# taz.de -- Umbau von Büros in Hamburg: Leben, wo niemand mehr arbeitet | |
> Hamburg braucht dringend Wohnungen. Zwei Genossenschaften wollen deswegen | |
> ihre alten Büros umbauen. Das schont das Klima, ist aber keineswegs | |
> einfach. | |
Bild: Ach, wie viele Sozialwohnungen hier reinpassen würden: Stillgelegte Elbt… | |
Hamburg taz | Der Briefkasten ist schon lange mit braunem Paketband | |
zugeklebt, die Jalousie nach unten gefahren und der Haupteingang mit einem | |
Gitter versperrt. Bis auf einzelne Aktenschränke und dem grauen | |
Teppichboden ist das große Bürogebäude an der Bergedorfer Straße in Hamburg | |
komplett leer. | |
Nur das kleine Firmenschild verrät, was sich im großen Klinker-Haus einmal | |
befunden haben muss. Dort, wo die gemeinnützige Baugenossenschaft Bergedorf | |
Bille noch bis vor wenigen Jahren ihren Hauptsitz hatte, sollen Menschen | |
schon bald schlafen, wohnen und kochen können – denn die Firma plant, ihren | |
alten Bürokomplex in ein Mehrparteien-Haus umzubauen. | |
Hamburg leidet seit Jahren unter einem [1][Mangel an Wohnungen.] Begleitet | |
wird dieser von explodierenden Mieten – Hamburg gehört in Sachen | |
Mietpreisen schon länger zu den Top-Fünf der teuersten Städte Deutschlands. | |
Durch Neubau allein lässt sich das Problem nicht lösen: Auf der einen Seite | |
fehlt in attraktiven Wohngebieten der Platz für größere Bauvorhaben. Hinzu | |
kommen der enorme CO2-Ausstoß und die [2][gestiegenen Rohstoffpreise beim | |
Bauen]. | |
Andererseits stehen in Hamburg rund 850.000 Quadratmeter Bürofläche leer, | |
wie aus einer [3][Erhebung der „BNP-Paribas“] hervorgeht. Es läge nahe, | |
einen Teil davon in Wohnfläche zu verwandeln. | |
Ursprünglich sollte das 1965 errichtete Gebäude der „Bergedorf Bille“ | |
abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Doch dann entschied sich | |
die Genossenschaft, die Grundsubstanz zu erhalten: | |
„Die graue Energie ist ja schon da“, erklärt Architekt Holger Diesing, der | |
Projektleiter. Gemeint ist damit die Energie, die für den Transport, die | |
Herstellung, Lagerung und Entsorgung der Baumaterialien des Gebäudes | |
aufgebracht wurde. Sie nicht zu nutzen, wäre unvernünftig. Zumal sich das | |
alte Genossenschaftsbüro optimal eigne. | |
Im Zuge einer Umfrage zum Bauvorhaben unter den etwa 25.000 Mitgliedern | |
hatte sich der Großteil der Genossenschaft entschieden, sogenannte | |
Clusterwohnungen zu bauen. Demnach werden die alten Büro-Etagen so | |
verändert, dass um eine große Gemeinschaftsfläche herum mehrere Wohnungen | |
angeordnet werden können. | |
Jedes dieser Schlafzimmer enthalte eine kleine Teeküche sowie ein eigenes | |
Badezimmer, „so dass man sich zurückziehen kann, wenn man mal auf die | |
Wohngemeinschaft keinen Bock hat oder krank ist“, sagt Diesing. Für | |
Familien seien die Wohnungen mit mehreren Zimmern ausgestattet. Den | |
Waschraum, den Aufenthalts- und Arbeitsraum sowie eine große Küche würde | |
sich die Wohngemeinschaft allerdings teilen. So könnten acht WGs mit 32 | |
Wohnungen entstehen. Das Erdgeschoss soll eine teilgewerbliche Fläche | |
bleiben. | |
Um dieses Vorhaben umzusetzen, plant die Genossenschaft, das Gebäude um | |
drei Geschosse aufzustocken und neu zu dämmen. Auch dabei wolle man so | |
viele Materialien wie möglich erhalten, sagt Diesing. Die abgetragenen | |
Klinkersteine sollen für die Aufstockung genutzt werden, auf einer | |
sogenannten Bauteil-Börse werden gut erhaltene Baumaterialien sowie Lampen | |
