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# taz.de -- Kein Krankenhaus in Hamburg-Wilhelmsburg: 60.000 Menschen ohne Notf…
> Am 15. Juli soll die Notaufnahme des Krankenhauses Groß-Sand schließen.
> Eine als Ersatz geplante Stadtteilklinik löst das Problem laut Ärzten
> nicht.
Bild: Lauschig gelegen – und vor allem mitten auf Wilhelmsburg: das Krankenha…
Hamburg taz | Buh-Rufe erntete Hamburgs Gesundheitssenatorin, als sie
vergangene Woche Wilhelmsburger Bürgern im Büro zweier SPD-Abgeordneter zur
Zukunft ihres Krankenhauses Rede und Antwort stand. Zwar will die Stadt
Hamburg das Grundstück und die Liegenschaft des Krankenhauses Groß-Sand vom
[1][klammen Erzbistum Hamburg] kaufen und dort eine moderne Stadtteilklinik
errichten lassen. Doch bis es so weit ist, wird wohl mindestens ein Jahr
vergehen.
Doch schon in zwei Wochen, am 15. Juli, werden die Notaufnahme und die
Chirurgie des Krankenhauses geschlossen. Wilhelmsburg liegt zwischen
Norder- und Süderelbe auf einer Insel und hat rund 60.000 Einwohner. Diese
Zahl wird in den kommenden Jahren wegen geplanter Neubauviertel deutlich
steigen. Viele Industrie- und Hafenbetriebe mit entsprechenden
Unfallrisiken sind auf Wilhelmsburg ansässig. Die nächste Notaufnahme liegt
elf Kilometer weiter südlich in Harburg oder zehn Kilometer nördlich beim
Katholischen Marienkrankenhaus in Hohenfelde.
Gleich nachdem Ende Mai die Pläne bekannt wurden, hat der in der Chirurgie
von Groß-Sand arbeitende Mediziner Hans Martin Wismar [2][eine Petition
dagegen gestartet]. „Fällt das Wilhelmsburger Krankenhaus, muss das
Rettungswesen in Zukunft permanent Kranke und Verletzte von der Elbinsel in
die nächstgelegenen Krankenhäuser der Stadt ‚exportieren‘“, heißt es d…
Jeder, der die Verkehrssituation auf den Elbbrücken kenne, wisse, dass mit
Sicherheit bei vielen zusätzlichen Rettungswagen der Verkehrskollaps drohe.
„Es werden mit Sicherheit Menschen aufgrund deutlich verlängerter
Transportzeiten versterben, die hätten gerettet werden können“, heißt es
weiter in der [3][Petition], die rund 9.700 Unterschriften erhielt. „Die
Kollegen vom Rettungsdienst sehen es genauso.“
## Nächste Notaufnahme 30 Minuten entfernt
„Ich halte nichts davon, den Menschen jetzt Angst zu machen“, sagt dagegen
Michael Wünning, der Chefarzt der Notaufnahme in Groß-Sand. „Natürlich
schließen wir die Abteilung schweren Herzens, das tut mir als Chefarzt auch
weh“, sagt er. Er könne Wilhelmsburger verstehen, die sich nun verlassen
fühlten. „Aber sie sind weiter versorgt“, sagt er mit Blick auf die
Asklepios-Kliniken in Harburg und St. Georg sowie das Katholische
Marienkrankenhaus. Die wären im Durchschnitt in 30 Minuten zu erreichen.
Fakt sei, dass von den gut 13.000 Menschen, die 2024 in die Notaufnahme
kamen, nur etwa 3.000 im Krankenhaus geblieben waren. „Alle anderen konnten
wieder nach Hause. In Groß-Sand werden somit deutlich weniger Patienten
aufgenommen als in anderen Krankenhäusern“, sagt Wünning. Auf den
Durchschnittstag umgerechnet bedeute das, dass nach der Schließung jedes
umliegende Krankenhaus drei zusätzliche Patienten aufnehmen müsste. Das sei
zu machen.
Wünning weist zudem darauf hin, dass sich seit Mai die gesetzlichen
Anforderungen für Notaufnahmen verschärft hätten. „Laut neuer Gesetzeslage
muss an jeder Notaufnahme ein ‚zusatz-weitergebildeter Akut- und
Notfallmediziner‘ rund um die Uhr verfügbar sein. Doch das nötige Personal
ist auf dem Markt kaum zu finden und geht bevorzugt an größere
Krankenhäuser“, sagt der Arzt. Hierdurch ließe sich die Notaufnahme in der
jetzigen Form auch strukturell auf lange Sicht nicht aufrechterhalten.
Das [4][Erzbistum] spricht in seiner Pressemitteilung von einer
„Weiterentwicklung“ des Krankenhausstandorts Groß-Sand. Er sei dankbar,
dass man zusammen mit der Gesundheits- und Finanzbehörde eine „tragfähige
Lösung gefunden“ habe, sagte Verwaltungsdirektor Alexander Becker.
Groß-Sand biete künftig spezialisierte Leistungen statt Vollversorgung.
Allerdings sollen die zunächst dort verbleibenden Abteilungen Geriatrie und
die neurologische Frühversorgung perspektivisch ans Marienkrankenhaus
verlagert werden, wo derzeit „moderne Räume“ geschaffen würden.
Laut einer Sprecherin der Klinik wird auch die Innere Medizin und ein vom
Innovationsfonds gefördertes Projekt namens „Statamed“, bei dem Menschen
nur kurz im Krankenhaus bleiben und dann von dort aus weiter zu Hause
versorgt werden, in Groß-Sand bleiben.
