| # taz.de -- Jüdischer Musiker über Synagogen: „Die Frage ist nicht, wo bin … | |
| > Es kostete Alex Jacobowitz Überwindung, nach Deutschland zu kommen. Jetzt | |
| > hat der jüdische Musiker ein Buch über die Synagogenkultur hier | |
| > vorgelegt. | |
| Bild: Alex Jacobowitz in der Synagoge Gröbzig in Sachsen-Anhalt, die ein Museu… | |
| taz: Herr Jacobowitz, Sie haben das erste umfassende Buch über Synagogen in | |
| Deutschland fertiggestellt. Sie sind dafür durch Deutschland gereist und | |
| stellen mehr als 150 Synagogen, ehemalige und aktive, mit Bildern und | |
| Texten vor. Herausgekommen ist ein Buch, das es so noch nicht gab. Was war | |
| das Motiv? | |
| Alex Jacobowitz: Lassen Sie mich beginnen mit einer Geschichte aus den | |
| neunziger Jahren. Es gab damals im jüdischen Gemeindehaus in der Berliner | |
| Fasanenstraße ein koscheres Restaurant. Da war ich oft zu Gast. Dort konnte | |
| ich anderen jüdischen Leuten begegnen, die zu meiner Kultur gehörten, ohne | |
| deutsch zu sein und ohne Deutsch zu reden. Eines Sommertages 1992 kam ein | |
| alter jiddischer Herr zu mir. Er war ein [1][Maschgiach], einer der | |
| Menschen, die alle Zutaten in einem Restaurant kontrollieren, ob sie auch | |
| koscher sind. Der alte Herr schenkte mir ein dickes altes Buch aus den | |
| 1920er Jahren, ein sogenanntes Harkavy. | |
| taz: Was ist das für ein Buch? | |
| Jacobowitz: Es ist ein dreisprachiges Wörterbuch für Englisch, Jiddisch und | |
| Hebräisch. Dieses alte Buch war für mich ein Blick in eine Welt, die es | |
| nicht mehr gibt. Warum geben Sie es mir, fragte ich ihn. Und er: Ich habe | |
| das Gefühl, Sie wissen, was damit zu machen ist. | |
| taz: Wie hat er das gemeint? | |
| Jacobowitz: Der Maschgiach wusste, dass es wichtig ist, dass unsere Kultur | |
| die eigene Lebensspanne überlebt. Das konnte ich nicht wegwischen. Und wie | |
| er vor über dreißig Jahren, jetzt gebe ich auch etwas Wertvolles zurück. | |
| taz: Mit dem Buch? | |
| Jacobowitz: Das kam viel später. Aber es stimmt. Ich werde kein Rabbiner | |
| mehr und auch keine große Kantorenstelle mehr einnehmen. Aber durch meine | |
| Konzerte bin ich immerhin hundert ehemaligen Synagogen in Deutschland | |
| begegnet. Ich bin in Städten und Dörfern gewesen, von denen ich früher | |
| nichts wusste, zum Beispiel in Hainsfarth in Schwaben, in Emmendingen, in | |
| Gröbzig bei Halle. Die Begegnungen mit diesen Synagogen ist für mich doch | |
| die perfekte Vorbereitung gewesen für ein Buch über heilige Orte. Wenn man | |
| nicht wüsste, dass es diese ehemaligen Synagogen gibt, wie könnte man dann | |
| auf die Idee kommen, ein detailliertes Buch darüber zu schreiben? | |
| taz: Sie haben in diesen ehemaligen Synagogen Konzerte gegeben? | |
| Jacobowitz: Als Musiker habe ich in New York eine klassische Ausbildung | |
| erhalten, habe mich später auf das Marimbafon spezialisiert, das ist, | |
| vergleichbar einem Xylophon, ein Instrument, das aus Afrika stammt. Ich | |
| habe Konzerte gegeben, und so kam ich dann auch in den frühen neunziger | |
| Jahren nach Europa. | |
| taz: Was haben Sie gespielt? | |
| Jacobowitz: Klassik immer gerne, darunter Bach, Mozart, Beethoven, weil ich | |
| dabei Kulturbrücken schlagen wollte zwischen meinem afrikanischen Klang und | |
| der europäischen Musikkultur. Später, ab 1994, habe ich auch Klezmer | |
| studiert bei Giora Feidman und durfte mit ihm beim Schleswig-Holstein Musik | |
| Festival auftreten. Noch intensiver bin ich ab etwa 1998 Klezmer begegnet, | |
