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# taz.de -- Dobrindt will mit Taliban sprechen: Deutschlands „Migrationswende…
> Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will direkt mit den Taliban
> über Abschiebungen verhandeln. Daran gibt es deutliche Kritik.
Bild: Ein Taliban-Kämpfer patrouilliert mit Waffe in der Hand im August 2021 i…
Berlin taz | Einst wurde im Afghanistankrieg angeblich Deutschlands
Freiheit am Hindukusch verteidigt, nun will die Bundesregierung dort
zusammen mit den Taliban die „Migrationswende“ der Union voranbringen: Der
jahrelange Krieg mit den Islamisten endete im August 2021 mit einem Sieg
der Taliban, Deutschlands Bundeswehr ist Hals über Kopf aus Afghanistan
geflohen und hat dort eine humanitäre Katastrophe hinterlassen.
Nun will Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) trotzdem mit den
fundamentalistischen Islamisten über Abschiebungen verhandeln. Das sagte
der „christsoziale“ Politiker dem Focus. Die Taliban sind bekannt für
Massaker, Menschenhandel und die Unterdrückung von Frauenrechten. Dobrindt
sagte dazu unter anderem: „Mir schwebt vor, dass wir direkt mit Afghanistan
Vereinbarungen treffen, um Rückführungen zu ermöglichen.“ Derzeit brauche
es Dritte, um Gespräche mit Afghanistan zu führen. Das dürfe keine
Dauerlösung bleiben, so Dobrindt.
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger kritisierte den Vorstoß auf taz-Anfrage
scharf: „Dass Dobrindt jetzt direkt mit den Taliban verhandeln will, ist
eine völlig falsche und gefährliche Entscheidung.“ Das stehe in klarem
Widerspruch zu Werten wie Demokratie, Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit – „schon die Gespräche über Dritte waren ein Skandal,
doch nun die direkte Verhandlung mit einem Terrorregime ist unverzeihlich.“
Dem Innenminister gehe es nur darum, Menschen um jeden Preis abzuschieben,
sagte Bünger: „Sicherheit und Schutz der Betroffenen sind ihm völlig egal.
Dabei vergisst er: Mit Terroristen verhandelt man nicht.“
Auch der grüne Innenpolitiker Marcel Emmerich sagte auf taz-Anfrage: „Union
und SPD hofieren ein Zentrum des islamistischen Terrors, nur um
Abschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen.“ Während die UNHCR und
EU-Staaten vor den Taliban warnten, bräche Dobrindt im Alleingang ein
diplomatisches Tabu, so Emmerich: „Er beginnt Beziehungen zu einem Regime,
das foltert, steinigt, Frauen unterdrückt und die Menschenrechte mit Füßen
tritt.“
## Seit Sieg der Taliban nur ein Abschiebeflug
Die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, sagte mit
Blick auf das Taliban-Regime: „Gender-Apartheid, Auspeitschungen und
Todesstrafe – all das wischt Bundesinnenminister Dobrindt beiseite, wenn er
den direkten Kontakt zu den Taliban sucht, um Abschiebungen zu
ermöglichen.“
Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den Taliban wäre eine außen- und
menschenrechtspolitische Katastrophe, so Judith. Dobrindt würde so dazu
beitragen, „das Terrorregime der Taliban international salonfähig zu
machen“. Damit schwäche er jene, „die sich in- und außerhalb des Landes f…
ein Ende der Taliban-Herrschaft einsetzen“. Hinzu käme: „Abschiebungen nach
Afghanistan sind angesichts der menschenrechtlichen und humanitären
Krisensituation im Land klar völkerrechtswidrig“, so Judith.
Seit der Machtübernahme der Taliban 2021 gab es [1][mit einer Ausnahme
keine Abschiebungen nach Afghanistan], Dobrindt will nun wohl weitere
folgen lassen.
Leise Kritik kam auch aus der SPD: Die Vize-Fraktionsvorsitzende der
Sozialdemokraten im Bundestag, Sonja Eichwede, verwies zwar auf den
Koalitionsvertrag, in dem festgehalten sei, dass Abschiebungen nach
Afghanistan „zunächst bei Straftätern und Gefährdern grundsätzlich mögli…
sein sollen“, sagte aber auch: „Unter keinen Umständen dürfen Gespräche
aber den Umgang mit dem Taliban-Regime normalisieren.“ Sie favorisierte für
Abschiebungen ins islamistische Regime offenbar den Weg, den auch Nancy
Faeser (SPD) bei ihrem Abschiebeflug in der letzten Legislatur verfolgt
hatte: „In der Vergangenheit waren Gespräche über Dritte erfolgreich und es
ist gelungen, Flüge zu organisieren. Hieran sehr sensibel anzuknüpfen und
Kanäle auszubauen, ist richtig.“
Erst vor wenigen Tagen hatten CDU und SPD beschlossen, dass der
[2][Familiennachzug zwei Jahre lang für subsidiär Schutzberechtigte
ausgesetzt] wird, und damit ebenfalls viel Kritik auf sich gezogen – auch,
weil insbesondere Familiennachzug für eine bessere Integration sorgen kann
und jetzt viele Frauen und Kinder in Krisen- und Kriegsregionen verbleiben
müssten.
Vor wenigen Tagen [3][kritisierte auch Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel]
die rechtswidrigen Zurückweisungen an der Grenze: „Wenn jemand an der
deutschen Grenze ‚Asyl‘‚ sagt, dann muss er erst mal ein Verfahren bekomm…
– meinetwegen direkt an der Grenze, aber ein Verfahren“, sagte Merkel. Sie
warnte davor, sich in der Migrationspolitik von der AfD treiben zu lassen.
Dobrindt und Merz sehen das offensichtlich anders: Im Interview sprach
Dobrindt zudem davon, Abschiebungen nach Syrien voranzutreiben. Dorthin
gebe es bislang noch ergebnislose Kontakte, so Dobrindt. Nebenbei kassierte
er die einst von seinem CSU-Vorgänger Horst Seehofer definierte Obergrenze
von 200.000 Flüchtlingen jährlich. Das sei Dobrindt „deutlich zu viel“.
Tatsächlich regiert das Kabinett Merz vor allem bei der Migrationspolitik
derzeit in vorauseilendem Autoritarismus: Die Bundesregierung von Kanzler
Merz ignoriert derzeit sogar ein Berliner Verwaltungsgerichtsurteil zu
rechtswidrigen Zurückweisungen an der Grenze und hat zudem [4][unübliche
und deutliche Kritik des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes Andreas
Korbmacher] auf sich gezogen. Und Polen hat unterdessen seinerseits die
Grenzkontrollen zu Deutschland [5][ab dem 7. Juli angekündigt].
3 Jul 2025
## LINKS
[1] /Abschiebungen-nach-Afghanistan/!6035964
[2] /Familiennachzug-ausgesetzt-/!6096907
[3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-kritisiert-kurs-vo…
[4] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/grenz-zurueckweisungen-das…
[5] /Deutsch-Polnische-Grenze/!6097596
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Migration
Alexander Dobrindt
Schwerpunkt Afghanistan
GNS
Schwarz-rote Koalition
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Polen
Integrationsbeauftragte
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