# taz.de -- Unterwanderungsversuch gebremst: Gericht stoppt rechte Pseudo-Gewer… | |
> Das AfD-nahe „Zentrum“ hat vor Gericht gegen VW verloren. Es wollte sich | |
> als alternative Gewerkschaft im Werk Isenbüttel etablieren. | |
Bild: Rote Ampel für die AfD: Weg zum VW-Werk | |
Hamburg taz | Das Werkstor von Volkswagen (VW) in Isenbüttel bei Wolfsburg | |
muss sich nicht öffnen für den rechtsextremen Verein „Zentrum“. Das hat d… | |
Arbeitsgericht Braunschweig am Donnerstag entschieden. Die AfD-nahe | |
„alternative Gewerkschaft“ hatte gegen die VW-Tochter Service Group | |
geklagt, die das Werk betreibt. Die hatte „Zentrum“ verwehrt, sich am | |
Standort, in dem Achsen produziert werden, gewerkschaftlich zu engagieren, | |
Vertrauensleute zur Wahl aufzustellen und für sich zu werben. | |
Dafür, fand das Gericht, hätte Zentrum nachweisen müssen, dass es in dem | |
VW-Standort mindestens eine Person gibt, die Mitglied des Vereins ist. Der | |
Verein habe zwar Unterlagen eingereicht, diese aber nicht ausreichend | |
begründet. Zentrum hatte angegeben, dass dem Verein im Werk in Isenbüttel | |
sechs der knapp 150 Beschäftigten angehörten. Das sei nicht ausreichend | |
deutlich geworden, fand das Gericht. | |
Damit berührt es am Rande eine Frage, an der viel hängt: Ist Zentrum eine | |
Gewerkschaft? Das bezweifeln nicht nur die Gewerkschaften des Deutschen | |
Gewerkschaftsbundes (DBG). Auch der VW-Ableger in Isenbüttel hatte dem | |
Verein das Engagement verwehrt, weil er keine „tariffähige“ Gewerkschaft | |
sei. | |
Das bedeutet, dass der Verein nicht die Fähigkeit hat, Tarifverträge | |
abzuschließen und damit Arbeitsbedingungen verbindlich zu regeln. Dafür | |
fehlen ihm unter anderem Mitglieder. Eine feste Grenze gibt es dafür aber | |
nicht. | |
## Versuch, im Norden Fuß zu fassen | |
Das Zentrum versucht seit einigen Jahren, besonders in der | |
Automobilindustrie Fuß zu fassen und den großen Gewerkschaften Mitglieder | |
abzuwerben – mit eher mäßigem Erfolg. Bisher ist der Verein vor allem in | |
Ost- und Süddeutschland aktiv. Seit Frühjahr versucht Zentrum, sich auch in | |
Norddeutschland zu etablieren. Am 1. Mai eröffnete das Regionalbüro | |
Nord-West eine Geschäftsstelle in Hannover. Ziel sei es, bei den | |
Betriebsratswahlen 2026 auch in norddeutschen Betrieben mitzumischen. | |
Gegründet wurde die Scheingewerkschaft als „Zentrum Automobil“ 2009 in | |
einem Mercedes-Benz-Werk in Stuttgart. Der Gründer Oliver Hilburger hat | |
eine rechtsradikale Vergangenheit und tritt bis heute mit Rechtsextremen | |
auf. Bis 2008 spielte er Bass bei der Rechtsrockband „Noie Werte“. 2017 | |
sprach er bei einer Veranstaltung des rechtsradikalen Compact-Magazins und | |
zeigte sich mit dem Chef der Identitären Bewegung (IB), Martin Sellner. | |
Auch wegen der Neonazi-Verbindungen ihres Gründers wollte selbst die | |
rechtsextreme AfD lange nicht mit Zentrum zusammenarbeiten. Bis 2022 stand | |
der Verein auf ihrer Unvereinbarkeitsliste, wurde aber auf Bestreben des | |
völkisch-nationalistischen Flügels um Björn Höcke davon gestrichen. | |