| als ich Brave Old World gehört habe – eine Revival-Group, die sich auf die | |
| alte, traditionellere Klezmermusik fokussiert hat. | |
| taz: Sie haben Klezmer hier entdeckt? | |
| Jacobowitz: Von der Klezmermusik war ich besonders berührt, nicht nur als | |
| Jude, sondern weil meine eigene Familie aus Osteuropa stammt. Also, das war | |
| unsere Musik! Es war für mich eine ironische Erfahrung, meine eigene Kultur | |
| und Musik in Deutschland zu entdecken. Denn der Leiter von Brave Old World | |
| war Alan Bern, der seit 1987 in Berlin wohnt. Hauptsächlich wegen seines | |
| Engagements ist Berlin zu einer Hauptstadt der jiddischen Kultur geworden, | |
| darunter Klezmer. Um bei ihm zu studieren, habe ich mir eine kleine Wohnung | |
| in Berlin gesucht. | |
| taz: Was ist Klezmer? Unterhaltungsmusik? | |
| Jacobowitz: Nein. Aus den mystischen Traditionen im Osteuropa des 18. | |
| Jahrhunderts hat die Musik eine theologische Kraft ausgestrahlt, die tief | |
| verwurzelt ist im Gebet und in der Hoffnung auf die Wiederherstellung des | |
| Jerusalemer Tempels. Klezmer ist nicht bloß jüdische Tanzmusik! (lacht) Man | |
| feiert die gesamten biblischen Gebote – das ist viel mehr als nur Spaß bei | |
| der Hochzeit – mit einer neuen Generation, der dann irgendwann der | |
| Wiederaufbau des Tempels gelingt und die die Ankunft des Messias erleben | |
| wird. Und die Musik kommuniziert diese Hoffnung auf Erlösung! | |
| taz: Wie geht das? | |
| Jacobowitz: Für mich ist das Gebet meistens ein persönliches Gespräch mit | |
| Gott, und Klezmermusik ist das himmlische Gespräch in der Gemeinde zwischen | |
| Menschen. Für diese authentische Musik suchte ich authentische Orte. | |
| Traditionelle Klezmermusik ist für mich nicht geeignet für große | |
| Konzertsäle oder die Straße, sondern es ist ein intimes Gespräch mit der | |
| Gemeinde vor dem Ewigen. Es ist für mich immer etwas Heiliges, weil diese | |
| Musik eine sakrale Sehnsucht ausdrückt. | |
| taz: Wie haben Sie die Orte gefunden? | |
| Jacobowitz: Ab 2002 habe ich viele Konzerte im Hackeschen Hoftheater in | |
| Berlin-Mitte gegeben, im alten jüdischen Scheunenviertel. Als dieses | |
| Theater 2006 gezwungen wurde zu schließen, musste ich andere authentische | |
| Orte suchen. | |
| taz: Wie haben Sie sie gefunden? | |
| Jacobowitz: Es hat Jahre gedauert. Ich habe ins Internet geschaut. Unter | |
| „Synagogen“ und „ehemalige Synagogen in Deutschland“ habe ich mindestens | |
| 20.000 Einträge gefunden, aber leider kein Verzeichnis. Ich dachte, es muss | |
| aber doch ein Verzeichnis über all die Synagogen geben, die die Nazi-Zeit | |
| überlebt haben. | |
| taz: Gibt es so ein Verzeichnis? | |
| Jacobowitz: Ich bin 2008 im Bundestag Stephan Kramer, dem damaligen | |
| Generalsekretär des Zentralrats der Juden, begegnet und habe ihn gefragt: | |
| Habt ihr was zu den ehemaligen Synagogen? Eigentlich nicht, hat er gesagt. | |
| Wir sind der Zentralrat der Juden in Deutschland, nicht der Zentralrat der | |
| Synagogen und schon gar nicht der ehemaligen Synagogen. | |
| taz: Waren Sie enttäuscht? | |
| Jacobowitz: Ich habe schon verstanden, dass es die kleine jüdische Gemeinde | |
| in Deutschland nicht schafft. Aber dass es gar keine Organisation gab, | |
| keinen Verein, kein Verzeichnis über die ehemaligen Synagogen, deren Zahl | |
| doch viel größer ist als die der aktiven, das hat mich schon verwundert, | |
| bis heute. | |
