# taz.de -- Emiko Gejic über die Clubkrise in Berlin: „Flexibel bleiben für… | |
> Steigende Kosten, verändertes Ausgehverhalten, Verdrängungsprozesse: Die | |
> Clubszene leidet, immer mehr geben auf. Ein Gespräch über Wege aus der | |
> Krise. | |
Bild: Der berühmte Club Watergate musste Ende vergangenen Jahres nach 22 Jahre… | |
taz: Frau Gejic, in Berlin haben Clubs wie das [1][Watergate] zugemacht, | |
weil es sich finanziell nicht mehr gerechnet hat. Andere Clubs wie das | |
[2][SchwuZ] kommen ins Trudeln. Wie ernst ist die Lage? | |
Emiko Gejic: Zu diesem Thema haben wir vergangenes Jahr eine Umfrage unter | |
unseren Mitgliedern gemacht. 46 Prozent der Clubbetreibenden hat angegeben, | |
dass die Lage finanziell und wirtschaftlich sehr schwierig ist und dass | |
viele in Erwägung ziehen, ihren Betrieb irgendwann im nächsten Jahr zu | |
schließen. | |
taz: Die Hälfte ist eine erschreckende Zahl. Was sind die Gründe für die | |
Schwierigkeiten? | |
Gejic: Neben der generell angespannten wirtschaftlichen Lage spielen | |
unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Da sind die steigenden Mieten, die | |
schon immer ein Hauptgrund für Clubschließungen waren. Die Energiekosten | |
sind extrem nach oben gegangen. Dazu kommt der Anstieg des Mindestlohns, | |
der sich auf kleinere Betriebe immer stärker auswirkt. Auch der Rückgang | |
von Besucher:innenzahlen macht den Clubs zu schaffen. Der Tourismus | |
ist nicht mehr auf dem Niveau von vor Corona und generell gehen Leute | |
weniger aus und konsumieren weniger Alkohol – das hat natürlich | |
wirtschaftliche Auswirkungen. Und dann kommen eventuell Schwierigkeiten mit | |
der Fläche, mit der Nachbarschaft, mit dem Bezirk dazu. Und obendrauf auch | |
noch die erhöhte Grundsteuer. | |
taz: Was kann man da tun? | |
Gejic: Das kommt auf das Problem an. Nehmen wir nur mal die Vermietungen. | |
Manche Clubs stehen auf Privatflächen, manche auf landeseigenem Gelände. | |
Bei Privaten kann man von außen leider kaum etwas tun, wenn sie die Miete | |
erhöhen. Gewerbemieten sind nun mal nicht reguliert. Bei landeseigenen | |
Flächen kann man politischen Druck ausüben. Es gibt Leute in der Politik, | |
auch im Senat, die die Clubs unterstützen wollen. Und auch mit den Bezirken | |
kann man über bestimmte Dinge reden. Aber ansonsten … | |
taz: … kämpfen die Clubs mit den sich dramatisch verändernden | |
wirtschaftlichen Faktoren wie alle anderen Unternehmen und Privathaushalte? | |
Gejic: Ja, in dem Sinne ist das mit dem Eingreifen sehr beschränkt. Wir | |
erleben grade eine Transformationszeit. Nicht nur die Clubszene, sondern | |
generell die freie Kulturszene und Kunstlandschaft in Berlin, die sich | |
wegen der Kürzungen teilweise neu orientieren muss, andere Mittel und Wege | |
für die Finanzierung finden muss. Die schwierige wirtschaftliche Lage | |
drängt zur Transformation. Man muss versuchen, flexibel zu bleiben und neue | |
Formate zu schaffen. | |
taz: Wie könnten neue Ideen aussehen? | |
Gejic: Das ist extrem unterschiedlich, club- und szenenspezifisch. Für | |
manche ließe sich zum Beispiel überlegen, wie man ein anderes Publikum | |
anziehen könnte. Im Programming, Booking, bei Kommunikation und | |
Kollaborationen kann es Änderungen geben. Man kann in neuen Partnerschaften | |
zusammenarbeiten oder die Räumlichkeiten anderweitig vermieten. Auch | |
Wirtschaftsförderung könnte es geben. Clubs werden derzeit nicht gefördert | |
und durch die Kulturförderung wird aufgrund der hohen Kürzungen künftig | |
nicht mehr so viel möglich sein. Aber man könnte zum Beispiel über die | |
Förderung von Modernisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen nachdenken, | |