In Norddeutschland braucht das Zentrum seine AfD-Nähe nicht zu verstecken: | |
Leiter des regionalen Ablegers Nord-West ist der Vorsitzende der | |
AfD-Stadtratsfraktion Hannover, Jens Keller. Er arbeitet beim kommunalen | |
Abfallentsorger und war vorher Mitglied der DGB-Gewerkschaft Ver.di. Dort | |
sei er „aufgrund seiner politischen Meinung diffamiert und mit einem | |
Ausschlussverfahren überzogen“ worden, sagt er. Auf Tiktok erklärte Keller, | |
Ver.di sei bloß noch ein Sprachrohr der Altparteien. | |
„Altp-, äh, Altgewerkschaften“, verhaspelte sich Keller folgerichtig auf | |
der Pressekonferenz Mitte April in Hannover, auf der er die Gründung von | |
Nord-West verkündete, im Hinblick auf Ver.di und die IG Metall. Denen wolle | |
er auch im Norden Mitglieder abwerben: „Die Mitgliederzahlen der alten | |
Gewerkschaften werden sich halbieren“, prophezeite er. | |
Maßlos übertrieben findet das ein Sprecher der IG Metall Niedersachsen: „In | |
Niedersachsen kommt dieser Vereinigung keine Rolle zu.“ Der Einfluss des | |
Zentrums sei „ein Randphänomen ohne erkennbare Durchsetzungskraft.“ | |
Tatsächlich ist Zentrum an anderen Standorten schon bei VW aktiv. Im | |
[1][VW-Werk in Zwickau] in Sachsen stellt es zwei Betriebsräte. Abgesehen | |
vom Daimler-Werk in Stuttgart, wo alles angefangen hat, ist der Verein in | |
der Automobilbranche aber nicht wirklich etabliert. Bundesweit stellt er | |
nur rund zwei Dutzend Betriebsräte von mehreren Zehntausend. | |
Zuletzt kündigte der Verein an, seine Aktivitäten auch auf andere Branchen | |
ausweiten zu wollen. Seit 2022 richte sich das Zentrum „Gesundheit und | |
Soziales“ an Beschäftigte in der Gesundheits- und Pflegebranche. In | |
Niedersachsen merke man auch davon nichts, sagt ein Sprecher des | |
Ver.di-Landesverbands. | |
## Liebe zum Arbeitgeber | |
Die [2][Arbeitssoziologin Nicole Mayer-Ahuja von der Uni Göttingen], | |
überrascht das nicht: „Bisher ist es so, dass die Erfolge des Zentrums sehr | |
viel geringer waren als man befürchtet hat.“ Das Urteil des Braunschweiger | |
Gerichts sei kein Bollwerk gegen das Zentrum, weil nur fehlende Mitglieder, | |
aber nicht inhaltliche Gründe angeführt wurden. | |
Trotzdem begrüßt es Mayer-Ahuja: „Es ist eine gute Nachricht, wenn dem | |
Zentrum als AfD-nahem Verein der Zugang zu einem Betrieb verwehrt wird.“ | |
Dem Zentrum gehe es nicht wirklich darum, die Interessen von | |
[3][Beschäftigten gegen Unternehmen] zu vertreten. Das zeige ein Zitat des | |
neuen Norddeutschland-Chefs Jens Keller. | |
Der sagte auf der Pressekonferenz im April, [4][das Zentrum stehe | |
unabhängig vom Parteibuch allen offen], nur eins müsse man mitbringen: | |
„eine Liebe zu seinem Land, eine Liebe zu seinem Arbeitgeber“. | |
22 Aug 2025 | |
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[3] /Massenentlassung-beim-Essenslieferanten/!6099982 | |
[4] https://www.zentrumgewerkschaft.de/ | |
## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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