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# taz.de -- Rechte Podcasts auf Spotify: Höcke in der Playlist
> Auf Spotify geben sich extreme Rechte mit Podcasts ganz bürgerlich. Die
> Plattform ist informiert – und lässt sich mit der Überprüfung Zeit.
Bild: „Hygiene-Demo“ in Berlin: ein Gemisch aus AfD, Verschwörungstheoreti…
BERLIN taz | Die Coronapandemie und der mit ihr einhergehende
Informationsbedarf wird von rechtsextremen Propagandisten als Einladung
verstanden, politisches Kapital herauszuschlagen. Nicht zuletzt unter
Verwendung pseudojournalistischer Formate. So heißt ein Corona-Podcast auf
Spotify „Lagebesprechung“.
„Die Lage in der Coronakrise ist unübersichtlich und ihr Ausgang ist offen.
Wir fragen uns: Wo stehen wir heute? Wie wird die Krise unser Leben
verändern“, heißt es in der ersten Folge vom 24. März. Berechtigte Fragen.
Um zu verstehen, dass das, was sich hier bürgerlich-aufklärerisch
präsentiert, eigentlich ein extrem rechter Podcast ist, muss man zunächst
genauer hinschauen.
Host des Podcasts ist Arndt Novak, [1][laut Recherchen von Belltower News],
Mitglied der Burschenschaft Danubia, deren studierenden Mitgliedern der
bayerische Verfassungsschutz Beziehungen zur rechtsextremen Szene
attestiert. In der Vergangenheit soll Novak für die sogenannte Identitäre
Bewegung aktiv gewesen sein. Jetzt ist er für „Ein Prozent“ tätig, die
Organisation, die bei Spotify offiziell als Urheber erscheint und deren
Gründung im sächsischen Oybin 2016 von extrem rechten Publizisten wie
Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek unterstützt wurde.
„Ein Prozent“ [2][bezeichnet sich selbst als „Widerstandsplattform für
deutsche Interessen“], gegen die „Flüchtlingsinvasion“, gegen „die
politische Kaste“. Der Verein ist eine Art NGO von rechts, bemüht um die
Finanzierung und Vernetzung einschlägiger Aktivitäten, aber eben auch
darum, rechtsextremes Gedankengut über das eigene Milieu hinaus zu
verbreiten.
## Bürgerliche Fassade
Novaks Gästeliste lässt dann auch erahnen, welche Art der Corona-Analyse
man hier bekommt: AfD-Flügel-Mann Björn Höcke („erinnerungspolitische Wende
um 180 Grad“) und der ehemalige Innenminister der extrem rechten
österreichischen FPÖ, Herbert Kickl („diejenigen, die in ein Asylverfahren
eintreten, auch entsprechend konzentriert an einem Ort zu halten“). Beide
sinnieren ganz im Sinne des Titels der ersten Folge: „Das Ende der
Globalisierung?“
Diese machen sie für die Pandemie verantwortlich, zugleich sehen sie in
Corona eine Chance, Globalisierung wieder rückgängig zu machen. Ein
weiterer Globalisierungskritiker von rechts und Gesprächspartner ist Oliver
Hilburger von der rechten Gewerkschaft „Zentrum Automobil“, ein Mann, der
einmal in einer Rechtsrockband spielte, mit deren Musik der NSU sein
Bekennervideo unterlegte und der wegen mutmaßlicher Kontakte zu dessen
Unterstützerkreis im baden-württembergischen [3][NSU-Ausschuss befragt]
wurde.
Im Podcast geben sich Host und Gäste Mühe, allzu schrille Töne zu
vermeiden. Das passt zum Habitus der „Neuen Rechten“, deren Gedankengut
zwar alt ist, deren Medienstrateg*innen seit geraumer Zeit aber auf das
Prinzip des trojanischen Pferdes setzen: Es geht darum, möglichst
unverdächtig in den Raum des akzeptablen Diskurses vorzudringen. Nach außen
hin bürgerlich statt martialisch, anknüpfend an Themen, die Menschen
beschäftigen, und manchmal auch an tatsächliche Konflikte der modernen
Gesellschaft, für die sie ihre nationalen und regressiven Antworten
liefern.
## „Aussitzen des Problems“
„Sie bleiben sehr vage. Man muss schon genau hinhören. Und man muss sich
vor allem damit auseinandersetzen, welche Ziele die Organisation ‚Ein
Prozent‘ verfolgt“, sagt auch David Kiefer, Sprecher des Berliner
Bündnisses gegen Rechts. „Auch wenn es klar wird, woher der Wind weht, wenn
so Leute wie Höcke sprechen.“ Das Bündnis hat Spotify seit Ende März
mehrmals kontaktiert. Auf den Podcast und seine extrem rechten
Verstrickungen sei aufmerksam gemacht geworden. Eine Antwort steht bisher
aus. Deshalb bezeichnet Kiefer den Umgang von Spotify als „systematisches
Aussitzen des Problems“.
Das Bündnis hat eine [4][Petition gestartet mit der Forderung an Spotify],
den Podcast zu entfernen, mit bisher 7.900 Unterschriften. Anfang des
Jahres hatte [5][Spotify mit Verweis auf seine Richtlinien neonazistische
Playlists und Nutzerprofile gelöscht]. Noch ist offen, ob das Unternehmen
im Falle des weniger explizit auftretenden „Ein Prozent“ ebenfalls handelt
– und es somit [6][Facebook und Instagram], die im vergangenen Jahr
Accounts von „Ein Prozent“ gesperrt haben, gleichtut.
Im Gespräch mit der taz wollte Spotify keine offizielle Stellungnahme
abgeben. Die internen Überprüfungen, ließ Sprecher Marcel Grobe aber
wissen, seien derzeit im Gange.
29 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.belltower.news/rechter-podcast-ein-prozent-bei-spotify-98447/
[2] /Rechtes-Netzwerk-Ein-Prozent/!5484724
[3] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.afd-und-die-rechte-gewerkschaft-w…
[4] https://weact.campact.de/petitions/kein-platz-fur-neonazi-propaganda-auf-sp…
[5] https://www.tagesspiegel.de/kultur/neonazi-inhalte-spotify-loescht-antisemi…
[6] https://www.mdr.de/sachsen/bautzen/goerlitz-weisswasser-zittau/ein-prozent-…
## AUTOREN
Volkan Ağar
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