die bestimmte Prozesse effizienter machen, um Kosten zu sparen. | |
taz: Haben Sie dazu schon etwas von Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey | |
(SPD) gehört? In Grußworten ist die Politik ja stark, von wegen | |
Aushängeschild Clubkultur. Aber gibt es auch ein Förderprogramm für | |
Clubkultur? | |
Gejic: Frau Giffey hat uns tatsächlich zu einem Treffen eingeladen, da ging | |
es um Input unsererseits und auch um mögliche Förderungen seitens der | |
Wirtschaftsverwaltung. Welche Art von Förderung tatsächlich nützlich wäre, | |
muss man mit den einzelnen Clubbetrieben besprechen. Da ging es zum | |
Beispiel um Themen wie die hohen Energiekosten. Die könnten sich eventuell | |
senken lassen, indem Clubs besser isoliert werden. Hier könnte eine | |
Wirtschaftsförderung greifen. Viele Clubs befinden sich in uralten | |
Gebäuden, die sehr viel Energie fressen, die schwer beheizbar sind etc. | |
taz: Apropos Senat. Der hat kürzlich den [3][Bebauungsplan für ein Hotel] | |
in unmittelbarer Nähe zum Club About Blank genehmigt. Diese Entscheidung | |
hat viele verwundert. Die Clubcommission bezeichnet das als einen „weiteren | |
Schlag gegen die Clubkultur und bezirkliche Sozialstrukturen“ – warum? | |
Gejic: Der Bezirk hatte sich ja klar dagegen gestellt, deshalb ist es für | |
uns überraschend und unverständlich, warum diese Entscheidung gegen ihn | |
getroffen wird. In Friedrichshain-Kreuzberg wurde schon extrem viel | |
Subkultur verdrängt. Überall, von der Rummelsburger Bucht, entlang des | |
Spreeufers bis zum Ostkreuz, wird viel Gewerbe gebaut, viele Hotels, die | |
nicht den Tourismus ankurbeln werden. Wenn man die Clubs und | |
Kulturstandorte verdrängt, rechnet sich das langfristig nicht. Die | |
Besucher:innen kommen ja wegen der Kulturlandschaft und des | |
Nachtlebens, nicht wegen der Hotels. Das ist eine sehr kurzsichtige | |
Stadtentwicklungsstrategie. | |
taz: Das About Blank ist ja auch anderweitig bedroht. | |
Gejic: Der Club ist in einer schwierigen Lage, auch wegen des drohenden | |
Weiterbaus der A100, auch wenn immer noch nicht klar ist, ob die | |
Verlängerung kommen wird oder nicht. Die Stadt wird gerne als bunte, | |
kreative Feiermetropole vermarktet, was sie ja auch ist, aber das ist sie | |
ja nun mal durch die Clubkultur. Und die braucht Unterstützung, damit das | |
so bleibt. Deshalb stellen wir uns klar gegen solche Bebauungsmaßnahmen. | |
taz: Themenwechsel: Das veränderte Ausgehverhalten ist auch eine | |
Generationsfrage. Junge Leute gehen anders aus als in früheren Jahrzehnten. | |
Wie kann man dem begegnen? | |
Gejic: Die Feierszene verändert sich natürlich. Ein großes Thema ist, dass | |
Clubs immer viel Geld mit dem Verkauf von Alkohol und anderen Getränke | |
verdient haben. Nun gibt es eine jüngere Generation, die weniger oder | |
teilweise gar keinen Alkohol trinkt. Es macht jetzt nicht viel Sinn, das | |
einfach nur zu betrauern. Weniger Alkoholkonsum hat ja auch viel Positives, | |
die Szene feiert viel achtsamer, es gibt mittlerweile viele „Sober-Raves“. | |
Mit solchen Trends kann man mitgehen und überlegen, wie man neue junge | |
Kollektive anziehen, wie man alternative Formate schaffen kann. Auch | |
Getränkeangebote haben sich weiter entwickelt, alkoholfreie Versionen | |
liegen im Trend, davon kann man mehr anbieten. | |
taz: Was lässt sich noch tun? | |
Gejic: Das ist wieder sehr abhängig von der jeweiligen Szene oder dem | |
jeweiligen Club. Manche setzen vermehrt auf Community-Events und holen sich | |
junge Kollektive als Mitveranstalter ins Boot, damit diese mitgestalten | |
können. Ein großes Problem ist: Es gibt die alten Clubs, die vor vielleicht | |
