# taz.de -- Versorgung von trans* Männern: Ein Mann, eine Gebärmutter – und… | |
> Für viele trans* Männer ist der Besuch bei Gynäkolog*innen eine | |
> Zumutung – oder unmöglich. Doch es gibt Ausnahmen – und sie machen | |
> Hoffnung. | |
Bild: Große symbolische Bedeutung: der Uterus, hier in Form von Blumen beim �… | |
Rauf auf den Stuhl, Beine auf die Stützen. Halb nackt und fröstelnd hofft | |
man auf eine einfühlsame Behandlung. „Das Becken noch ein kleines Stück | |
nach vorne, bitte.“ Was für cis Frauen schon unangenehm ist, ist für trans* | |
Personen oft noch belastender. | |
Der 20-jährige [1][trans* Mann] Nathan hat in zwei Wochen seinen ersten | |
Vorsorgetermin bei einer Gynäkologin, schreibt er auf Anfrage. Der Student | |
aus Chemnitz erwartet die Untersuchung mit Nervosität – aus Sorge vor | |
unsensibler Sprache, fehlendem Wissen zu Testosteron und mangelndem | |
Verständnis für Geschlechtsdysphorie. | |
Menschen mit Geschlechtsdysphorie leiden, weil ihre | |
[2][Geschlechtsidentität] nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen | |
Geschlecht übereinstimmt. Psychotherapeut Alexander Röbisch-Naß mit | |
Arbeitsschwerpunkt trans* Personen erklärt, viele von ihnen hätten | |
Probleme, nackt vor dem Spiegel zu stehen oder zu duschen – eine intime | |
Untersuchung werde so zur großen Belastung. Den Körper zu ignorieren, | |
mildere die [3][Dysphorie]. Deshalb meiden viele Arztbesuche. | |
Niklas ging es ähnlich. Der junge trans* Mann leistet in Chemnitz seinen | |
Bundesfreiwilligendienst. Heute geht er regelmäßig zur Vorsorge. Auch der | |
Hormonersatztherapie unterzieht er sich in einer gynäkologischen Praxis. | |
Allerdings sind diese Vorsorgeuntersuchungen keine Pflicht bei der | |
Hormonersatztherapie, obwohl durch die Vergabe das Krebsrisiko steigt. Zu | |
Beginn verzichtete Niklas auf die Untersuchungen, ließ sich nur Testosteron | |
verschreiben. Seit für ihn feststeht, dass er seine Gebärmutter behalten | |
wird, lässt er sie untersuchen. „Und wenn ich jetzt nicht aktiv nach der | |
Unterleibsuntersuchung fragen würde, würde meine Gynäkologin es auch nicht | |
machen“, beschreibt er. | |
Ein Mann mit Gebärmutter? Seine Ärztin frage ihn immer wieder, wann er | |
weitere Operationen machen werde. Unter Druck habe er dann erklärt: „Ich | |
werde keine weiteren fünf Operationen machen, meine Transition ist | |
abgeschlossen.“ | |
## Expert*innen für eigene Situation | |
Niklas ist trotz des „veralteten Bildes“ seiner Gynäkologin zufrieden, da | |
sie nicht trans* feindlich sei. Allerdings fehle ihr die nötige Expertise. | |
Die zu niedrige Anfangsdosis seines Testosterongels passte Niklas nach | |
Erhalt seiner Blutwerte selbst an, da es sonst zu Nebenwirkungen kommt. | |
Betroffene müssen häufig Expert*innen für ihre eigene Situation werden. | |
Es fehlt an Fachwissen und auch an sensiblen Ärzt*innen. Was das in der | |
Praxis bedeutet, erleben trans* Menschen oft schon beim Versuch, einen | |
Arzttermin zu vereinbaren. Nach der Nennung von Namen und Pronomen folgt | |
nicht selten irritiertes Nachfragen, gefolgt von einer Absage – man | |
behandle nur Frauen, wegen der Krankenkassen, so die Schilderung einiger | |
Betroffener. | |
Psychotherapeut Röbisch-Naß betont, dass es an der Bereitschaft mangle, | |
sich mit trans* Patient*innen zu beschäftigen. „Fachliche | |
Unsicherheiten werden oftmals weggeschoben und auf externe Themen | |
verlagert, die nichts mit der Fachperson zu tun haben.“ So hören trans* | |
Personen immer wieder, dass es angeblich nicht möglich sei, die | |
Behandlungen abzurechnen, da Gynäkolog*innen nur Personen mit einem | |
weiblichen Geschlechtseintrag behandeln dürfen. | |
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen stellt auf Anfrage klar: | |
Für die Abrechnung sei maßgeblich, welche Geschlechtsorgane vorlägen, | |
nicht, welche Eintragungen gemacht wurden. | |
Den Mythos, womöglich auf den Behandlungskosten sitzen zu bleiben, kennt | |
auch die Leipziger Gynäkologin Susan Wolf. Das Problem sei neben fehlendem | |
Wissen vor allem, dass finanzielle Anreize für den höheren | |
Behandlungsaufwand fehlen. | |
Mehr noch: „Meine Kolleginnen sind da alle wenig oder gar nicht | |
aufgeschlossen. Sie nehmen auch keine neuen Patientinnen an, schon gar | |
nicht dann, wenn sie erahnen, dass sie vielleicht ein bisschen anders sein | |
könnten, als sie es gewohnt sind“, sagt die Ärztin. | |
## Expertise nur durch Weiterbildungen | |
Von Susan Wolfs rund 1.000 Patient*innen pro Quartal behandelt sie etwa | |