| taz: Warum sind die ehemaligen Synagogen so aus dem Blick geraten? | |
| Jacobowitz: Das öffentliche Interesse für ehemalige Synagogen ist eher | |
| gering und hört meist schon an der Ortsgrenze auf, leider. Leute in Sachsen | |
| zum Beispiel, die sich sehr für die ehemalige Synagoge in ihrem Ort | |
| interessieren, wissen nichts über Synagogen ein paar Kilometer weiter in | |
| Sachsen-Anhalt. Dieser regionale Blick wird verstärkt durch Behörden, die | |
| etwa eine Restaurierung finanzieren, und die eher regionale Aspekte im | |
| Fokus haben, so wie die regionale Presse ja auch. | |
| taz: Das heißt, die Perspektive stimmt nicht? | |
| Jacobowitz: Das Judentum ist wahrlich eine Weltreligion, überall gibt es | |
| Synagogen, etliche davon stehen seit mehr als tausend Jahren, auch in | |
| Deutschland. Synagogen sind nicht nur mit der Regionalgeschichte verbunden. | |
| taz: Sie haben dann viele dieser ehemaligen Synagogen angeschrieben? | |
| Jacobowitz: Ich habe erst mal für mich eine Liste über alle ehemaligen | |
| Synagogen erstellt, in denen ich auftreten könnte. Es gibt viele kleine | |
| Vereine, die sich um ihre Heimat kümmern, es gibt in etlichen ehemaligen | |
| Synagogen kleine Museen, und deren Vorstände haben mich immer wieder | |
| eingeladen. | |
| taz: Wie haben Sie das Buchprojekt über die Synagogen vorangetrieben? | |
| Jacobowitz: Ich bin im Frühling 2023 mit einem Koffer voller alter Bücher | |
| zu meiner Verlegerin Nora Pester von [2][Hentrich & Hentrich] in Leipzig | |
| gegangen und habe gesagt: Das ist alles, was es über Synagogen in | |
| Deutschland gibt. Es waren Bücher in alter Sprache, meistens in Fraktur, | |
| trocken gestaltet. Darin schrieben meist nichtjüdische Akademiker über | |
| Synagogen als „Objekte“ oder als eine architektonische „Baugattung“ –… | |
| vereinfachend und komplett ohne Verständnis für die Synagogenkultur. Die | |
| wahre innere Dynamik war in diesen Büchern kaum sichtbar. Synagogen haben | |
| immer, wie ich das nenne, eine eigene Architektur des Gebets. Diese | |
| Dynamik, diese Kultur, diesen Reichtum wollte ich unbedingt in einem Buch | |
| aufzeigen. | |
| taz: Welchen Reichtum zum Beispiel? | |
| Jacobowitz: Synagogalkultur ist tausende Jahr alt. Wo wollen wir anfangen? | |
| Mit der Kunst der Paroches? Das ist der Vorhang vor dem Toraschrein. Oder | |
| dem Ner Tamid? Dem heiligen Licht? Oder der Bimah? Das ist das Lesepult für | |
| die Tora. Oder der Mikwe? Dem Ritualbad? Wie viel Zeit haben wir? (lacht) | |
| Nehmen wir einen Chuppastein. Das ist eine Besonderheit an Synagogen in | |
| Süddeutschland, Bayern, Franken, im Rhein-Main-Gebiet, und trotzdem weiß | |
| fast keiner, was das ist. | |
| taz: Was sind das für Steine? | |
| Jacobowitz: Chuppasteine sind Hochzeitssteine oder Trausteine, die von | |
| außen in die Mauer der Synagoge eingebaut sind, und sie haben eine | |
| Tradition verfeinert, die es seit 1.900 Jahren gibt. | |
| taz: Welche Tradition? | |
| Jacobowitz: Um die große Freude bei einer Hochzeit ein klein wenig zu | |
| dämpfen, wird ein Glas zertreten oder auch ein Teller zerschlagen, um an | |
| die Zerstörung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 70 unserer | |
| Zeitrechnung zu erinnern. Erst dann ist die Hochzeit vollzogen. | |
| Normalerweise macht man das auf dem Boden. Bei den fränkischen Juden aber | |
| hat sich diese Kultur weiterentwickelt, sodass die Gläser gegen den | |
| Chuppastein geworfen wurden, der höher liegt, sodass es alle Hochzeitsgäste | |
