# taz.de -- Clubs am Stadtrand: Liegt eine Lösung in Tegel? | |
> Berlins Clubs sind unter Druck: Etablierte Läden schließen. Für neue Orte | |
> werden sich innerhalb des Rings kaum mehr Locations finden lassen. | |
Bild: Zeigt, dass es an der Peripherie gehen kann, ist aber auch in der Nähe v… | |
Berlin taz | Leute, die aus dem [1][Club Watergate] torkelten. | |
Erwartungsfreudige, die erst noch in diesen hinein wollten. Und Taxis, die | |
Schlange standen, [2][um Raver einzusammeln]: An den Wochenenden herrschte | |
an der Oberbaumbrücke in Friedrichshain immer Ausnahmezustand. Das | |
Watergate gibt es nun seit Anfang des Jahres nicht mehr, und seitdem geht | |
es an den Wochenenden dort um einiges ruhiger zu. | |
Die Befürchtung ist groß, dass immer mehr Clubs dem Beispiel des Watergates | |
folgen müssen und verschwinden. Denn wenn selbst ein derart gut etablierter | |
Laden kriselt und mit den Mietkonditionen nicht mehr klarkommt, dann kann | |
das Aus auf letztlich so ziemlich jeden Club zukommen. | |
Die Gründe, warum bestimmte Läden in Nöten stecken, sind dabei ganz | |
unterschiedlich. Insgesamt allerdings sind subkulturell ausgerichtete Clubs | |
– und als solche versteht sich immer noch die Mehrheit in Berlin – unter | |
Druck geraten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass demnächst irgendwo in | |
Friedrichshain oder Kreuzberg ein wilder neuer Partyort entsteht, wo die | |
Bierpreise noch okay sind, die ist ziemlich gering. Denn die super Location | |
zu guten Mietkonditionen und ohne schon bald von Ravern genervten Nachbarn, | |
an der dieser entstehen könnte, die gibt es in Berlins Zentrum praktisch | |
gar nicht mehr. | |
Warum also nicht an den Stadtrand mit seinem Club? Es gebe dort immerhin | |
„Vorteile, die es in der Innenstadt nicht mehr gibt: Platz, | |
Gestaltungsmöglichkeiten und billigere Mieten“, sagt Jakob Turtur, der als | |
Teil eines Kollektivs selbst einen Club mitbetreibt, den Johnny Knüppel im | |
Prenzlauer Berg. Allerdings nur als Zwischennutzer – das Ende kann | |
jederzeit auch für diesen Club kommen. | |
## Spendenkampagne zur Rettung | |
Die viel gerühmte Berliner Clublandschaft, die in den letzten Jahrzehnten | |
gehörig das Image Berlins in der ganzen Welt mitgeprägt hat, ist eben nicht | |
quasi naturgegeben und unzerstörbar. Auch der Club [3][Mensch Meier] im | |
Prenzlauer Berg musste aufgeben, nachdem es nach Corona nicht mehr so lief | |
wie erhofft. Das [4][about blank] am Ostkreuz versucht gerade, sich mit | |
einer Spendenkampagne zu retten. | |
Turtur hat für die [5][Berliner Clubcommission], den Lobbyverband der | |
hiesigen Clubs, bereits in der Praxis die Gegebenheiten für einen Club | |
ausgekundschaftet, der sich an der Peripherie befindet. Er hat die erste | |
Phase bei der längerfristig angelegten Pioniernutzung der Modellfläche TXL | |
auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel mitgeleitet. | |
Hier entsteht gerade ein ganzes Stadtquartier neu, großspurig auch Urban | |
Tech Republic genannt. Noch auf den ehemaligen Berliner Kultursenator Klaus | |
Lederer geht die Idee zurück, nicht nur Wissenschaft hier draußen | |
anzusiedeln, sondern auch ein bisschen Kultur, oder besser gesagt: | |
Clubkultur. Ein Jahr lang wurde bis zum letzten Oktober deswegen eine | |