Geplant ist ferner, dass die Stadt Hamburg das Gelände kauft und dort eine
[5][moderne Stadtteilklinik errichtet], die ambulante Versorgung mit
stationären Angeboten insbesondere im Bereich Innere Medizin und Geriatrie
verbindet. Doch das kann dauern. Denn die Sozialbehörde will die Sache
ausschreiben lassen. Gefragt, wann die Klinik eröffnet, sagt Sprecher
Wolfgang Arnhold, der Zeitpunkt für die Ausschreibung hänge von der
Umsetzung der Krankenhausreform im Bund ab und davon, „wann Einigkeit mit
dem Bistum über den Verkauf der Immobilie besteht“. Er sagt ganz offen:
„Wir stehen also aktuell am Anfang des Prozesses“.
Gesundheitssenatorin Schlotzhauer sagt, sie habe lange Zeit dafür geworben,
dass Groß-Sand „in [6][neue Hände verkauft] und dort weiterentwickelt wird.
Dazu ist es leider nicht gekommen“.
Für den [7][Gesundheitspolitiker Deniz Celik] (Die Linke) dauert das alles
schon viel zu lange. „Die Stadt hat seit fünf Jahren eine Lenkungsgruppe zu
Groß-Sand. Man fragt sich, was haben die eigentlich getan?“ Statt die
Stadtteilklinik öffentlich auszuschreiben, sollte die Stadt lieber selber
als Träger einspringen, so wie jüngst beim Pflegebetrieb „Pflegen &
Wohnen“. Dass dies möglich ist, zeige das Beispiel des städtischen
Uniklinikums Eppendorf, das schon seit 2005 auch recht erfolgreich Träger
des Altonaer Kinderkrankenhauses ist.
Auf die Frage, warum die Stadt nicht selber eine Klinik eröffnet, erklärt
Behördensprecher Arnhold, es wäre für einen freien Träger wesentlich
einfacher, an Fördermittel aus dem Transformationsfonds der
Krankenhausreform zu kommen. Auch könnten solche Träger effizienter sein
als kleine kommunale Eigenbetriebe, was wiederum langfristig Kosten senken
könne.
## Insellage als Problem
Für den Chirurgen Hans Martin Wismar geht das alles in die ganz falsche
Richtung. „Ich will niemandem Angst machen“, sagt der Mediziner, der seit
zwölf Jahren in der Notaufnahme arbeitet. „Aber Fakt ist, dass Wilhelmsburg
durch seine Insellage bei Hochwasser, Schnee und Stau schnell abgeschnitten
ist“. Erst über Pfingsten habe es starken Stau auf der A1, der A7 und der
Wilhelmsburger Reichsstraße gegeben. „Wenn die Menschen mit Blinddarm oder
Darmverschluss kommen, muss schnell operiert werden.“ Die drei
Rettungswagen wären künftig bei jedem Einsatz über eine Stunde unterwegs
und könnten nicht mehr alles abdecken.
Hinzu komme, dass die Notaufnahmen in Harburg und St. Georg schon heute
häufig wegen Überlastung keine Patienten aufnähmen. Dass Groß-Sand weniger
stark ausgelastet ist, sei doch eher gut: „Wir brauchen eine Reserve“. Und
besagte Zusatzweiterbildung sei für die allermeisten Fälle nicht
erforderlich. Wenn man gleichzeitig in Kauf nehme, dass Kranke quer durch
Deutschlands Stauhauptstadt gefahren werden, sei das nicht redlich. „Kranke
und Verletzte bekommen in Wilhelmsburg ihre schnelle Hilfe vor Ort, man
sollte alles so lassen, wie es ist.“
Das sieht auch der Verein der [8][Wilhelmsburger Ärzteschaft] so. Man sei
zutiefst enttäuscht über die geplante Schließung, heißt es in einer
Erklärung, die 18 Mediziner unterzeichnet haben. Die versprochene neue
Stadtteilklinik könne das Krankenhaus nicht ersetzen. Denn dort sollten
zwar Patienten bei Verschlechterung einer Grunderkrankung aufgenommen
werden. „Die Akutversorgung, Anästhesie, Intensivmedizin und Chirurgie
hingegen, die integraler Bestandteil einer umfassenden stationären
Versorgung sind, sollen entfallen.“ Die Ärzte fordern ebenfalls, dass
Hamburg das Krankenhaus übernimmt. Eine Stadt, die Millionen für eine
Olympiabewerbung ausgibt, müsse auch Geld für die Versorgung eines
benachteiligten Stadtteils aufbringen können.
30 Jun 2025
## LINKS
[1] /Krankenhaeuser-zu-verkaufen/!5604473
[2] https://www.change.org/p/gegen-die-schlie%C3%9Fung-der-notaufnahme-und-der-…
[3] https://zukunft-elbinsel.de/krankenhaus-gross-sand-wird-abgewickelt-schwere…
[4] https://erzbistum-hamburg.de/Weiterentwicklung-am-Krankenhausstandort-Gross…
[5] https://www.spd-fraktion-hamburg.de/presse/pressemitteilungen/detail/kranke…
[6] /Die-Uebernahme-ist-unvermeidlich/!5796077/
[7] https://www.linksfraktion-hamburg.de/gross-sand-notfallversorgung-sichern-b…
[8] https://zukunft-elbinsel.de/wp-content/uploads/2025/06/25-06-18-Wilhelmsbur…
## AUTOREN
Kaija Kutter
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