine verfassungsfeindliche Bestrebung unterstützen und | |
als Mitglied einer extremistischen Organisation die „freiheitlich | |
demokratische Grundordnung in strafbarer Weise“ bekämpfen oder „aktiv | |
versuchen“ diese zu „beeinträchtigen“, etwa durch die Übernahme von | |
Führungspositionen. | |
Die taz hat versucht, Arndt N. auf verschiedenen Wegen zu kontaktieren. N. | |
ließ alle Anfragen unbeantwortet. | |
Katharina Fuchs von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern | |
sieht keinen Anlass, zu glauben, dass N. sich von seiner rechtsextremen | |
Gesinnung distanziert haben könnte. Burschenschaften wie die Danubia | |
definieren sich als „Lebensbund“, sagt sie. Dass N. der Danubia auch nach | |
seiner Studentenzeit als Alumni, sogenannter „Alter Herr“, verbunden | |
bleibt, zeige sich auch bei seiner Teilnahme in Schärding 2024. | |
Fuchs kritisiert: „Eine Entscheidung wie im Fall N. attestiert einem | |
langjährig aktiven Rechtsextremisten eine unbescholtene Haltung zur | |
demokratischen Grundordnung“. So werde extrem rechtes bis neonazistisches | |
und völkisches Denken legitimiert und auch bagatellisiert. „Wenn jemand wie | |
N. zugelassen wird, frage ich mich, was man noch alles machen muss, um | |
nicht zugelassen zu werden“, so Fuchs weiter. | |
In Passau macht sich derweil wohl ein weiterer Aktivist vom äußerst rechten | |
Rand für eine mögliche juristische Laufbahn bereit. Der einstige | |
stellvertretende Vorsitzende der erwiesen rechtsextremistischen Jungen | |
Alternative Ostbayern soll sein erstes Staatsexamen bereits absolviert | |
haben, so berichtete es der Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl der taz. Ob | |
auch ihm vom Gericht die Unbedenklichkeit bescheinigt wird? | |
In einer früheren Version des Textes hatten wir geschrieben, dass John | |
Hoewer in der Verbindung Gothia in Berlin aktiv war. Das ist falsch. Hoewer | |
war in der Germania Köln aktiv. Außerdem haben wir den Text an anderer | |
Stelle gekürzt. | |
3 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://verbindungenkappen.wordpress.com/2024/06/16/opr-burschentag-2024-sc… | |
[2] https://dju.social/@demotickerBY/112614634546306540 | |
[3] https://www.br.de/nachrichten/bayern/landgericht-passau-ein-rechtsextrem-is… | |
[4] /Rechte-Podcasts-auf-Spotify/!5678842 | |
[5] https://www.br.de/nachrichten/bayern/landgericht-passau-ein-rechtsextrem-is… | |
[6] /Nazi-Netzwerk-um-Peter-Kurth/!5984682 | |
[7] /AfD-laedt-voelkischen-Aktivisten-ein/!5519007 | |
[8] https://vgko.justiz.rlp.de/presse-aktuelles/pressemitteilungen/detail/einst… | |
## AUTOREN | |
Nicolai Kary | |
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