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# taz.de -- Computerspiele und mentale Gesundheit: Weshalb Gaming glücklich ma…
> Unser Kolumnist spielt aus verschiedenen Gründen: mal um zu fliehen, mal
> um zu wachsen. Games können glücklich machen. Das sagt auch die
> Wissenschaft.
Bild: Spieleklassiker Tetris
Konzentriert abwesend drehe ich eine blaue Schraube aus dem digitalen
Türrahmen. Der Rahmen rutscht aus dem Bildschirm und macht die rote
Schraube frei, an die ich eigentlich ranmuss, um in diesem Handyspiel zu
gewinnen.
Im Hintergrund erzählt mir die „Tagesschau“, welchem Risiko sich [1][die
Protestierenden in der Türkei] aussetzen. Mehr als 340 Festnahmen,
Pfefferspray, Tritte. Wut und Traurigkeit im Bauch. Ich löse das Dach vom
Haus auf meinem Smartphonebildschirm, ein kleiner Stoß Dopamin.
Gaming kann unsere psychische Gesundheit fördern. Das hat [2][eine Studie]
herausgefunden, die zwischen 2020 und 2022, also zu den Hochzeiten von
Corona, durchgeführt und 2024 veröffentlicht wurde.
## Es gibt Push- und Pull-Faktoren
Fast 98.000 Menschen nahmen an einer Umfrage zu ihrem Wohlbefinden teil.
Per Los gewannen 8.200 Teilnehmende eine neue Spielkonsole. Und dann, nach
einiger Zeit des Spielens, wurden sie noch mal befragt. Es ging ihnen
besser! Wie viel besser, das hing auch davon ab, wie alt die Teilnehmenden
waren, welches Geschlecht sie hatten und welche Konsole sie bekamen. Am
wenigsten verbesserte sich die psychische Gesundheit von Jugendlichen und
Frauen, die eine Playstation bekamen. Und: Nach mehr als drei Stunden
Spielzeit pro Tag war der Effekt rückläufig.
Ich schließe auf meinem Handy das Spiel mit den Schrauben. Ist mir jetzt
doch zu dulli. Kämpfe in Nahost. Ich fühle mich gelähmt. Ich würde gerne
„Tetris“ spielen, aber mein Gameboy ist kaputt. Ich denke an die Switch,
lasse sie in der Ecke stehen. Nicht genügend Kopf für „Zelda“.
Es gibt mehrere Gründe zu spielen. Die einen nenne ich Pullfaktoren: Das
Spiel fordert mich heraus, lässt mich wachsen, lässt mich stolz sein. Im
Idealfall spiele ich gemeinsam mit anderen und kann entscheiden, was ich
mache: meistens also Sidequests. So viele kleine, schöne Ablenkungen. Das
Schraubenspiel bietet nichts davon.
## Spielen gegen PTBS
Ich spiele es aus Gründen, die ich Pushfaktoren nenne. Die Weltlage,
schwierige persönliche Diskussionen, große Überlegungen über anstehende,
noch größere Veränderungen, vor denen ich mich noch ein kleines bisschen
drücken will, während ich knallbunte Steine mit Gedudel im Hintergrund nach
unten rasen lasse. Ich spiele auch aus Überforderung. Spielen beruhigt.
[3][2018 veröffentlichte die Ruhr-Universität Bochum] die Ergebnisse einer
Intervention bei 20 Patient*innen mit posttraumatischer
Belastungsstörung. Bei PTBS kommen traumatische Erinnerungen oft in Form
von bildlichen Flashbacks hoch. Warum also nicht mit anderen Bildern
entgegenwirken? Die Erkrankten schrieben eine traumatische Erinnerung auf,
zerrissen den Zettel und spielten danach 25 Minuten Tetris. Die Flashbacks
zu diesen Themen gingen im Durchschnitt um 64 Prozent zurück. Flashbacks zu
Themen, die ohne anschließendes Spiel besprochen wurden, gingen um 11
Prozent zurück. Spielen hilft.
Dass Games uns in eine andere Welt bringen, uns ablenken, ist nicht das
Problem. Das Problem ist die Welt, die es nötig macht.
24 Mar 2025
## LINKS
[1] /Proteste-gegen-mamolu-Festnahme/!6074351
[2] https://www.nature.com/articles/s41562-024-01948-y
[3] https://psycnet.apa.org/record/2018-61344-011
## AUTOREN
Johannes Drosdowski
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