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# taz.de -- Klimavisa für Tuvaluer: Die Vertreibung aus dem Inselparadies – …
> Dem Inselstaat Tuvalu im Pazifik droht binnen weniger Jahrzehnte der
> Untergang. Rund 80 Prozent der Bevölkerung haben nun ein Visum für
> Australien beantragt.
Bild: Inselstreifen: In 50 bis 100 Jahren könnte Tuvalu überflutet und unbewo…
Canberra taz | Das Rauschen des Meeres an einem einsamen Strand im Pazifik:
Für Touristinnen und Touristen der ultimative Südseetraum, für Einheimische
immer häufiger ein Albtraum. In Tuvalu, einem Staat nördlich von
Neuseeland, ist der Meeresspiegel in den letzten 30 Jahren um 15 Zentimeter
gestiegen. Das ist viel für eine Koralleninselgruppe, deren höchster Berg
gerade mal zwei Meter hoch ist. Häuser werden überspült, [1][Gärten und
Palmen vom Salzwasser vergiftet]. Zwei der insgesamt neun Korallenatolle
des Archipels sind bereits mehrheitlich unter den Wellen verschwunden.
Bis 2050 sollen tägliche Gezeiten die Hälfte des Hauptatolls Funafuti
überflutet haben, sagt die Wissenschaft. Auf dem oftmals nur 20 Meter
schmalen Streifen Land leben 60 Prozent der Menschen des Landes. Tuvalu
könnte die erste Nation der Welt sein, die komplett dem steigenden
Meeresspiegel zum Opfer fällt.
So muss nicht erstaunen, dass viele der etwas über 10.000 Bewohnerinnen und
Bewohner jede Gelegenheit nutzen, um das Land zu verlassen. Ein Angebot
Australiens für ein entsprechendes Visum ist in der Inselnation auf
überwältigendes Interesse gestoßen. Seit der Eröffnung einer Visa-Lotterie
Anfang Juni haben laut offiziellen Zahlen 8.750 Personen ihr Interesse
angemeldet, wie es Ende Juli hieß. Inklusive der Familienangehörigen der
Erstregistrierten liegt die Zahl der Auswanderungswilligen damit bei über
80 Prozent der Bevölkerung. Seit dem 25. Juli läuft die Lotterie, ein
halbes Jahr lang bis Ende Januar 2026.
## 40 Jahre dauert rechnerisch der Insel-Umzug
Doch die meisten werden warten müssen: Eine Obergrenze von 280 Visa pro
Jahr soll sicherstellen, dass die Migration nach Australien nicht zu einer
Abwanderung von Fachkräften führt. Damit würde es rein rechnerisch etwa 40
Jahre dauern, bis die komplette Bevölkerung umgezogen ist. Australien hatte
das Visum im Rahmen eines 2024 unterzeichneten Klima- und
Sicherheitsabkommens mit Tuvalu angekündigt. Es sei ein Zeichen
gutnachbarlicher Beziehungen, so der australische Premierminister Anthony
Albanese damals, ein Bekenntnis zur sogenannten „pazifischen Familie“.
Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP meinte das australische
Außenministerium, der Vertrag sei „weltweit das erste Abkommen dieser Art,
das angesichts der sich verschärfenden Klimafolgen einen Weg für eine
würdevolle Mobilität ebnet. Außerdem bietet es den Tuvaluanern die
Möglichkeit, in Australien zu leben, zu studieren und zu arbeiten“.
Letiu Afelee, Vater von fünf Söhnen, hält den Vertrag, den sogenannten
Falepili-Pakt, für dringend nötig. „Wenn die Vorhersagen stimmen und Tuvalu
in 50 Jahren unter Wasser ist, brauchen wir einen Ausweg“, sagte er dem
britischen Guardian.
Der Falepili-Pakt verpflichtet Australien auch, Tuvalu im Falle von
Naturkatastrophen, Gesundheitskrisen und „militärischen Aggressionen“ zu
verteidigen. „Zum ersten Mal gibt es ein Land, das sich rechtlich
verpflichtet hat, Tuvalu auf dessen Bitte hin zu Hilfe zu kommen, wenn
Tuvalu von einer schweren Naturkatastrophe, einer Gesundheitskrise oder
einer militärischen Aggression betroffen ist“, so der tuvaluanische
Premierminister Feleti Teo.
Andere Stimmen feierten das Abkommen als „Vorbild für Klimagerechtigkeit“.
Doch Kritiker sagen, die [2][vermeintliche Großzügigkeit Australiens] habe
einen Haken. Denn im Gegenzug musste sich Tuvalu verpflichten, keine
sicherheits- oder verteidigungsbezogenen Abkommen mit anderen Ländern
einzugehen, ohne Australien vorher zu konsultieren.
Für Beobachter ist klar, mit dieser Klausel versucht Australien, den
wachsenden Einfluss Chinas im pazifischen Raum zu kontrollieren und
einzudämmen: Visa gegen Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit. Tuvalu
ist einer von nur zwölf Staaten, die noch formelle diplomatische
Beziehungen zu Taiwan unterhalten. China sieht den östlich von seiner Küste
gelegenen Inselstaat als Teil seines Staatsgebiets an.
Laut der Politologin und Sicherheitsexpertin Emma Shortis von der
Denkfabrik Australia Institute in Canberra hat Australien noch aus einem
anderen Grund ein Glaubwürdigkeitsproblem, wie sie gegenüber der taz
erklärt: Seit Jahrzehnten bereisten australische Politiker die pazifische
Region. „Sie erkennen dabei zwar an, dass der Klimawandel und seine Folgen
ein existenzielles Sicherheitsproblem darstellen für die Pazifikstaaten.
Dann aber kehren sie nach Hause zurück und [3][bewilligen neue Kohleminen
und Gasfelder].“
## Drittgrößter Kohleexporteur
Australien ist der drittgrößte Kohleexporteur weltweit und trägt damit
maßgeblich zur globalen Klimakrise bei. Die sozialdemokratische Regierung
unter Anthony Albanese hat mehrfach klargemacht, den lukrativen Handel mit
den fossilen Rohstoffen in Zukunft sogar noch stärken zu wollen.
Analystin Shortis meint, Politiker:innen und Bewohner:innen der
pazifischen Inselnationen hätten die Doppelmoral Canberras schon lange
durchschaut. Wenn es um das Thema Klima gehe, gelte Australien im Pazifik
schon seit Jahren als das, was man in der Sicherheitspolitik einen „bad
faith actor“ nennt – einen böswilligen Akteur.
1 Aug 2025
## LINKS
[1] /Folgen-der-Klimakrise-auf-die-Meere/!6012024
[2] /IGH-Gutachten-zum-Klimaschutz/!6103498
[3] /Internationaler-Gerichtshof/!6103474
## AUTOREN
Urs Wälterlin
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