# taz.de -- Clubsterben in Berlin: Ein Grabstein für das Watergate | |
> In Berlin schließen derzeit mehr Clubs, als neue aufmachen. Eine | |
> Initiative stellt nun Steine auf, um an ehemalige Partyorte zu erinnern. | |
Bild: Mit umfunktionierten Grabsteinen macht das Kollektiv Steinzeit.Alter auf … | |
Ist Berlin auf dem Weg dahin, ein Club-Friedhof zu werden? Sind die | |
Jahrzehnte vorbei, in denen die Stadt kaum etwas tun musste für ihren | |
weltweiten Ruf als Feiermetropole? [1][Anzeichen dafür mehren sich], und | |
nun hat sich ganz praktisch vor dem Eingang zum ehemaligen Club Watergate | |
ein Grabstein für eben jenen Club manifestiert. Aufgestellt hat ihn nach | |
eigenen Angaben die Initiative „Steinzeit.Alter“, die [2][damit auf das | |
Clubsterben aufmerksam] machen will. Das Watergate hatte zum Jahresende | |
geschlossen, die Betreiber hatten den Vertrag nicht verlängert, weil [3][es | |
sich finanziell nicht mehr gelohnt] habe, wie sie sagten. | |
Nun bricht dort ein glänzend polierter, rötlicher Grabstein aus den | |
kleinen, quadratischen Pflastersteinen des Bürgersteigs hervor. Eingraviert | |
ist das W im Watergate-Schriftzug, geformt aus zwei abgerundeten Bögen, die | |
in der Mitte statt durch eine Spitze nach oben mit einer kleinen Schlaufe | |
verbunden sind. Darunter die Jahreszahlen: 2002-2024. | |
Zwei Grablichter stehen rechts und links neben dem Stein, die Kerzen | |
brennen noch. Rosen und Tulpen liegen davor, silbernes Glitzerkonfetti | |
drumherum, außerdem eine Kreuz-Bube-Spielkarte und – vermutlich weniger | |
absichtlich – braune Bierflaschenscherben und ein Kronkorken. Auch | |
zahlreiche [4][Watergate-Sticker an den umliegenden Laternenmasten] | |
erinnern noch an den Club. | |
## Blickfang für Tourist*innen | |
Die Voraussetzungen sind gut, dass der Grabstein zur Sehenswürdigkeit wird: | |
Hier, direkt an der Oberbaumbrücke, kommen viele Tourist*innen vorbei | |
und der Stein fällt auf. Eine etwa dreißigjährige Frau in Leggins und | |
weißer Daunenjacke hält am Montagmittag kurz inne. Sie geht dicht vor dem | |
Stein in die Hocke, um eine bessere Perspektive für ihr Foto zu bekommen. | |
Mit etwas mehr Abstand bleibt ein Pärchen vor dem Stein stehen. Die beiden | |
Mittzwanziger sind aus den Niederlanden, sie verbringen ein Wochenende in | |
Berlin. Gehört haben sie schon vom Watergate, na klar. „I never went“, sagt | |
der Mann, es klingt bedauernd. „But I know it was a cool place.“ | |
Zwei etwa fünfzigjährige Frauen laufen vorbei, sie unterhalten sich auf | |
türkisch, ihr Blick streift den Stein. Ob hier wohl ein Kind begraben ist, | |
fragt sich die eine. Nein, kein Kind, [5][ein geschlossener Club]. „Achso, | |
dann hat sich jemand umgebracht, weil der Club schließen musste?“, vermutet | |
sie weiter. Ihre Freundin beruhigt sie. Hier sei kein Mensch gestorben. Die | |
erste lacht erleichtert. Und fügt dann an: „Aber dass es den Club nicht | |
mehr gibt, ist ja auch schlimm und traurig.“ | |
Das Kollektiv kündigt auf Instagram an, dass sie [6][weitere Grabsteine vor | |
ehemaligen Clubtüren aufstellen] wollen. Die Steine stammten von | |
aufgelösten Gräbern. „Die Auftragsbücher sind voll“, schreiben sie. Denn: | |
„Hier werden nicht nur Türen geschlossen, hier verklingt das Echo einer | |
Stadt.“ | |
Apropos Echo: Etwas weniger auffällig, zwei Meter vom Grabstein entfernt, | |
glitzert ein Stolperstein im Pflaster. „Hier wohnte Lieselotte Moses, geb. | |
Gerson“, steht darauf. 1914 geboren, war sie 1943 deportiert und in | |
Auschwitz ermordet worden. Die Falckensteinstraße 49, dort, wo später das | |
Watergate eröffnete, war ihre letzte Wohnadresse. | |
27 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Krise-im-Nachtleben/!6046712 | |
[2] /Clubkultur-in-Berlin/!6030475 | |
[3] /Ende-des-Clubs-Watergate/!6034225 | |
[4] /Ein-alletztes-Mal-Schlange-stehen-vorm-Watergate/!6053087/ | |
[5] /taz-adventskalender-24-stunden-2/!6053298 | |
[6] /Clubsterben-in-Berlin/!6027065 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
## TAGS | |
Clubsterben | |
Party | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Techno | |
Clubkultur | |
Grundsteuer | |
taz Plan | |
taz-Adventskalender | |
Clubs | |
Padovicz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Abgabe: Die Grundsteuer könnte Berlins Clubs killen | |
Friedrichshain-Kreuzberg müsste die neue Steuer von den Clubbetreibern | |
einholen. Nun fordert der Bezirk vom Land, die Abgabe komplett zu erlassen. | |
Bewegungstermine in Berlin: Der Wohnungskampf ist antifaschistisch | |
Das Mietenthema ist ein Alleinstellungsmermal linker Politik. Ausnahmsweise | |
macht Die Linke alles richtig, wenn sie das Thema in den Fokus stellt. | |
taz-adventskalender „24 stunden“ (2): 2 Uhr im Club Watergate | |
Im Watergate ist die Hölle los. Die Party tobt. Doch Abschied liegt in der | |
Luft. Der Club wird zum Jahresende schließen. Es rechnet sich nicht mehr. | |
Krise im Nachtleben: So schlecht geht es den Berliner Clubs | |
Umsatz und Gewinn der Clubs brechen im ersten Halbjahr 2024 um mehr als die | |
Hälfte ein. Betreiber fürchten um die Diversität der Szene. | |
Clubsterben in Berlin: Eine Schneise der Verwüstung | |
Der traditionsreiche Technoclub Wilde Renate soll Ende nächsten Jahres | |
schließen. Schuld ist noch nicht die A100, sondern ein dubioser Spekulant. |