| viel besser sehen konnten. Ich habe viele Chuppasteine gefunden, aber nur | |
| in Franken bis in die Gegend von Mainz. | |
| taz: Diese Tradition ist im Synagogenbuch gut dokumentiert. Er ist nicht | |
| Ihr erstes Buch bei diesem Verlag. | |
| Jacobowitz: Mit der Coronapandemie wurden fast alle meine Konzerte | |
| gestrichen und ich hatte Zeit für Buchprojekte. Mein erstes „Corona“-Buch | |
| habe ich über die Görlitzer Synagoge geschrieben, [3][die im Juli 2021 | |
| wiedereröffnet wurde]. Der Bund hat die Restaurierung mit 12 Millionen Euro | |
| bezuschusst, aber in Görlitz war keiner auf die Idee gekommen, zur | |
| Eröffnung ein Buch mit Fotos und historischen Dokumenten vorzulegen. Ich | |
| dachte, die Synagoge hat etwas Besseres verdient, und habe das Buch | |
| geschrieben. Und bald merkte ich, dass viele andere Synagogen publizistisch | |
| genauso vernachlässigt waren wie die Görlitzer. | |
| taz: Vielleicht gibt es unterschiedliche Vorstellungen, was eine ehemalige | |
| Synagoge ist? | |
| Jacobowitz: Eine ehemalige Synagoge ist für die meisten Juden nicht | |
| ausschließlich eine Gedenkstätte, sondern immer noch ein heiliger Ort. Sie | |
| ist ein wichtiger Teil unseres Glaubens und sie darf nicht ausschließlich | |
| als Symbol für den Holocaust verstanden werden. Mein Hauptanliegen ist, zu | |
| zeigen, was es an Synagogen in Deutschland heute noch gibt. Die früheste | |
| Synagoge heute auf deutschem Gebiet, in Worms, ist datiert auf das Jahr | |
| 1034. Aber in Köln wurden schon im Jahr 321 Juden schriftlich erwähnt. Die | |
| Juden sind mit den Römern gekommen, jüdische Gemeinden und ihre Synagogen | |
| waren also schon hier, bevor es überhaupt eine Form von Deutschland gab. | |
| Wie kommt man auf die Idee, zu sagen, sie sind fremd? (lacht) | |
| taz: Sie haben das Buch in nur zwei Jahren fertiggestellt. Ihre Verlegerin | |
| sprach bei der Präsentation in Leipzig von einem Opus magnum. Ohne Glauben | |
| kann man so ein Projekt gar nicht beginnen? | |
| Jacobowitz: Auch wenn es nicht in deinen Händen liegt, die Arbeit zu | |
| beenden, bist du verpflichtet, die Arbeit fortzusetzen! So steht es im | |
| Talmud. Ich finde es nicht richtig, nur auf seinen eigenen Lebenshorizont | |
| zu blicken. Ob Leute in die Synagogen gehen und beten, ist ihre Sache. Aber | |
| sie sollen zumindest wissen, dass es sie gibt, dass viele Synagogen die | |
| Kristallnacht und die Nazi-Zeit überstanden haben und dass nach dem Krieg | |
| vielen neue Synagogen hinzugebaut wurden. | |
| taz: Sie benutzen das Wort Kristallnacht statt Pogromnacht? | |
| Jacobowitz: Der Begriff ist völlig korrekt. Er stammt nicht von den Nazis. | |
| Jedes Mal, wenn ich über die Kristallnacht rede, bekomme ich in Deutschland | |
| zu hören: Nein, das sagen wir nicht mehr! Viele Leute in Deutschland wollen | |
| mich in ihrer Korrektheit belehren, wie ich dieses Ereignis zu bezeichnen | |
| habe. Absurd. | |
| taz: Sie stammen aus einer jüdischen Familie in New York. War sie orthodox? | |
| Jacobowitz: Meine Großeltern gingen regelmäßig in die orthodoxe Synagoge, | |
| aber unsere Familie hat den Schabbat nur noch mittelmäßig eingehalten. | |
| Meine Mutter hat die Küche koscher gehalten, mein Bruder und ich gingen in | |
| eine jüdische Schule. Aber auch eine orthodoxe Erziehung führt nicht | |
| automatisch zu orthodoxer Praxis. Sie überspringt manchmal eine Generation. | |
| Meine Kinder habe ich auch in eine jüdische Schule geschickt. Als | |