verkauft und beim Umbau eingekauft. | |
## Bauen belastet das Klima | |
Denn der klimafreundliche und ressourcensparende Umbau habe für die | |
Genossenschaft von Anfang hat Priorität gehabt, sagt Diesing. Der Bausektor | |
ist für einen erheblichen Teil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich – | |
in Deutschland sind es etwa 30 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen. Laut | |
der [4][Deutschen Umwelthilfe] verbraucht die Gebäude- und Baubranche zudem | |
rund 90 Prozent der mineralischen Rohstoffe. | |
[5][Vor allem bei der Herstellung von Zement], Beton und Kunststoffen | |
entstehen viele klimaschädigende Gase. Mit einer solchen Umstrukturierung | |
spare man jedoch nicht nur CO2, man könne in diesem Pilotprojekt zudem | |
untersuchen, wie sinnvoll ein solcher Rückbau und ökologische Materialien | |
für die Baubranche generell seien, sagt Diesing. | |
Um die Stadt von ihrem Vorhaben zu überzeugen, habe die Genossenschaft bei | |
ihren Exkursionen zu ähnlichen Projekten stets das Verwaltungspersonal | |
mitgenommen: „Wir hatten deswegen von Anfang an die Unterstützung der | |
Behörden“, sagt Diesing. Eine Genehmigung für das eigene Vorhaben solle | |
voraussichtlich noch dieses Jahr erteilt werden, sodass bereits im nächstes | |
Jahr mit dem Umbau begonnen werden könne. | |
Auf bestimmte baurechtliche Anforderungen könne auch bei einer Umwandlung | |
nicht verzichtet werden, teilt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen | |
mit. Dies sei etwa beim Brandschutz und Rettungswegen der Fall. Hinzu kämen | |
„besondere nutzungsbedingte“ Anforderungen, um die Fläche bewohnbar zu | |
machen, wie etwa bei Sanitäranlagen, Belichtung, Barrierefreiheit, oder | |
auch dem Bau von Kinderspielflächen. In manchen Fällen ist auch noch eine | |
Schadstoffsanierung nötig. | |
All das koste Geld und Zeit – und mache Umwandlungsprojekte für Investoren | |
in der Breite extrem unattraktiv, erzählt ein Projektleiter. Die Kosten pro | |
Quadratmeter sind dabei oft genauso hoch wie bei einem Neubau. Dennoch | |
arbeitet die Behörde daran, die [6][Genehmigung eines solchen Umbaus zu | |
erleichtern]. | |
Im Stadteil Barmbek hat die Hansa Baugenossenschaft diese Möglichkeit | |
ergriffen. Ähnlich wie die Bergedorf Bille plante sie anfangs, ihr altes | |
Büro abzureißen und durch Neubau-Wohnungen zu ersetzen. Nach langer Planung | |
habe man sich dann doch für den Erhalt des Gebäudes entschieden, sagt die | |
Projektleiterin Marion Ebel. Auf 1.500 Quadratmetern Fläche sollen 28 | |
Wohnungen entstehen – der Großteil Sozialwohnungen. Bereits im Oktober 2026 | |
sollen die ersten Menschen in das ehemalige Bürogebäude einziehen können. | |
Neben der Grundsubstanz des alten Stahlbeton-Skelettbaus, könne man | |
Fenster, Aufzüge und Brandschutztüren erhalten. Einer der mit dem Umbau | |
beauftragten Architekten hat Ebel zufolge berechnet, dass sich die | |
Genossenschaft durch die Erhaltung etwa 800 LKW-Fuhren spare. | |
In der Hamburger Politik werden bereits seit einigen Jahren immer wieder | |
Forderungen laut, mehr solcher Umbauprojekte zu starten. Ende Juni forderte | |
die CDU-Bürgerschaftsfraktion entsprechende Pilotprojekte zu fördern: In | |
Großstädten wie Berlin und Frankfurt gebe es bereits einige solcher | |
Projekte. Der rot-grüne Senat lehnte ab, schließlich müsse man | |
gebäudespezifische Eigenschaften und baurechtliche Vorgaben stets im | |
Einzelfall betrachten. | |