5 trans* Männer und Frauen sowie 10 bis 15 Personen mit diversem | |
Geschlechtseintrag. „Wenn sie mich nicht hätten, hätten sie ja niemanden“, | |
sagt die 50-Jährige. | |
Hinweise in der Praxis sind gegendert, der Ansprachewunsch wird abgefragt. | |
„Manche mit einem Vornamen, manche mit Herr, Frau oder eben gar nicht. Da | |
sind sie schon so dankbar, da merke ich erst mal, das ist nicht ganz | |
selbstverständlich“, erklärt Wolf. | |
Die inklusive Praxis stößt auf gesetzliche Hürden: „Frauenärztin“ steht | |
auf der Website, was Personen wie Niklas oder Nathan ausschließt. Die | |
geschützte Bezeichnung lässt nur die Alternative „Gynäkologie und | |
Geburtshilfe“ zu – doch Wolf bietet keine Geburtshilfe an. | |
Wolf hat sich ihre Expertise zur Behandlung von trans* Menschen über Jahre | |
durch Weiterbildungen, Seminare und das Studium anderer Medikationen | |
angeeignet. | |
Hormontherapien zu verschreiben, sei leicht: „Es ist auch nichts anderes, | |
als die Pille zu verschreiben. Natürlich in einer gewissen Konzentration, | |
aber es ist nicht kompliziert“, sagt sie. Die Sorge vor juristischen | |
Konsequenzen bestehe jedoch, da die Wirkung der Hormone nicht | |
vollumfänglich untersucht worden sei. | |
Dies kann im Zweifel bedeuten, dass Ärzt*innen verklagt werden können. | |
Wolf könnte sich vorstellen, dass Kolleg*innen aus dieser Furcht keine | |
Hormone verschreiben. | |
Wie sich Susan Wolf durch ihr Medizinstudium auf die Behandlung von trans* | |
Personen vorbereitet gefühlt hat? Sie lacht: „Gar nicht. Also null.“ | |
Wolfs Medizinstudium liegt 30 Jahre zurück – doch auch die neue Generation | |
fühlt sich nicht adäquat ausgebildet. „Durchs Studium? Null“, sagt Susann… | |
die seit sieben Semestern in Leipzig Medizin studiert. Selbst in der | |
Endokrinologie, der Lehre der Hormone, sei Trans*gesundheit kein Thema. | |
## Erhebliche Lücken in der medizinischen Ausbildung | |
Auch das Zwischenmenschliche, also wie man sensibel mit trans* Personen | |
umgehen könne, stehe nicht auf dem Lehrplan, fügt ihre Kommilitonin | |
Katherina hinzu. Die beiden engagieren sich an der Uni bei der | |
Hochschulgruppe Kritische Medizin Leipzig, um die medizinische Ausbildung | |
zu verbessern. | |
Die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig äußert sich schriftlich: | |
In vier Lehrveranstaltungen werde Trans*gesundheit neben weiteren Themen | |
behandelt. Zudem solle das Pflichtmodul zu Antidiskriminierung und | |
Chancengleichheit ausgebaut werden. Erstmals habe dies im Wintersemester | |
2024/25 stattgefunden. | |
Kritisiert werden dennoch erhebliche Lücken in der medizinischen Ausbildung | |
und Forschung zu Trans*gesundheit, denn die Medizin arbeitet mit | |
Normvorstellungen von Körpern und Geschlecht. Abweichungen davon werden oft | |
unsichtbar gemacht – oder pathologisiert. | |
Dass es unter Ärztinnen und in der Wissenschaft viel Unwissen zu | |
Trans*gesundheit gibt, überrascht daher wenig. Bereits praktizierende | |
Ärzt*innen müssen zwar nachweisen, regelmäßig Weiterbildungen zu | |
besuchen. Verpflichtende Themen gibt es jedoch nicht. | |
Weiterbildungen zu Trans*gesundheit sind freiwillig und selten. Die | |
Landesärztekammer Sachsen bietet wenige Kurse an, eine geplante | |
Veranstaltung zu Trans*gesundheit fiel mangels Nachfrage aus. Externe | |
Organisationen bieten ebenfalls Fortbildungen und Netzwerke an. | |
Solange das Thema nicht fest im Studium und in der Weiterbildung verankert | |
ist, hängt die Versorgung von der Eigeninitiative einzelner Ärzt*innen ab | |
– die oft gering ist, wegen Ablehnung, fehlender Anreize und Wissenslücken. | |
Sollte sich die Versorgungslage nicht bessern, könne dies gefährlich | |
werden, warnt Gynäkologin Wolf: „Dann könnte es bedeuten, dass sie ins | |
Ausland gehen oder sich irgendwas selber zusammen bestellen oder wo auch | |
immer herholen.“ | |
Sie hofft auf mehr Engagement ihrer Kolleg*innen und will aus | |
Überzeugung weitermachen: „Ich sehe mich nicht nur als Frauenärztin, | |
sondern als Menschenarzt.“ Nathans erste gynäkologische Untersuchung | |
verlief gut, auch wenn veraltete Begriffe wie „Frauenarzt“ gefallen seien. | |
Die Ärztin behandle sachlich und professionell, ohne Annahmen zu | |
Partnerschaften oder Geschlechtsverkehr – eine Überraschung für den | |
20-Jährigen. Sein Wunsch für die Gynäkologie: „Hoffentlich mehr | |
Sensibilität, was Sprache über Transition angeht.“ | |
17 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Klara Behner | |
Anne Lathan | |
Jette Nörskau | |
Mira Schrems | |
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