| Erwachsene sind sie dann aber ausgestiegen. Wenn sie Kinder haben, kommt | |
| das vielleicht wieder zurück. Es ist ein Auf und Ab, wie in der Bibel, wo | |
| Jakob einen Traum hat und sieht, wie die Engel mal auf einer Leiter rauf- | |
| und mal runtersteigen. | |
| taz: Wurde zu Hause Jiddisch gesprochen? | |
| Jacobowitz: Meine Cousinen und Geschwister haben zu Hause bei unseren | |
| Eltern oft Jiddisch gehört, aber wir sollten es nicht verstehen, nur | |
| Englisch sprechen, weil wir amerikanisiert werden sollten, und das | |
| Jüdischsein wurde dafür ein wenig geopfert. Und jetzt studiere ich wieder | |
| Jiddisch. Für meine Mischpoche ist es schon überraschend, dass ich mich | |
| ausgerechnet in Deutschland mit jüdischer Kultur beschäftige. | |
| taz: Von New York sind Sie nach Jerusalem gezogen. | |
| Jacobowitz: Ich habe 1983 als junger Mann in Jerusalems Altstadt tagsüber | |
| ein Rabbinerseminar besucht. Am Abend spielte ich Schlagzeug im Jerusalem | |
| Symphony Orchester. Ich bin dann doch kein Rabbiner geworden, sondern | |
| Musiker, aber diese Zeit war sehr prägend für mich, sodass ich 1989 nach | |
| Israel gezogen bin mit drei Kindern und das vierte war unterwegs. | |
| taz: Und dann sind Sie nach Deutschland gekommen? | |
| Jacobowitz: Ich bin nach Europa gekommen! Ich war anfangs viel öfter in | |
| Budapest. Noch in Österreich habe ich gedacht, dass ich nie einen Fuß auf | |
| deutsches Gebiet setzen werde. Es gab tief in mir eine psychologische Mauer | |
| und es war der Schmerz, der meinem Volk angetan wurde. Diese Mauer musste | |
| ich überwinden, dachte ich und das ging nur, wenn ich Deutschland begegne. | |
| taz: Und jetzt sind Sie also in Deutschland. | |
| Jacobowitz:Wenn schon, dann bin ich meist in Berlin. Und die Hauptfrage ist | |
| nicht, wo bin ich, sondern wer bin ich? Und wenn ich der bleibe, der ich | |
| bin, sollte ich überall zurechtkommen. Ich spüre eine Verantwortung, weil | |
| meine Großeltern im frühen 20. Jahrhundert Europa rechtzeitig gen Amerika | |
| verlassen haben, sodass ich heute meine jüdische Identität leben kann. Da | |
| fühle ich mich schon verpflichtet, etwas Wichtiges davon an Europa | |
| zurückzugeben. Und meine Leistung, denke ich, ist dieses Buch, sind meine | |
| anderen Bücher, die etwas mal dokumentieren, mal wiederherstellen, viel | |
| mehr als das, was verloren gegangen ist, sondern was noch daraus werden | |
| kann. | |
| taz: Und glauben Sie, dass ein Synagogenbuch mit [4][900 Seiten, 1.100 | |
| Bildern und 4,5 Kilogramm Gewicht] seine Leser findet, auch unter | |
| Nichtjuden? | |
| Jacobowitz: David Ben-Gurion, der erste Ministerpräsident von Israel, hat | |
| mal gesagt: Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist. Ben-Gurion war | |
| Ostjude. Wie der Maschgiach in dem koscheren Restaurant. Wie alle meine | |
| Großeltern. Wir bleiben dabei. Übrigens hat der Vatikan das Buch bereits in | |
| seine Samlungen aufgenommen. Also für Katholiken ist es offenbar koscher | |
| genug. Ein Wunder! (lacht). | |
| 10 Aug 2025 | |
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| [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Maschgiach | |
| [2] https://www.hentrichhentrich.de/ | |
| [3] /Juedische-Gemeinde-in-Sachsen/!5780840 | |
| [4] https://www.hentrichhentrich.de/buch-100-synagogen-in-deutschland.html | |
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| Thomas Gerlach | |
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