Freifläche vor der ehemaligen Catering-Küche des Flughafens von einem | |
Kollektiv im Auftrag des Berliner Kultursenats bespielt. Die Partys waren | |
kostenlos. | |
Ende letzten Jahres, als die Kürzungen des Berliner Kulturetats für so | |
viel Aufregung sorgten, war nicht klar, wie, wann und ob überhaupt die | |
weitere Bespielung ansteht. Aber das tut sie nun. An diesem Samstag geht es | |
mit einem Soft-Opening los. Ein neues, von einer Jury gewähltes Kollektiv, | |
soll nun bis 2028 (und eventuell darüber hinaus) weiter ausprobieren, wie | |
man Partyhungrige aus der Innenstadt nach Tegel lockt. Bis Ende des Jahres | |
sollen außerdem die ersten Innenräume der ehemaligen Catering-Halle | |
clubkulturell bespielt werden. Jakob Turtur sagt: „Das ist der Versuch, | |
einen geförderten Clubort zu schaffen und zu etablieren. Und das | |
funktioniert hoffentlich so gut, dass auch andere sagen: Okay, wir | |
versuchen das auch mal irgendwo am Stadtrand.“ | |
## Interesse an neuen Orten | |
Auch Lisa Weinhold von der Clubcommission, aktuell Projektleiterin der | |
Modellfläche TXL, glaubt, dass „alternative Standorte“, wie sie das nennt, | |
in Zukunft relevanter würden. Sie sagt: „Wir sehen ein wachsendes Interesse | |
an Clubkultur auch außerhalb des innerstädtischen Zentrums. In Stadtteilen | |
wie in Schöneweide haben sich inzwischen mehrere Club- und Kulturstandorte | |
etabliert, die gut angenommen werden und lebendige Orte kreativen | |
Austauschs darstellen. In Berlin gibt es generell ein gesteigertes | |
Interesse von Gästen und clubkulturellen Akteuren an neuen Orten.“ | |
Klar, extra zum Feiern raus nach Tegel zu fahren, ist vergleichsweise | |
mühsam. Bei manchen Veranstaltungen habe es in der ersten Phase des | |
Pilotprojekts Modellfläche TXL aber immerhin extra Shuttles gegeben, einen | |
Service, der in naher Zukunft hoffentlich noch ausgebaut werde, so | |
Weinhold. Letztlich seien die Veranstaltungen immer gut besucht gewesen, | |
„trotz der herausfordernden Erreichbarkeit. Das zeigt uns, dass der Ort | |
interessant genug ist, um auch diese Umstände auf sich zu nehmen.“ | |
Die ersten Signale, die die Modellfläche in Tegel also aussendet, deuten | |
darauf hin, dass es zur Not auch an der Peripherie klappen könnte mit der | |
Etablierung relevanter Clubs, falls irgendwann zwischen Ostkreuz und | |
Fernsehturm wirklich nur noch clubkulturelle Leere eintreten sollte. Und | |
mit dem Revier Südost in Schöneweide (RSO) gibt es immerhin auch schon | |
einen Premium-Club, der sich abseits des Stadtzentrums hält. | |
Trotzdem, so Jakob Turtur, sei es „eine beschissene Entwicklung, dass Clubs | |
gezwungen sind, an den Stadtrand zu ziehen“. Ein Stück urbaner Vielfalt | |
würde dabei verloren gehen, „das merkt man Berlin inzwischen auch schon | |
an“. Außerdem sollten seiner Meinung nach gute Clubs mehr bieten als bloß | |
Partys. Etwa kleine Veranstaltungen auch unter der Woche. „Aber dann für | |
ein Konzert eine Stunde lang unterwegs zu sein, ist relativ uninteressant“, | |
findet er. Clubs, wie er sie sich für Berlin wünscht, „müssten auch | |
weiterhin Platz in der Innenstadt finden“. | |
12 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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