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# taz.de -- Spielfilm „Kino“: Jeden Tag Filmtheater
> Pourya Pour arbeitet im Hamburger Abaton-Kino. Nun hat er einen Film
> gedreht, der dort spielt: Fast ohne Budget und mit blutigen Aktionszenen.
Bild: Heimgesucht von Gewaltfantasien: die Kino-Mitarbeiterin Lou (Luise Overme…
„Film im Film“, das gilt spätestens seit Truffauts Spielfilm „Die
amerikanische Nacht“ als eigenes Filmgenre. Vergleichsweise wenig beackert
ist dagegen „Kino im Kino“. Natürlich gibt es Klassiker wie „Cinema
Paradiso“ und „Splendor“ aus Italien. Aber ein Film, der in einem Kino
spielt, folgerichtig dort gedreht wurde und im Idealfall dann auch in genau
diesem Kino gezeigt wird: Das ist ein Spiegelungseffekt, zu dem auch
Cineast*innen nicht sofort berühmte Vorbilder einfallen dürften.
In den Genuss so eines seltenen Exemplars kommt, wer sich nun im Hamburger
Abaton-Kino den Film „Kino“ ansieht. Gedreht hat ihn Pourya Pour, ansonsten
auch Musiker. Der Hamburger arbeitet selbst im Abaton, und sein [1][realer
Alltag dort] ist die wichtigste Inspiration zu „Kino“ gewesen.
Pour erzählt darin von Lou, die als ungelernte Arbeitskraft angestellt ist.
Sie sitzt meist an der Kasse, kontrolliert am Einlass Tickets, säubert nach
den Vorstellungen den Saal und springt bei Filmgesprächen auch mal als
Moderatorin ein.
„Kino“ zeigt einen Tag in ihrem Leben – aber den gleich mehrmals. Wie sie
morgens aufwacht, mit ihrer Mitbewohnerin frühstückt, mit dem Fahrrad von
der Peripherie zum Uni-Campus fährt, an den Allende-Platz wo sie ihr
Fahrrad vor dem Abaton anschließt. Nach der Arbeit genießt sie ihre
Freizeit – oft, indem sie sich einen Film ansieht, klar: im Abaton.
## Fußend auf Erfahrung
Dieser Tagesablauf wiederholt sich in identischen Kameraeinstellungen,
jedoch mit inhaltlichen Variationen. Diese Episoden, die auf Erlebnissen
und Erfahrungen Porya Pours und seiner Kino-Kolleg*innen basieren, sind
es dann auch, die den Film interessant machen: Da geht es um nervige
Kinobesucher, um Premierengäste, die sich eigens fantasievoll für diesen
Anlass kostümiert haben oder um belauschte Gespräche von Besucher*innen.
Auf dieser fast dokumentarischen Ebene ist der Film stimmig, weil Pour hier
ganz natürlich erzählen kann. Wie er arbeiten seine sämtlichen
Darsteller*innen im Abaton und spielen im Grunde sich selbst. Ihre
Dialoge wirken eher improvisiert, als auswendig gelernt, und sie alle
bewegen sich in Räumen, die ihnen offensichtlich vertraut sind.
Hauptdarstellerin Luise Overmeyer, die in fast jeder Einstellung zu sehen
ist, muss auch sonst kaum schauspielern, tut das aber doch: In kurzen,
blutigen und schnell geschnittenen Actionszenen lebt Protagonistin Lou ihre
Gewaltfantasien aus und fuchtelt mit einem Messer herum, bis das Kunstblut
spritzt. Diese – ebenfalls wiederholte – Sequenz ist ein irritierender
Fremdkörper im Film. Das verdeutlicht schon die Farbdramaturgie: Während
der Rest von „Kino“ in schwarzweiß gedreht ist, leuchten diese Sequenzen in
knalligem Rot.
Als seine Vorbilder nennt Porya Pour die Regisseur*innen [2][Jim
Jarmusch], [3][Ozu Yasujiro] und [4][Chantal Akerman]. Er erzählt von
Menschen, die er kennt, ist eher an genauen Mileuzeichnungen als am Plot
interessiert und lässt sich Zeit dafür. Doch wird „Kino“ durch seine viel…
Wiederholungen nicht tiefer, nur breiter beziehungsweise länger. Statt in
97 Minuten hätte Pour die Geschichte wohl ebenso eindrucksvoll in einer
Stunde erzählen können. Weiß er das sogar selbst und belohnt das Publikum
deshalb für seine „Geduld“, so sagt er es selbst, am Schluss mit gleich
zwei schönen Höhepunkten?
Zum einen ist da eine sehr komische Parodie auf das typische
Publikumsgespräch im Kino: Lou steht hilflos mit dem Mikro in der Hand vor
der Leinwand, während ein arroganter Filmemacher sich mit einem empörten
Kinobesucher über die Qualität des gezeigten Films in die Wolle kriegt. Und
zum Finale gibt es dann noch eine viel realistischer inszenierte
Gewaltszene, die all jenen aus dem Herzen sprechen dürfte, denen allzu
laute Sitznachbar*innen im Kino ein Ärgernis sind.
„Kino“ entstand auch mit der Unterstützung des Abaton: Pour durfte
kostenlos in den Räumen drehen, seine Kolleg*Innen haben ohne Gage
mitgespielt. So konnte der Film ohne jede Förderung an acht Drehtagen mit
einem Budget von gerade mal 2.000 Euro produziert werden. Auch ohne jedes
Alpenglüh'n: Für all jene, die in Kinos arbeiten, ist „Kino“ ein
Heimatfilm. Und für die, die viel Zeit dort verbringen irgendwie auch..
2 Jul 2025
## LINKS
[1] /Hamburger-Programmkino-Abaton/!5663166
[2] /Jim-Jarmusch/!t5275398
[3] /Kinoveranstalter-ueber-Regisseur-Ozu/!5973205
[4] /Regisseurin-Chantal-Akerman/!5109859
## AUTOREN
Wilfried Hippen
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Deutscher Film
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Kino
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Programmkino
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