# taz.de -- Neue Studie über Gamer: Ode an die Schreibtisch-Nerds | |
> In der Gaming-Community steckt mehr Engagement, als man ihr zumutet. | |
> Warum zocken unsere Demokratie schützen kann | |
Bild: Zocken kann politisieren, findet unsere Autorin | |
Je leidenschaftlicher ein Gamer (wichtig: männlich, strohiges Haar), desto | |
kürzer die Kontaktliste und desto weniger Tageslicht im Zimmer. Routinierte | |
Zocker halten wenig vom Konzept Deodorant oder Hygiene im Allgemeinen. | |
Politik? Ein Fremdwort. Das japanische Gesundheitsministerium findet sogar | |
einen etablierten Ausdruck dafür: Hikikomori bezeichnet soziale Aussteiger, | |
die Stunde um Stunde ins Netz flüchten und sich von der Außenwelt abmelden. | |
Wer den vorigen Zeilen nun nickend zustimmte, irrt gewaltig: Eine Studie | |
der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass die [1][Gaming-Community politisch und | |
sozial engagierter ist], als es ihr viele unterstellen. Ein Zeichen, sich | |
von den alten Klischees zu lösen und die Gaming-Industrie in Deutschland | |
auszubauen. Denn Zocken ist mittlerweile nicht mehr nur eine Nische für | |
introvertierte Jungs und Männer, sondern fördert die Demokratie. | |
Laut [2][Bertelsmann Stiftung] spielen mehr als zwei Drittel der Menschen | |
ab 16 Jahren Computerspiele, in der Altersgruppe der 16- bis 34-Jährigen | |
ganze 86 Prozent. Beim digitalen „Suchten“ belassen sie es nicht, sie | |
vernetzen sich auf Plattformen wie Discord und regen dabei politische | |
Debatten an. | |
Entgegen dem Stereotyp des stumpfen Stubenhockers zeigen besonders | |
Vielzocker*innen eine höhere Bereitschaft zu gesellschaftspolitischen | |
Engagement als der Durchschnitt aller Befragten. Jene mit dem struppigsten | |
Image bringen sich überdurchschnittlich in demokratische Prozesse ein. | |
Während durchschnittlich 14 Prozent der Befragten jungen Erwachsenen auf | |
Demos gehen, ist die Zahl bei den Vielzocker*innen fast doppelt so | |
hoch. | |
## Hohes Vertrauen in die Demokratie | |
Neben ihrem vergleichsweise hohen politischen Engagement vertraut die | |
Gruppe der Gaming-Enthusiast*innen mehr in die Demokratie. 65 Prozent der | |
Gamer*innen finden, dass die Demokratie funktioniert. Der Durchschnitt | |
aller Befragten kommt auf 55 Prozent. | |
Es ist gut, dass viele von ihnen die Grundwerte der Demokratie anerkennen, | |
denn sie sind nicht die einzigen, die sich im digitalen Milieu wohlfühlen. | |
[3][Auch Rechtsextreme nutzen das Potenzial der digitalen Gaming-Welt,] für | |
die Radikalisierung nach rechts in der analogen Gesellschaft. | |
Auf der Gaming-Plattform Roblox, auf der Nutzer*innen selbst Spiele | |
bauen können, konnte man für eine kurze Zeit etwa das Attentat von Halle | |
nachspielen. Auch wenn das Spiel mittlerweile gelöscht ist, und die Spiele | |
nicht weit verbreitet sind, zeigt es, dass auch Rechtsextreme in | |
Videospielen unterwegs sind. | |
Jenen Gamer*innen, die ihre Plattform auch für den demokratischen Austausch | |
nutzen, können wir dafür danken, dass sie den digitalen Raum weiter gegen | |
Rechtsextreme verteidigen. | |
## Demokratischer Austausch online | |
So dürfen Rechte ihre Narrative auf Discord genauso wenig normalisieren wie | |
auf dem Volksfest. Genau deshalb gilt es, die Communitys ernst zu nehmen. | |
Junge Menschen werden auf ihren Servern auch politisiert. Ihr | |
demokratischer Austausch verliert sich nicht nur in einer Datenbank, sie | |
tragen ihre Weltanschauungen nach außen, in die sogenannte „Realität“, wo | |
sie auf Demos für ihre Standpunkte kämpfen. | |
Digitale Vernetzung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Hikikomori oder jene, | |
die wir fälschlicherweise dafür halten, sind längst über ihre Archetypen | |
hinausgewachsen. Sie debattieren online und campen auch dann noch im Chat, | |
wenn Rechtsextreme ihre Subkultur unterwandern. Sie öffnen Räume, in denen | |
sie Anschluss finden und sich soziokulturell weiterbilden. | |
Nachdem die deutsche Games-Branche finanziell hinkte, erkennen auch | |
staatliche Akteur*innen die innovativen Möglichkeiten in ihr. | |
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär rief zuletzt dazu auf, Games made | |
in Germany mehr zu fördern. Das ist erfreulich, doch sind Zocker*innen | |
mehr als eine smarte Geldanlage. Sie sind die unterschätzte Kraft, die | |
Rechten keine Macht über die Server lässt. | |
20 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Computerspiele-und-mentale-Gesundheit/!6074649 | |
[2] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2025/augus… | |
[3] /Game-Expertin-ueber-die-Spiele-der-Nazis/!5763526 | |
## AUTOREN | |
Wlada Froschgeiser | |
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