## Frühere Stadtplanung wird zum Problem | |
Um sich jedoch zu vergewissern, dass diese Bauprojekte auch in der | |
Hansestadt schnell und erfolgreich umgesetzt werden können, braucht es aber | |
keine Test-Projekte, es reicht ein Blick in die Bogenallee im Stadtteil | |
Harvestehude. | |
Hier hatte ein Architektenbüro bereits vor 20 Jahren auf etwa 3.000 | |
Quadratmeter Bürofläche über vier Etagen 15 Wohnungen gebaut. Das | |
sanierungsbedürftige Gebäude aus den 70er Jahren wurde binnen eines Jahres | |
entkernt und neben einigen Änderungen im Grundriss, mit neuer Haustechnik | |
und einer neu gestalteten Fassade in Form eines Mehrfamilienhauses wieder | |
aufgebaut. | |
Trotz solcher Beispiele setzt der rot-grüne Senat immer noch auf den | |
Neubau. Die Stadt strebt an, jedes Jahr etwa 10.000 neue Wohnungen zu | |
bauen, um dem Bedarf an Wohnungen in Hamburg gerecht zu werden. | |
Viele leerstehende Büroflächen sind laut der Behörde für Stadtentwicklung | |
und Wohnen nicht ohne Weiteres geeignet, in Wohnraum umgewandelt zu werden. | |
„Insbesondere in Gewerbegebieten oder an anderen besonders lärmbelasteten | |
Standorten sind Wohnungen mitunter weder sinnvoll noch zulässig“, teilt die | |
Behörde auf Anfrage mit. | |
Dieses Problem sei allerdings hausgemacht, sagt Diesing von der Bergedorfer | |
Genossenschaft. Bei der Stadtplanung habe man lange Zeit ganze Viertel mit | |
großen Bürokomplexen entworfen. Um solche [7][Büroviertel] überhaupt | |
bewohnbar zu machen müsse deutlich mehr getan werden, als es zum Beispiel | |
für das Projekt der Bergedorfer Genossenschaft nötig gewesen sei, sagt | |
Architekt Diesing. | |
## Umbau eines alten Parkhauses wird teuer | |
Eine solches weitaus umfassenderes Projekt der Genossenschaft Gröninger Hof | |
zeigt die Grenzen dieser Umbauvorhaben. In einem alten Parkhaus in der | |
Hamburger Altstadt sollen schon in zwei Jahren Menschen in etwa 90 | |
Wohnungen leben können. | |
Neben Ein- bis Sechs-Personen-Wohnungen sollen, ähnlich wie in Bergedorf, | |
mehrere Clusterwohnungen entstehen. Finanziell und ideell unterstützt werde | |
der Umbau von der Stadt, dem Bezirk sowie in Form von Förderkrediten, sagt | |
die Vorständin der Genossenschaft, Annekathrin Bake. Zudem hat die Stadt | |
der Initiative für das Grundstück [8][ein 75jähriges Erbbaurecht gewährt.] | |
Anders als bei den Projekten in Bergedorf und Barmbek, kann beim Gröninger | |
Hof nicht wirklich von einem Umbauprojekt gesprochen werden – zu | |
umfangreich ist das Bauvorhaben mittlerweile geworden. Neben dem Fundament, | |
dem Keller und einer Brandmauer solle beim Umbau lediglich die | |
halbgeschossige Struktur des ehemaligen Parkhaueses erhalten bleiben, sagt | |
Bake. | |
Große Teile des Betons müssen abgetragen werden, da Tau-Salze der Autos die | |
Böden über die Wintermonate massiv beschädigt haben. Der mittlere Bereich | |
der Parkebenen wird nach derzeitigem Plan herausgerissen, sodass ein von | |
den Wohnungen umringter Innenhof entsteht. | |
„Abreißen und neu bauen, sagt Genossenschaftsvorständin Bake, „wäre | |
definitiv billiger gewesen.“ | |
13 Sep 2025 | |
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[3] https://www.realestate.bnpparibas.de/marktberichte/bueromarkt/hamburg-at-a-… | |
[4] https://www.duh.de/informieren/ressourcen-und-abfall/kreislaufwirtschaft-am… | |
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## AUTOREN | |
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