| # taz.de -- Linke Podcasts: Klasse Sendungen | |
| > Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung analysiert linke Podcasts. Beim | |
| > Kampf um Aufmerksamkeit geht es um mehr als nur Reichweite. | |
| Bild: Wie passen Marktmacht kommerzieller Plattformen und antikapitalistische P… | |
| Man stelle sich vor, es gäbe ein linkes Medium, das Informationen und | |
| Meinungen nicht nur unterhaltsam verbreitet, sondern auch entgegennimmt. | |
| Einerseits ließe sich über Ausbeutungsverhältnisse, Klassenfragen und | |
| Ideologie aufklären, andererseits könnten die Ausgebeuteten selbst zu Wort | |
| kommen, sich mit ihren Anliegen melden, Fragen stellen, Antworten bekommen | |
| und so politisch aktiviert werden. Gäbe es so ein Medium, wäre das „der | |
| denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens“, | |
| subsumierte Bertolt Brecht in seiner bekannten Rede „Der Rundfunk als | |
| Kommunikationsapparat“ aus dem Jahr 1932. Diese Worte des überzeugten | |
| Kommunisten sind bald 100 Jahre alt und aktueller denn je: Im 21. | |
| Jahrhundert gibt es einen solchen Apparat, Medien sind „sozial“ geworden. | |
| Welche „Potenziale“ für [1][„linke Interventionen“] etwa im immer beli… | |
| und partizipativer werdenden Medium Podcast stecken, haben die | |
| Medienforscherin Nele Heise und der Politikwissenschaftler Erik Meyer in | |
| einer jüngst veröffentlichten Studie analysiert. 21 Formate beleuchten die | |
| Autor*innen in der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebenen | |
| Studie, wohlgemerkt ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Denn linke Podcasts | |
| auf Deutsch gibt es eine ganze Menge. In der von den Forscher*innen | |
| daher „bedingt repräsentativ“ getroffenen Auswahl finden sich | |
| reichweitenstarke Sendungen wie der Wirtschaftspodcast „Wohlstand für alle“ | |
| von Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt neben eher kleineren Formaten wie | |
| „99zueins“ oder „Dissens“. | |
| Und die funktionieren. Mehr und mehr, so die Autor*innen, würden sich linke | |
| Podcasts professionalisieren, experimentieren und ein immer größeres | |
| Publikum erreichen. Die Forscher*innen betonen aber: Für „Erfolg“ sei | |
| insbesondere im linken Spektrum nicht nur Reichweite relevant. Auch das | |
| Zusammenführen von „Menschen, die sich in der medialen Öffentlichkeit weder | |
| repräsentiert, angesprochen noch einbezogen fühlen“, sei als Gewinn zu | |
| vermerken. Das gelinge, insbesondere im Hinblick auf „zahlreiche | |
| postmigrantische und diasporische Formate, Angebote der LGBTI+-Communities | |
| oder Nischen-Podcasts“. Zudem würden sich viele linke Podcasts um eine | |
| Beteiligung ihrer Community bemühen – ganz nach der Brecht’schen Utopie. | |
| ## Kommodifzierung des Hörens | |
| Aber: Am jüngsten Erfolg des gar nicht mal so jungen Formats Podcast hätten | |
| die großen Plattformen wie Spotify und Audible einen Anteil. Zwar führe | |
| auch für linke Podcasts „kaum ein Weg an der Präsenz auf kommerziellen | |
| Plattformen“ vorbei. Gleichzeitig müssten sie sich aber „die Frage gefallen | |
| lassen, wie eine solche Kommodifizierung des Hörens durch Unternehmen mit | |
| großer Marktmacht zu antikapitalistischen und anderen Positionierungen | |
| passt“. Den Kampf um die Aufmerksamkeit gewinnen derweil Formate, die nicht | |
| zu politisch werden und primär auf Unterhaltung setzen – wie etwa der | |
| Podcast „Gemischtes Hack“, der laut Spotify zu den meistgehörten deutschen | |
| Produktionen 2022 gehört. | |
| Dass das für Linke kein kleines Problem ist, zeigt ein Blick in die USA. | |
| Dort sind es vor allem konservative bis rechte Podcaster*innen wie etwa | |
| der erfolgreiche Joe Rogan, die standesgemäß kein Problem mit | |
| Kommerzialisierung und Verflachung haben – und daher schnell deutlich mehr | |
| Reichweite gewinnen. Zwar gibt es keinen deutschen Joe Rogan; dass | |
| [2][Spotify aber auch in Deutschland wenig Skrupel hat,] bürgerlich | |
| maskierte rechte Propaganda zu senden, ist spätestens seit der | |
| Coronapandemie deutlich geworden. | |
| Es ist so einfach wie nie, eine Sendung zu produzieren – gegen die | |
| Werbemaschinen der Plattformen anzukommen hingegen nicht. Und: Wie soll man | |
| das richtige Verhältnis zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik | |
| finden, wenn Algorithmen tendenziell Empörung und Promi-Faktor belohnen? | |
| Brecht hätte vielleicht geantwortet: Will man Schweres bewältigen, muss man | |
| es sich leicht machen. | |
| 23 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konstantin Nowotny | |
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