20 Jahren aufgemacht haben, die ihre Standorte noch halten können. Dagegen | |
es ist für junge Club-Kollektive und junge Kulturschaffende sehr schwierig, | |
neue Standorte zu finden. Deshalb ist es wichtig, dass zusammengearbeitet | |
wird, Allianzen und Kollaborationen entstehen. Kollektive haben ihre | |
eigenen Communities, sie wissen genau, wie man diese ansprechen muss. Das | |
heißt: Die Leute, die gerne feiern wollen, gibt es auf jeden Fall. | |
taz: Werden wir in Zukunft öfter außerhalb des inneren Stadtrings tanzen | |
gehen, wo es noch erschwingliche Räume und vielleicht auch weniger Probleme | |
mit Lärm gibt? | |
Gejic: Das die Clubszene wandert, ist ein ganz normaler Prozess und nichts | |
Neues. Wer hätte gedacht, dass sich eines Tages Oberschöneweide als | |
Clubstandort entwickelt? Mittlerweile gibt es dort Locations wie das | |
[4][Revier Südost], die gut funktionieren. Auch, weil viele Standorte in | |
Kreuzberg und anderswo nicht mehr da sind. Leute, die feiern gehen wollen | |
und ein ganz bestimmtes Programm sehen wollen, nehmen die Reise auf sich. | |
Berlin ist eine große Stadt und hat vielseitige Bezirke, da gibt es immer | |
noch Optionen – es ist eher die Frage, was Flächen kosten … | |
taz: … und allem anderen, die Bürokratie nicht zu vergessen. | |
Gejic: Natürlich hat sich alles professionalisiert. Früher konnte man | |
einfach eine alte Halle bespielen, ein Soundsystem reinstellen und hatte | |
keine großen Genehmigungsverfahren. Um heute einen Club zu eröffnen, | |
braucht es Brand- und Schallschutz sowie Genehmigungen. Mittlerweile gibt | |
es Anstellungsverhältnisse in den Clubs, das war früher nicht so. Alles ist | |
viel professioneller geworden, und das hat auch mit Sicherheit zu tun. | |
Dadurch ist es aber schwieriger, neue Formate aus dem Boden zu stampfen, wo | |
man sich mal ausprobieren kann. Das heißt, die Konzepte müssen schon sehr | |
viel durchdachter sein, mit einem Businessplan und dann auch funktionieren, | |
weil es sich sonst nicht rechnet. Das heißt, dass vor allem subkulturelle, | |
alternative und experimentelle Formate Schwierigkeiten beim Finden neuer | |
Flächen haben. | |
taz: Damit sind wir wieder bei den Kosten angelangt. | |
Gejic: Es ist alles sehr schwierig und man sieht eher, was alles nicht | |
funktioniert, wo Clubs am strugglen sind. Aber es gibt auch viele neue | |
Veranstaltungen, Formate und immer wieder neue Ideen und Kollektive. Das | |
ist sehr inspirierend, vor allem, was kleine und junge Kollektive | |
veranstalten. Es wird sich immer weiterentwickeln. Es wird auch nicht | |
irgendwann vorbei sein mit der Clubkultur, aber Zeiten ändern sich und was | |
wäre Kunst- und Kultur, wenn sie sich nicht auch ändern würde? | |
taz: Sie blicken also optimistisch in die Zukunft? | |
Gejic: Ich gucke sowieso optimistisch in die Zukunft, was bleibt einem | |
sonst? Ich bin Berlinerin, habe die ganzen Veränderungen, die | |
Gentrifizierung und den Stadtwandel mitbekommen. Es ist auch ein Berliner | |
Ding, sich sehr darauf zu berufen, wie viel besser alles früher war. Aber | |
im Grunde hat sich auch vieles zum Positiven verändert. Berlin ist sehr | |
viel internationaler, viel diverser geworden. Es gibt viele solidarische | |
Netzwerke, Veranstalter:innen aus queeren und migrantischen | |
Communities. Und es gibt viele neue Formate, die mehr Fokus auf Community, | |
auf Impact, Diversität, Inklusion und Awareness legen. Das heißt, es geht | |
sowieso weiter und es wird auch nicht vorbei sein mit der Clubkultur. | |
15 Jul 2025 | |
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Andreas Hergeth | |
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